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Ich Erdling 09: Wenn Musik zum Hintergrundrauschen verkommt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Überall läuft Musik. Sie begleitet uns mittlerweile beim Einkaufen, beim Wandern, beim Arbeiten und zuhause. Man könnte regelrecht meinen, dass Musik inflationäre Verbreitung gefunden hat, was meiner Meinung nach auch stimmt. Der Grund für diese, meine Einschätzung ist, dass wir mittlerweile fast immer und überall von Musik umgeben sind.
Blickt man in der Geschichte der Menschheit zurück, so wurde über Jahrtausende Musik entweder durch einzelne Personen oder durch Personengruppen live, vor anderen Menschen, wiedergegeben, da man keine Möglichkeit hatte die Klänge aufzuzeichnen und / oder über weite Strecken zu transportieren. Erst vor etwas mehr als 200 Jahren gelang es, Musik aufzuzeichnen und ab diesem Zeitpunkt begann langsam die Verbreitung der Musik Fahrt aufzunehmen. Erst fand man die Geräte und Medien, um die Musik wiedergeben zu können, an wenigen Stellen, da ihr Erwerb meist sehr teuer war. Doch mit der Zeit wurden die Preise für Wiedergabegeräte und die Medien, von denen die Musik aufgespielt wurde, immer besser und günstiger. So kam es schließlich, dass im zwanzigsten Jahrhundert die Musik auch Einzug in die Privathaushalte fand, sei es über Radios, Schallplatten oder Kassetten. Schließlich wurde die Musik mit der Markteinführung des Walkman im Jahr 1979 zum ständigen Begleiter, erst von einigen und schließlich von vielen Menschen. Nach dem Walkman kam der Disc-Man und dann der MP3-Player. Der MP3-Player wurde schließlich zu einer Funktionalität, die fast allen Smartphones innewohnt. Dadurch, dass fast jedes Smartphone als Audioplayer Verwendung finden kann, hat mittlerweile fast jeder ein Gerät dabei, mit dem er tagtäglich immer und überall Musik zu hören vermag, und das zum Teil auch tut. Doch schätzt er die Musik noch so sehr, wie es frühere Generationen taten, oder fand eine Entwertung der Musik mit ihrer inflationären Verbreitung statt?
Meiner Meinung nach führte das ständige umgeben und vorhanden sein von Musik dazu, dass viele Menschen Musik bzw. Musiklieder nicht mehr wertschätzen. Mit dem Verlust der Wertschätzung fand, meines Erachtens, auch eine Entwertung der Musik statt, so dass vielen Menschen mit der Zeit egal wurde, welche Musik sie hörten. So ist vielen Menschen egal, wenn Texte von Liedern, nicht oder nur schwer verständlich sind, die Texte keinen Sinn haben oder gar einfach menschenverachtend sind. Ihnen ist das alles egal, solange nur „der Beat“ der Lieder stimmt.
Man gewinnt den Eindruck, dass die Zeit vorbei ist, in der Musik und Lieder etwas verändern konnten. Vorbei die Zeiten, in der politische Bewegungen ihre Lieder hatten, die von ihren Zielen und von den Missständen auf der Welt kündeten. Vorbei auch die Zeit, als Musik und Lieder Geschichten erzählten und einem die Seele berührten.

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, so setzte man sich in der Regel, wenn man Musik hören wollte, gemütlich in sein Zimmer und ließ die Musik voll und ganz auf sich wirken. Selbst wenn man mal in der Scheune oder im Kellerraum eines Bekannten feierte, wurde ein Aufheben um die Musik gemacht, das man heutzutage kaum noch verstehen kann. Das Aufheben bestand darin, dass man erst irgendwo mühsam eine Anlage auslieh, diese dann vorsichtige abbaute, sorgsam zum Ort der Feier transportierte, um sie dann im besagten Raum wieder aufzubauen. Dann lief den ganzen Abend Musik, wobei wir viele, bis alle Lieder mitsingen konnten, was wir auch taten. Wir sagen die Lieder, die da aus der Anlage schalten, aus vollem Herzen mit, da sie unser damaliges Lebensgefühl wiedergaben und die Musik und / oder die Texte etwas in uns berührten. Und heute? Auf Feiern trifft man sich ab und zu noch, aber dass einer oder alle mal ein Lied mitsingen, kommt eigentlich gar nicht mehr vor. Stattdessen wird sogar erwartet, dass die Musik nicht störend im Hintergrund dudelt. Das ein ums andere Mal habe ich den Eindruck, dass der einzige Grund dafür, dass überhaupt noch Musik bei Feiern im Hintergrund läuft, der ist, dass dadurch eventuell auftretende stille Momente nicht störend wirken und man sich nicht mit sich selbst beschäftigen muss, wenn man mal kein Gespräch mehr führt und auch sonst nichts mehr hat, auf dass man seine Konzentration lenken kann.
Den Eindruck, dass die Musik vielen Menschen dazu dient, sich nicht mit sich selbst und ihren „inneren Stimmen“ zu beschäftigen, habe ich oft. Den Eindruck habe ich, da viele Menschen in jedem ruhigen Moment, sofort Musik anmachen, um ihre Gedanken am Wandern zu hindern, wobei sie aber auch nicht aktiv der Musik zuhören. Dass sie der Musik nicht bewusst zuhören, merkt man daran, dass sie auf Nachfrage einem häufig nicht sagen können, was sie gerade hörten. Nein, diese Menschen befinden sich häufig in einer Zwischenwelt, in der ihre Gedanken sich mit allen möglichen Dingen beschäftigen, aber sofort zur Musik springen, wenn sie drohen unangenehm zu werden. Sie springen mit ihren Gedanken zurück zur Musik, nur um anschließend gleich wieder mit ihnen von ihr abzudriften.
Doch ist das alles, was Musik heute noch ist? Meiner Meinung nach: „Nein!“ Ich vertrete die Ansicht, dass man sich einfach mal wieder Zeit nehmen sollte, um Musik in aller Ruhe auf sich wirken zu lassen und die Texte zu verstehen. Ich bin dafür, wieder Lieder mit sinnvollen, eventuell gesellschaftskritischen Texten zu hören, die einen über sich selbst und über die Gesellschaft reflektieren lassen. Ich bin dagegen, Musik einfach zu einem sinnlosen Gedudel, das im Hintergrund läuft, verkommen zu lassen.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch zum Ausdruck bringen, dass ich nichts dagegen habe, dass alle überall Musik hören können und fast alle Zugang zu Musik haben. Nein, dass möchte ich wahrlich nicht. Was ich mit diesem Text zum Ausdruck bringen möchte, ist, dass man Musik, meiner Meinung nach, wieder bewusst wahrnehmen und ihr die Wertschätzung entgegenbringen sollte, die sie verdient. Man sollte wieder die Texte der Lieder bewusst wahrnehmen und sich mit ihren Inhalten auseinandersetzen.

In diesem Sinn bleibt mir nur noch zu sagen: „Hört mal wieder bewusst Musik!“

Published inIch Erdling

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