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Diese Person – Eine Liebesgeschichte? – Teil 3: Das Warten aufs Date

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Noch dreißig Minuten. Ich bin zu früh. Eine halbe Stunde zu früh. Warum habe ich mich denn dann so abgehetzt? Na gut, dann habe ich ja noch etwas Zeit mich zu sammeln. Ich sehe mich um. Idyllisch liegt hinter einem alten Gasthaus, ein kleiner Teich. An dem Teich steht eine Bank. Sie ist nicht besetzt. Ich gehe zu der Bank und setze mich. Ich höre das Schilf im Teich leise im Wind rauschen, während mir die Sonne sanft ins Gesicht scheint.

Noch fünfundzwanzig Minuten bis zu meinem Treffen mit der Person. Der Person, die ich fragte, ob sie nicht mal Lust hätte, etwas mit mir zu unternehmen. Sie hatte mir tatsächlich geschrieben, obwohl sie doch gar nicht meine Kontaktdaten gehabt hatte. Sie schrieb mir über eine Social-Media-Plattform: „Wenn du Lust hast mich zu treffen, komme einfach die Woche, am Tag der Sonne, wenn die Kirchturmuhr zwölfmal schlägt, zum kleinen Teich, der leicht versteckt, bei der grünen Aue am Stadtrand liegt.“ Mich irritierte das, was die Person da schrieb. Wann und wo sollte ich hinkommen, wenn ich sie treffen wollte? Ich begann zu überlegen, was die Person mit ihrem Satz meinte. Sie einfach danach fragen, wäre sicherlich der falsche Weg, denn sie hatte sich ja bestimmt etwas dabei gedacht, als sie mir genau diesen Satz schrieb. Vielleicht war es ein kleiner Test von ihr? Eine kleine Prüfung, ob ich ihr überhaupt würdig bin? Wie dem auch sei, ich begann den Satz auseinanderzunehmen. Mit „Tag der Sonne“ meinte sie sicherlich Sonntag. Mit „wenn die Kirchturmuhr zwölfmal schlägt“ sicherlich zwölf Uhr mittags. Doch dann wurde es schwer. Was meinte diese Person nur mit „kleinen Teich, der leicht versteckt, bei der grünen Aue am Stadtrand liegt.“ Ich marterte mir meinen Kopf. Schließlich suchte ich digital nach einer grünen Aue, in unserer Stadt. Doch ich fand nichts. Ich versuchte noch andere Schlagwörter. Doch, wieder kein Erfolg. Schließlich holte ich sogar, von meiner ergebnislosen Suche bereits ernüchtert und kurz davor aufzugeben, einen Stadtplan unserer Heimatstadt hervor und betrachtete ihn mir genau. Was hatte sie geschrieben? „Bei der grünen Aue am Stadtrand liegt“? Doch auch auf dem Stadtplan fand ich nichts. Ich war bereit zu kapitulieren und sie nach einer Hilfestellung oder einen kleinen Tipp zu fragen. Doch da fiel mir auf, was ich noch nicht versucht hatte. Der Gedanke kam mir, als mir die Wörter „Hilfestellung“ und „Tipp“ durch den Kopf schwirrten, die doch auch als Synonyme zueinander verwendet werden können. Vielleicht hatte eines der Wörter in dem Satz, den mir diese Person schrieb, auch eine andere Bedeutung, als ich ursprünglich dachte. Mmh, „grüne“, sicherlich nicht. „Aue“? Vielleicht. Vielleicht meinte sie mit „Aue“ keine Feuchtlandschaft, sondern etwas anderes. Schnell hatte ich online nachgeschaut. Ja, „Aue“ wird auch als Bezeichnung für ein „weibliches Schaf“ verwendet. Vielleicht meint sie etwas mit grünem Schaf oder so ähnlich? Schnell online nach diesen Begriffen gesucht. Ja, ich hatte Erfolg. Es gab ein altes Gasthaus am Stadtrand, das „zum grünen Schaf“ hieß. Ich öffnete eine Onlinekarte, auf der das alte Gasthaus verzeichnet war und tatsächlich sah man auf ihr, dass von der Straße ausgesehen, hinter der Wirtschaft, vor schaulustigen Blicken versteckt, ein kleiner Teich lag. Das sollte also vermutlich unser Treffpunkt sein. Zu dieser Überzeugung gelangt, schrieb ich der Person, deren einer Satz mir Stunden meines Lebens für die Entschlüsselung gekostet hat: „Ich werde am Sonntag zwölf Uhr Mittag am kleinen Teich hinter dem alten Gasthaus ‚zum grünen Schaf‘ sein. Ich freue mich schon darauf, dich dort zu treffen.“ Doch ich erhielt keine Antwort. Vielleicht hatte ich mich doch geirrt. Nein, sicherlich nicht, denn dann hätte diese Person es doch sicherlich geschrieben. Mir vielleicht einen Hinweis gegeben, dass ich es noch einmal versuchen sollte? Doch das tat sie nicht. Sie ließ mich im Dunkeln, ob ich richtig deduziert hatte.
Die Zeit verging und der Sonntag kam, ohne dass die Person noch etwas als ihren ersten Satz geschrieben hätte. Was sollte ich tun? Da ich nichts Besseres mit meiner Zeit anzufangen wusste, machte ich mich einfach auf den Weg, zu meinen deduzierten Treffpunkt, um zu schauen, ob denn diese Person, die ich gedachte dort zu treffen, tatsächlich käme.

Noch fünfzehn Minuten bis zum Treffen. Ich beginne mich zu fragen, ob das Treffen tatsächlich ein Date ist oder doch nur ein Treffen zwischen Freunden bzw. Bekannten. Interpretierte ich vielleicht schon wieder zu viel in eine eigentlich harmlose Sache hinein? War es denn nicht so, dass ich schon häufig Zeichen falsch verstanden bzw. nicht bemerkt hatte? Ja, das war bisher eigentlich immer der Fall gewesen! Warum sollte es da gerade jetzt anders sein? Warum sollte gerade jetzt das Treffen ein Date sein? Hatte denn irgendjemand gesagt, dass es sich bei diesem Treffen, um ein Treffen handelte, bei dem man sich genauer beschnuppern und kennenlernen möchte, um festzustellen, ob man zueinander passt und einer eventuellen Liebesbeziehung nichts im Wege steht? Nein, das hatte keiner gesagt! Die ganze Zeit war immer nur von einem Treffen die Rede. Von einem Treffen, wie es auch einfach nur Freunde, tagein tagaus, tun.
Woran macht man überhaupt fest, ob ein Treffen ein Date ist? Manche sagen, wenn sich zwei Personen des gegenseitigen Geschlechtes, treffen. Diese Annahme ist doch aber Mist. Männer und Frauen können doch auch einfach nur befreundet sein und etwas gemeinsam, zu zweit, unternehmen. Sie können doch auch einfach nur „best Buddies“ sein, ohne das ein Gefühl von Liebe oder körperlichen Begehren zwischen ihnen eine Rolle spielt. Und wie sieht es überhaupt mit den gleichgeschlechtlichen Liebesbeziehungen aus? Wie merken die denn, ob es einfach nur ein freundschaftliches Treffen oder doch mehr ist?
Diese Gedanken plagen mich. Habe ich mich vielleicht mal wieder, in einem meiner Hirngespinste verrannt? Das kann nur das Treffen zeigen. Doch wie soll ich mich da geben? Wie soll ich mich benehmen, um nicht komisch rüberzukommen? Vielleicht einfach danach fragen, was das für eine Art von Treffen ist? Nein, dass könnte ich nicht. Das machte doch den Eindruck, als könnte ich keine Zeichen lesen. Zeichen lesen? Kann ich vielleicht wirklich nicht die nonverbalen Zeichen lesen, die mir mein soziales Umfeld sendet? Ist es mir vielleicht deshalb Jahre meines Lebens schwergefallen, Beziehungen zu führen? Ja, das könnte sein. Doch die Gedanken bringen mich nicht weiter. Was soll ich jetzt tun? Vielleicht an etwas anderes denken. Vielleicht einfach mich beruhigen, denn die Zukunft wird schon zeigen, um was für eine Art von Treffen es sich handelt.

Noch zehn Minuten bis zum Treffen. Ich blicke in den Teich und sehe mein Spiegelbild. Ich frage mich: „Bin ich gut genug gekleidet?“ Ich stelle fest, dass ich nicht meine besten Sachen angezogen habe, aber auch nicht die schlechtesten, die ich sonst immer trage, wenn ich Wandern oder auch nur in den Garten gehe. Ich trage verhältnismäßig schicke Kleidung, im Gegensatz zu der leicht abgerissen wirkenden Kleidung, die ich sonst immer trage.
Ich sehe mir mein im Wasser spiegelndes Gesicht und meinen Körper näher an. „Vielleicht hätte ich mich doch rasieren sollen.“, schießt es mir da durch den Kopf. Mir fallen auch meine Haare auf, die mir weit ins Gesicht fallen „Zum Friseur hätte ich auch mal wieder gehen können.“ Ich hätte noch soviel machen können, um einen besseren Eindruck zu erwecken, doch jetzt ist es zu spät. Hoffentlich hält mich die Person, die ich gleich treffe, nicht für einen ungepflegten Menschen.

Noch fünf Minuten bis zum Treffen. Mir wird Bange. Die Person ist immer noch nicht da. Na gut, sie hat ja noch fünf Minuten Zeit, kein Grund panisch zu werden. Doch was ist, wenn ich mich bei meiner Deduktion irrte? Was ist, wenn ich mich in irgendwelchen falschen Gedanken verrannte? Was ist, wenn diese Person nur ein falsches Spiel mit mir spielt? Vielleicht hat die Person ja nur einen etwas schrägen Humor, den sie an mir auslebt. Nein, den Eindruck hatte ich bisher eigentlich nicht von ihr. Vielleicht treibt sie aber auch einfach etwas Schabernack, weil sie sich denkt, wie ich für sie fühle. Ach, die ganzen Gedanken bringen doch nichts! Ich mache mich doch nur wieder selbst verrückt! Sie wird sicherlich kommen. Sicherlich wird diese Person pünktlich da und dann die Welt wieder in Ordnung sein.

In der Ferne höre ich eine Kirchturmuhr schlagen. Ich zähle die Schläge. Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Acht. Neun. Zehn. Elf. Zwölf. Die Glocke schweigt wieder und die Person, die ich gehofft hatte hier, an diesem Teich, zu treffen, ist immer noch nicht da. Habe ich mich doch geirrt? Ich weiß es nicht. Doch vor Ernüchterung sinke ich in mich zusammen und lausche einfach dem Gezwitscher der Vögel. Ach, wie schön sie singen. Sicherlich haben sie nicht solche Probleme wie ich.

Published inDiese Person - Eine Liebesgeschichte?

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