Tage und Wochen vergehen und ich balanciere auf Messers Schneide. Ich habe den Eindruck, dass ein falscher Schritt, eine falsche Tat, ausreicht, um abzustürzen. Abzustürzen in einen Abgrund, in dem schon die Dämonen und Monster heulen und warten, um mir mein selbstbestimmtes Leben zu nehmen. Doch mit der Zeit werde ich sicherer. Ich finde Menschen, die mir Sicherungsseile zuwerfen. Zuerst einzelne und danach mehr und mehr.
Ob die Sicherungsseile halten oder ich doch irgendwann für immer abstürze, wird die Zukunft zeigen. Mein Ziel ist, nie in sie zu fallen, doch es liegt nicht allein in meiner Macht. Ein starker Windstoß, ein gestelltes Bein, und schon kann ich straucheln und fallen, und dann muss sich beweisen, ob die Sicherungsseile halten.
Ich denke an mein Leben zurück und stelle fest, dass ich viele Schnitte von meinem Balanceakt auf Messers Schneide davongetragen habe. Schnitte, wenn ich stolperte und hinfiel. Schnitte, wenn ich fehltrat und mich nur noch mit der Hand an der Klinge festhalten konnte. Besonders schmerzt der Schnitt, den ich als Letztes erlitt. Der Schnitt, als ich nur noch mit dem Nagel des kleinen Fingers an der Schneide hing und dachte, jeden Moment endgültig abzustürzen. Aber ich schaffte es noch einmal hinauf, hinauf auf die Schneide, indem ich mir Hilfe suchte und sie auch annahm.
Schlussendlich bleibt mir nur die Erkenntnis, dass das Leben ein Balanceakt auf Messers Schneide ist. Wenn man vernünftig und aufmerksam leben möchte, muss man auf ihr spazieren, wobei auf der einen Seite des Messers der Abgrund der Ignoranz und auf der anderen der Abgrund des Wahnsinns wartet. Doch nicht nur das, balanciert man auf der Schneide entlang, gelangt man zwangsläufig an die Spitze und an das Lebensende.
Es ist nun einmal so, dass das Leben immer auf die eine oder andere Weise endet, und die einzige Möglichkeit, die man selbst hat, ist, möglichst gut und gewissenhaft bis zum Tod zu leben, ohne vorher abzustürzen, auf dass man etwas Positives hinterlässt.