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Ich Erdling 28: Minimalistisch essen und kochen

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Das Gericht kommt frisch zubereitet aus der Küche des Restaurants und ohne auch nur von der Speise zu kosten, nimmt er erst den Salzstreuer und anschließend den Pfefferstreuer zur Hand, um reichlich des Minerals und des Gewürzes über die Speise zu streuen. Er erachtete es nicht einmal als notwendig, erst die Speise zu kosten, bevor er ihr mit den Hilfsstoffen zu Leibe rückt. Nein, man gewinnt den Eindruck, dass alle Speisen für ihn fad schmecken, die er noch nicht selbst (nach-)gewürzt hat.
Sprung an einen anderen Ort. An der Tür klingelt es. Mit dem Portemonnaie in der Hand geht sie zur Tür und öffnet sie. Vor der Tür steht ein Mann in der Uniform eines Lebensmittellieferdienstes. In der Hand hält er eine Thermobox, aus der er ihr jetzt nach und nach in Kunststoff verpackte lauwarme Speisen reicht. Sie inspiziert die Speisen und gibt dem Mann das Geld für sie. Danach nimmt sie sie mit und setzt sich mit ihren Freunden an den Küchentisch. Am Küchentisch kratzen sie und ihre Freunde die lauwarmen Speisen aus den Kunststofftransportverpackungen und teilen sie untereinander auf, bevor sie sie verzehren. Als sie fertig gegessen haben, sind sie zwar satt, aber wirklich gemundet hat es ihnen nicht. Doch nicht nur das, darüber hinaus stapeln sich die leeren Behälter der Speisen zu nicht gerade kleinen Haufen, auf denen sie ihrer letzten Reise, in den Restmüll, harren.
Wir verlasen die Wohnung und gehen in die Wohnung der Nachbarn. Zwei Menschen, vielleicht ein Paar, stehen um einen Tisch, auf dem verschiedene Zutaten und Gewürze, sowie gekochte Grundnahrungsmittel stehen. Sie streiten sich darüber, wie sie das Gericht, das bereits seit einer viertel Stunde fertig ist, auf den Tellern anrichten sollen. Sie streiten sich darüber, ob dieses oder jenes Gewürz, das ihrer Meinung nach der Optik der Speise noch zuträglich wäre, auch geschmacklich gut zu der Speise passt. Am Ende siegt das Aussehen über die Zweifel bzgl. des Geschmackes und die Speise wird einfach „hübsch“ hergerichtet. Schließlich machen sie ein Foto von der hergerichteten Speise und stellen es online, auf das die Bekannten es „liken“ können. Erst nach dem das Bild in ihrem Social-Media-Profil prangt, beginnen sie zu essen. Doch, was für ein Schock. Schon beim ersten Bissen verziehen sie ihre Gesichter und schieben die Teller weit von sich fort. Das Essen ist nämlich kalt und schmeckt aufgrund all der Gewürze, die nur der Optik dienen, nach allem und nach nichts.

Betrachtet man sich die beschrieben Situationen und Verhaltensweisen, so kann man eigentlich nur zu der Überzeugung gelangen, dass nicht wenige Menschen in unserer westlichen Welt, ein gestörtes Verhältnis zu dem, was sie tagtäglich kochen und essen haben. Wir, in unserer westlichen Gesellschaft, lassen unsere Geschmacksnerven verkommen, auf dass wir entweder nicht mehr die feinen Geschmacksnuancen, die selbst viele Grundnahrungsmittel haben, wahrnehmen. Stattdessen essen wir überwürzte oder irgendwelche industriell und / oder fremd zubereitete Speisen, bei denen die Geschmacksstoffe entweder durch einen weiten Transportweg oder durch eine industrielle Zubereitung zerstört oder gar nicht erst vorhanden sind. Wir schieben uns Speisen zwischen unsere Kauleisten, die eigentlich das Gegenteil von einer Gaumenfreude sind, da wir uns nicht die Zeit nehmen, selber zu kochen. Darüber hinaus sehe ich in unserer Gesellschaft noch das Problem, dass vielen Menschen Speisen nicht mehr in erster Linie als Nahrungsmittel dienen, sondern als ein Lifestyle-Produkt, über das sie sich definieren. Für sie zählt häufig das Aussehen von Gerichten mehr, als ihr Geschmack. Der Grund dafür ist, dass sie das Aussehen der Speisen, in Form von Bildern teilen können, aber nicht den Geschmack, der zum einen zutiefst subjektiv ist und sich zum anderen nicht über die digitalen Netzwerke teilen lässt. Darüber hinaus versuchen viele Menschen ihre (pseudo-) Weltgewandtheit mit Hilfe ihrer Speisen und Nahrungsmittel auszudrücken. Das merkt man daran, dass die betroffenen Personen viele Zutaten und Nahrungsmittel verwenden, die nur in fernen Ländern vorkommen bzw. wachsen, z.B. Avocados, etc. Dabei blenden die betreffenden Menschen häufig aus, dass es vielleicht genauso gute, wenn nicht gar bessere einheimische Speisen und Zutaten gibt. Doch, nicht nur das. Darüber hinaus blenden solche Menschen häufig auch aus, welche Auswirkungen der Anbau, die Verarbeitung und der Transport der Speisen und Zutaten von der Herstellung bis zum Verzehr, auf die Umwelt hat und das es umweltfreundlichere und nachhaltigere lokal angebaute Zutaten und Lebensmittel gibt.
Nach all den obig beschrieben Betrachtungen kann man sich eigentlich nicht des Eindruckes erwehren, dass wir, in unserer Gesellschaft, mal unsere Einstellung zu Zutaten, Lebensmitteln und Speisen überdenken sollten. Wir, also alle Menschen die in unserer Gesellschaft leben, sollte vielleicht einmal versuchen, uns darauf zu besinnen, was die wesentlichen Anforderungen an Zutaten und Lebensmittel sind. Wir sollten uns darauf besinnen, dass Zutaten, Nahrungsmittel und Speisen einfach wieder nahrhaft sind und gut schmecken, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass sie anderen Menschen vielleicht als zu gewöhnlich erscheinen oder sie aufgrund ihrer Einfachheit nicht als Social-Media fähig angesehen werden.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf stellt sich einem, zumindest mir, die Frage, warum nicht einfach mal versuchen, minimalistisch zu essen und zu kochen?

Doch was verstehe ich überhaupt unter minimalistisch essen und kochen? Unter minimalistisch essen und kochen verstehe ich, dass man nach Möglichkeit lokale, kaum verpackte Lebensmittel und Zutaten isst bzw. zum Kochen verwendet, da dann ihre Auswirkungen auf die Umwelt i.d.R. recht klein sind. Darüber hinaus verstehe ich darunter, dass man kaum verarbeitete Lebensmittel und Zutaten verwendet und auch beim selber Kochen wenige Zutaten verwendet, um sich dadurch wieder die Eigengeschmäcker der verschieden (Grund-) Zutaten bewusst zu machen und zu lernen, sie beim Kochen bewusst einzusetzen. Vielleicht lernen einige von uns Menschen dadurch wieder, dass Nahrungsmittel und Speisen nicht „fancy“ sein oder aussehen müssen.

Doch wie kann dem einfachen Menschen, in unserer vom Überfluss geprägten westlichen Gesellschaft, der Einstieg ins minimalistische Essen und Kochen gelingen? Ein erster Schritt wäre vielleicht, nicht mehr in Fastfoodrestaurants zu gehen, um dort in Plastik und Papier eingepackte Speisen zu essen, die je nach Restaurant, Minuten oder gar über den ganzen Tag warm gehalten werden. Stattdessen wäre es doch besser, in Restaurants zu gehen, die die Speisen frisch zubereiten, da sich dadurch schon einmal der anfallende Verpackungsmüll reduzierte und die Geschmacksstoffe, die sich in den Zutaten und in dem Essen befinden, nicht tot gekocht wären, bevor man die Speise zu sich nimmt. Doch wirklich minimalistisch essen kann man in Restaurants eigentlich nie und selbst minimalistisch kochen, schon gar nicht. Der Umstieg vom Fastfoodrestaurant zu einem Restaurant, das die Speisen frisch kocht bzw. zubereitet wäre nur ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. Doch was wären dann die weiteren Schritte auf dem Weg zum minimalistischen Kochen und Essen?
Um wirklich minimalistisch zu essen, empfiehlt es sich meiner Meinung nach, auch mal Zutaten oder grundlegende Nahrungsmittel ohne irgendwelche Beilagen zu essen, um so wieder zu erfahren und zu lernen, wie diese Zutaten und Nahrungsmittel wirklich schmecken. Man sollte einfach mal ein frisch gebackenes Weizen-, Vollkorn-, etc. Brötchen oder Brot essen, ohne es mit irgendetwas zu belegen oder zu beschmieren, um sich dadurch bewusst zu machen, was alleinig die Grundzutaten dieser alltäglichen Nahrungsmittel für einen geschmacklichen Unterschied machen. Vielleicht sollte man auch einfach mal Nudeln, die aus verschiedenen Zutaten bestehen oder verschiedene Sorten von Kartoffeln kochen und verkosten, um deren unterschiedliche Geschmäcker kennen und nutzen zu lernen. Der Grund dafür ist, dass man, wenn man die Eigengeschmäcker vieler Grundzutaten kennt, ebendiese verschiedenen Grundzutaten gezielt nutzen kann, um wohlschmeckende Gerichte zu kreieren, die ohne viele, wenn vielleicht nicht sogar ganz ohne, zusätzlich Gewürze auskommen.
Hat man diese geschmacklichen Erfahrungen gesammelt, kann man zum einen darauf achten, dass man Brotbeläge und Brotaufstriche gezielt so auswählt, dass sie, wenn man sie denn überhaupt noch benötigt, den Geschmack des Brotes oder Brötchens ideal ergänzen, anstatt dass sie selbst so stark nach Gewürzen und anderen Zusatzstoffen schmecken, dass man durch sie den ursprünglichen Geschmack des Brotes oder des Brötchens nicht mehr wahrnimmt. Damit steht einem dann nämlich auch der Weg offen, entweder einfache Brotaufstriche und Beläge, die wenige Zutaten haben, zu kaufen oder sie sich gar, was noch besser ist, einfach selbst zuzubereiten, indem man einfach, unter Zuhilfenahme weniger Zutaten, seiner Kreativität freien Lauf lässt. Zum anderen kann man beim Kochen darauf achten, dass sich die verschiedenen Grundzutaten ideal ergänzen, so dass man auch bei selbst gekochten Mittag- oder Abendessen fast gänzlich auf zusätzliche Gewürze und sonstige Geschmacksstoffe verzichten kann.
Möchte man wirklich minimalistisch essen und kochen, empfiehlt es sich darüber hinaus, hauptsächlich lokale und saisonale Zutaten und Nahrungsmittel zu verwenden bzw. zu essen. Der Grund dafür ist, dass diese Zutaten und Nahrungsmittel in der Regel eine bessere Ökobilanz haben, als exotische, die häufig stark verpackt und gekühlt, über weite Strecken transportiert werden müssen. Am allerbesten ist dabei noch, wenn man sich die Nahrungsmittel und Zutaten unverpackt, bei Bauern oder auf dem Bauernmarkt holt, wenn man sie denn bequem per Fuß oder Fahrrad erreichen kann, damit keine Treibhausgase durch das eigene Einkaufen entstehen.

Schlussendlich bleibt mir eigentlich nur noch zu sagen, ich kann jedem nur empfehlen, zu versuchen, die Eigengeschmäcker von Zutaten und Nahrungsmitteln wieder kennen und schätzen zu lernen. Darüber hinaus sollte jeder versuchen, den Einsatz von Gewürzen oder eigentlich unnötigen Zutaten zu reduzieren, auf das man wieder bewusst schmeckt. Zu diesem Punkt vielleicht noch ein kleiner Tipp für all die Menschen, die eigentlich immer nur etwas Neues machen oder versuchen, wenn es ihnen als Challenge präsentiert wird: „Versucht einmal ein gutes Mittag- oder Abendessen aus möglichst wenigen und darüber hinaus saisonalen Zutaten zu kochen. Dabei zählt auch jedes einzelne zugegebene Gewürz oder Mineral (Salz) als eine Zutat. Schafft ihr es, ein reichhaltiges und gut schmeckende Mahl aus fünf Zutaten frisch zuzubereiten?“

In diesem Sinne „bon appétit.“

Published inIch Erdling

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