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Diese Person – Eine Liebesgeschichte? – Teil 4: Das erste Date

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Es sind bereits zehn Minuten vergangen, seit dem wir uns treffen wollten. Ich gebe die Hoffnung auf, dass die Person noch kommt. Ich verlasse meinen Sitzplatz und wende mich in Richtung der S-Bahnhaltestellen. Ich bin im Gedanken versunken. Plötzlich höre ich jemanden rufen. Ich höre: „Hey, warte doch!“, eine mir bekannte Stimme rufen. Ich bleibe stehen und sehe mich um. Da sehe ich die Person, auf die ich gewartet habe. Sie kommt auf mich zu gerannt. Vor mir stoppt sie. Sie beugt sich nach vorne, stützt sich auf ihren Knien ab und holte erst einmal tief Luft. Sie keucht gar fürchterlich und ihre Kleidung ist vom Schweiß durchnässt. „Entschuldigung fürs zu spät kommen. Meine S-Bahn hatte eine technische Störung, so dass sich die Ankunft verzögerte. Ich hätte dich ja angerufen, aber ich habe ja von dir keine Mobiltelefonnummer. Apropos Telefonnummer, wollen wir sie nicht gleich austauschen, damit so etwas nicht wieder vorkommt?“ Ich versuche der Person böse zu sein, dafür, dass sie mich warten und bangen ließ, ob sie überhaupt noch kommt, aber ich schaffe es nicht. Ich schaffte es nicht, da ich ja auch regelmäßig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahre und weiß, das ab und an mal etwas schiefgeht. Doch eine kleine Spitze kann ich mir dennoch nicht verkneifen und so sage ich: „Hallo, erst einmal. Schön dich zu sehen, auch wenn du etwas aus der Puste bist. Komm erst einmal zu Atem und dann können wir gerne unsere Mobiltelefonnummern austauschen.“ Auf meine Aussage hin nickt die Person nur. Sie versucht immer noch zu Atem zu kommen. „Los, lass uns erst einmal auf eine Bank setzen, bis es dir besser geht. Da kannst du mir auch erzählen, was du eigentlich für heute, für unser Treffen, geplant hast.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, gehe ich zur nächsten Bank und setze mich. Die Person folgt mir, setzt sich neben mich und für einige Minuten verharren wir schweigend.

Es ist mir nicht unangenehm neben dieser Person zu sitzen. Einen Moment überlege ich, ob ich einen Arm um sie legen oder mich leicht an sie anlehnen soll. Nein, dafür kenne ich sie noch nicht gut genug. Sicherlich würde das unangemessen und aufdringlich wirken. Dann lieber einfach dasitzen und warten. Einfach ihre Gegenwart genießen, bis sie sich wieder regeneriert hat und dann mal schauen, was sie für heute plante.
„Eigentlich wollte ich heute einfach eine Runde spazieren und wandern gehen. Nicht mehr und nicht weniger. Etwas durch die Natur streifen und mit dir quatschen. Es tut mir leid, das unser Treffen so schlecht gestartet ist. Ich möchte mich noch einmal dafür entschuldigen, dass ich zu spät gekommen bin. Ich hoffe, du bist mir deswegen nicht böse.“ Ich sehe die Person an, die da neben mir sitzt. Nein, böse kann ich ihr für ihre Verspätung nicht sein. Sie kann ja auch gar nichts dafür, wenn die S-Bahn einen technischen Defekt hat. Ich schaue sie mir näher an und stelle fest, dass ich ihr, selbst wenn ich wollte, nicht böse sein kann. „Es war nicht deine Schuld, dass die S-Bahn einen technischen Defekt hatte. Und am Ende hat es ja noch geklappt, dass wir uns trafen und jetzt etwas unternehmen können. Mach dir keinen Kopf mehr darüber. Es ist alles in Ordnung.“ Da lächelt die Person. Sie lächelt und mein Herz schlägt mir schneller. Sie lächelt ein wunderschönes offenes Lächeln. Mein Gott, wie gerne würde ich sie jetzt küssen. Wie gerne diese Person einfach in die Arme nehmen und sanft küssen. Aber nein, dass konnte ich nicht einfach machen.
Die Person holt ihr Mobiltelefon aus der Tasche und wir tauschen, bevor wir es vergessen, unsere Nummern aus. Das getan, steht sie auf. „Komm, ich habe mich genug ausgeruht. Lass uns etwas laufen. Lass uns durch die Wälder streifen und uns, und unsere Umwelt besser kennenlernen.“ Ich stehe auch auf und wir laufen los. Wir laufen und quatschen über dieses und jenes. Es bereitet mir viel Freude mit ihr die Zeit zu verbringen. Von dem, was wir miteinander quatschen, sind viele Dinge Belanglosigkeiten, die ich schnell wieder vergesse. Doch einige Aspekte unserer Unterhaltung begleiten mich. Sie lassen mich nicht mehr los. Ich denke immer noch über sie nach, obwohl unser Gespräch schon weiterging. Es sind Dinge, die an mir nagen. Sachverhalte, für die ich, für mich, eine Antwort finden muss, wenn es wirklich darum geht, mit der Person eine Beziehung aufzubauen, die über eine reine Freundschaft hinausgeht.
Die Zeit verstreicht. Wir laufen bereits seit Stunden und unser Gespräch ist fast zum Erliegen gekommen. Wir laufen hauptsächlich schweigend nebeneinander her, da wir unsere Kraft fürs Laufen benötigen. Diese äußere Ruhe bietet mir die Möglichkeit, mich mit den offenen Fragen, die mich aus unserer vorhergehenden Unterhaltung begleiten, auseinanderzusetzen.

Die erste Frage, die mich nicht loslässt, ist, was die Person, die da neben mir läuft, eigentlich ausmacht. Wer ist sie? Was denkt sie über sich selbst? Die Frage stellt sich mir, da sie meinte: „Ich bin die Letzte, die einen Schlussstrich unter einer Beziehung zieht. Ich gebe eigentlich bis zum Schluss alles.“, als wir darüber sprachen, was wir niemals für eine Beziehung aufgäben. In meinen Ohren klang ihre Aussage fast danach, dass sie sich, je nach Situation, selbst aufgäbe, um eine Beziehung, die sie, aus welchen Gründen auch immer, für wertvoll hielt, am Leben zu erhalten. Ich im Gegensatz dazu meinte, dass ich nie meine Freunde und meine innersten Überzeugungen für eine Beziehung aufgäbe. Ich brachte zum Ausdruck, dass man zwar, wenn man eine gute Beziehung führt, sich etwas aneinander reibt und zusammenwächst, sich aber nie nur eine Seite anpassen darf, denn dann wäre einer der Partner irgendwann nur noch eine leere Hülle oder, was noch schlimmer wäre, eine Marionette des anderen. Diese Person, wie sie da, neben mir, lief und der ich das sagte, hörte aber nur, dass ich lieber meine Zeit mit meinen Freunden verbrächte, als mit einem eventuellen Partner. Sie hörte das, obwohl ich so etwas mit keinem Wort sagte. Ich sagte ihr das auch. Ich sagte: „Natürlich verbringt man in einer guten Partnerschaft mit seinem Partner viel Zeit und häufig wird auch die Zeit weniger, die man mit seinen Freunden verbringt. Doch ich werde niemals eine Freundschaft aufkündigen, nur weil meinem Partner die Nase des Kumpels nicht passt.“ Da schüttelte sie nur den Kopf und schwieg. Da fragte ich sie: „Was macht denn dich aus? Was macht dich zu dem Menschen, der du bist und was würdest du niemals für eine Partnerschaft aufgeben?“ Auf diese Frage schwieg die Person. Sie konnte oder wollte mir keine Antwort geben. Scheinbar wusste sie selbst nicht, was sie ausmacht. Sie wusste nicht, was sie zu dem Menschen macht, der sie ist.
Ein anderer Punkt, der mir negativ in unserem Gespräch auffiel, war, dass ich den Eindruck gewann, dass sie sich seltenst ihres eigenen Kopfes bediente. Damit meine ich, dass ich den Eindruck habe, dass sie sich seltenst eine eigene Meinung bildet. Häufig gab sie während unseres Gesprächs, unüberlegt und unreflektiert die Meinung anderer wieder. Es machte mir zwar Spaß mit ihr zu quatschen, doch beschlich mich während unserer Unterhaltung der Eindruck, dass sie in ihren bisherigen Leben noch nicht dem Geist der Aufklärung begegnet war. So begann sie häufig Sätze mit: „Ich hörte, …“; „Ich lass, …“; „Ein Freund erzählte mir, …“; aber niemals Sätze mit: „Ich gelangte zu der Überzeugung, …“ oder „Nach reichlicher Überlegung kam ich …“
Ein Thema, bei dem mir dieser Sachverhalt auffiel, war, als wir uns übers Impfen unterhielten. Sie meinte: „Für was soll man sich denn impfen lassen. Das ist Körperverletzung und wer weiß, was sie einem da alles spritzen. Der menschliche Körper ist schon seit Jahrmillionen darauf programmiert, sich mit Viren auseinanderzusetzen. Warum sollte dann eine Impfung besser sein, als das eigene Immunsystem? Ich habe auch gehört, dass Impfungen gar nicht wirklich helfen, da gar nicht untersucht wird, ob nach einer Impfung wirklich weniger an der jeweiligen Krankheit erkranken, als ohne Impfung. Und das ist nur ein Punkt! Ich kann noch tausende Punkte aufzählen, die gegen Impfungen sprechen. Man braucht doch nur mal im Internet nach Impfkritik zu suchen! Also, warum sollte man sich Impfen lassen?“ Darauf meinte ich: „Durch Impfungen gelang und gelingt es den Menschen, Krankheit zu bekämpfen und teilweise sogar auszurotten, die früher Millionen Menschen den Tod brachten oder schwer schädigten. Impfungen haben sich über Jahrzehnte im Kampf gegen Kinderlähmung, Masern und Röteln bewährt.“ „Selbst wenn das stimmt, so kann es aber doch den Leuten egal sein, ob sich einer impfen lässt oder nicht, schließlich gefährdet er dadurch nur seine eigene Gesundheit!“ „Nein, dem ist nicht so. Nicht alle Menschen können geimpft werden, sei es, das sie ein geschwächtes Immunsystem haben, sei es, dass sie noch zu jung sind. Diese Menschen sind darauf angewiesen, dass es eine ‚Herdenimmunität‘ gibt, so dass für sie selbst das Risiko zu erkranken gering ist. Das Risiko für die Menschen, die sich nicht Impfen lassen können, sinkt, wenn alle anderen, die geimpft werden können, geimpft sind, da es für die nicht geschützten Menschen dann unwahrscheinlich ist, mit einer erkrankten Person in Kontakt zukommen, die sie anstecken könnte. ‚The greater good’, also das Gemeinwohl ist in diesem Punkt, meiner Meinung nach, hoch anzusehen. Man sollte sich, wenn es einem gesundheitlich möglich ist, Impfen lassen, da es auch das soziale ist, zu tun, um andere, die das aus gesundheitlichen Gründen nicht können, zu schützen.“ Auf meine Erwiderung hin schüttelte sie nur mit dem Kopf und wechselte das Thema.
Egal wie sehr ich auch über diese, aus meiner Sicht, kritischen Punkte nachdenke, so komme ich doch zu keiner Lösung. Ich weiß nicht, ob diese Punkte nicht schon von vornherein gegen den Aufbau einer Liebesbeziehung zwischen der Person und mir stehen. Doch über die Gedanken, die ich mir mache, vergeht die Zeit.

Es wird Abend. Unsere Wanderung geht zu Ende. Wir lassen den Tag in einem Restaurant ausklingen. Beim Essen quatschen wir über belangloses Zeug. Wir quatschen über Dinge, die nichts bedeuten. Schließlich bezahlen wir und verlassen das Restaurant. Vor dem Restaurant verabschieden wir uns. Die Person fällt mir in die Arme und sagt: „Überwiegend war es ein schöner Tag. Es freute mich, wenn wir ihn mal wiederholen könnten.“ „Ja, das würde mich auch freuen.“, sage ich, wobei ich Zweifel in mir trage, wo das nur hinführen soll. Zweifel, was werden soll. Ich meine in meinem Herzen zu spüren, wie bereits die erste Verliebtheit, die ich spürte, als ich die Person kennenlernte, abklingt. Ich merke, wie ich die Person beginne eher als einen Freund, anstelle eines möglichen Partners, für eine Liebesbeziehung, zu sehen.
Doch vielleicht ändert sich das ja wieder. Vielleicht ist es nur dieser Tag. Die Person fragt: „Hättest du Lust mich übermorgen von Arbeit abzuholen und mit mir ins Kino zu gehen.“ „Ja, dass können wir machen. Aber du suchst einen Film aus, da ich von Filmen und was gerade im Kino läuft, keine Ahnung habe.“ „Okay, dann haben wir ein Date.“, sagt sie und schaut mich erwartungsvoll an. Was soll ich tun? Ich tätschle der Person ihren Rücken. Sie vielleicht noch zum Abschied küssen? Ich fühle mich unsicher. So wenig Übung, wie ich beim Küssen haben, nämlich gar keine, wäre das bestimmt eine herbe Enttäuschung für sie. Mit diesen Zweifeln in meinem Kopf belasse ich es einfach beim im Arm halten und Rücken tätscheln. Schließlich löst sie sich aus meiner Umarmung und sagt: „Also dann, gute Nacht. Träum etwas Schönes und wir sehen uns dann spätestens übermorgen.“ Das gesagt, dreht sie sich um und verschwindet in der Nacht.

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