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Ich Erdling 29: Vom Alkohol

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Man kann ihm kaum entkommen. Überall wird er angeboten und ausgeschenkt. Er wird als ein Lösungsmittel für Schüchternheit und Angst angepriesen und manchmal auch zum Entfernen von Flecken verwendet. Darüber hinaus wird er von nicht wenigen Menschen als ein Mittel zur Flucht benutzt. Als Mittel zur Flucht aus dem Alltag, vor Problemen oder auch nur, vor sich selbst. Vor sich selbst, da die meisten Menschen verlernten, mit sich selbst allein zu sein oder auch nur klarzukommen. Sein Konsum ist darüber hinaus gesellschaftlich akzeptiert und nur wenn er in Übermaß konsumiert wird oder man nach seinem Konsum andere gefährdet, mit Ablehnung bedacht. Wobei eigentlich nicht der Alkohol, von dem ich hier schreibe, mit Ablehnung bedacht wird, sondern die Menschen, die ihm verfielen und sich und andere anschließend leichtsinnig oder fahrlässig gefährdeten. Doch wie kommt es überhaupt, dass der Alkohol in solchen Massen und nicht in Maßen und mit bedacht, wenn überhaupt, getrunken wird?
Betrachte ich mir unserer Gesellschaft, so gehört der Alkohol für viele Menschen bei bestimmten gesellschaftlichen Anlässen, zur Entspannung oder zum Essen „einfach“ dazu. Für sie ist es ganz normal, wenn sie sich mit Bekannten, Familie und Freunden treffen, Alkohol zu trinken. Doch nicht nur das, für den ein oder anderen gehört das abendliche Bier oder das Glas Wein, zum Fisch oder Wild, einfach dazu. Fragt man diese Menschen nach dem Grund dafür, dass sie Alkohol trinken, sagen viele von ihnen, dass er ihnen einfach schmecke. Doch ist dem wirklich so?
Ich persönlich bezweifle diese Begründung, die sie für ihren Alkoholkonsum vorbringen. Der Grund dafür ist, dass ich, wenn ich daran zurückdenke, wie alkoholhaltige Getränke vielen meiner Bekannten und mir beim ersten Konsum schmeckten, ich sagen muss, dass sie uns eigentlich gar nicht mundeten. Damals, in unseren jungen Jahren, tranken wir ihn häufig einfach nur, da wir cool sein oder dazu gehören wollten, gespannt auf die Wirkung des Alkohols waren oder ihn einfach als Mittel zum Zweck benutzten. Er war unser Mittel der Wahl, um vor unseren Problemen zu fliehen oder die Dinge, die unsere Seelen in dunklen Momenten belasteten, zumindest zeitweise zu vergessen. Mit jedem getrunkenen alkoholischen Getränk wurde uns häufig dessen Geschmack angenehmer und so gewöhnten wir uns mit der Zeit an ihn. Diese Gewöhnung ging schließlich so weit, dass wir schon bald den uns anfänglich eher anwidernden Geschmack der Getränke, als normal empfanden.
Mit dieser Erinnerung im Hinterkopf kann ich eigentlich nur zu der Überzeugung gelangen, dass viele, vielleicht nicht alle Menschen, Alkohol wegen seiner Wirkung trinken. Sie trinken ihn primär, da sie sich von ihm Entspannung, Flucht, gesellschaftliche Teilhabe, etc. versprechen und nicht, weil er ihnen wirklich schmeckt und das auch schon immer tat. Damit ist ihre Behauptung, dass sie Alkohol tränken, weil er ihnen schmeckte, offensichtlich eine Lüge, dabei sei aber erst einmal dahin gestellt, ob es sich dabei um eine bewusste oder unbewusste Lüge handelt.

Doch kommen wir zu einem etwas anderen Punkt, nämlich dem Punkt des gesellschaftlichen Umgangs mit Alkohol, insbesondere des Umgangs vieler Deutscher mit diesem Thema. Betrachte ich mir im Generellen den Umgang vieler Deutscher mit dem Thema Alkohol, so ist das Erste, was mir auffällt, dass in einigen Gebieten Deutschlands bestimmte alkoholhaltige Getränke als Kulturgut angesehen werden. So wird bspw. Bier in vielen Teilen von Deutschland als Kulturgut angesehen, wobei ich nicht von der alkoholfreien Variante spreche. Nein, ich spreche von der Variante mit Alkohol. Der Grund dafür ist, dass man je nach Fest oder Veranstaltung komisch angeschaut wird, wenn man sich ein alkoholfreies Bier gönnt. Doch damit nicht genug, je nachdem in welchen gesellschaftlichen Kreisen man verkehrt, wird man, wenn man ein alkoholfreies Bier trinkt, vielleicht sogar „komisch angeschaut“ und z.T. nonverbal, durch Ausgrenzung, oder verbal diffamiert. Dabei stellt sich mir immer die Frage, wenn ich jemanden davon sprechen höre, das Bier ein Kulturgut sei, woran er diese Behauptung fest macht. Singt etwa das Bier gute Lieder? Spielt oder schreibt es etwa gute Theaterstücke? Malt es zeitlose Bilder? Erschafft es vielleicht epische Romane? Nein, all das tut es nicht. Das einzige was es, in seiner alkoholhaltigen Variante, tut, ist Menschen die zu viel von ihm trinken, dazu zubringen, schräge Lieder zu singen oder Schmierenkomödien zu spielen. Wobei es bei seinem Genuss immer einige der kostbaren Hirnzellen des Trinkenden zerstört und somit dazu beiträgt, dass die Durchschnittsintelligenz der Bevölkerung kleiner ist, als sie sein könnte. Doch nicht nur das Gehirn des Alkoholkonsumenten leidet, nein, auch die Leber kann über kurz oder lang unwiderruflich zerstört werden.
Mit diesen Gefahren des Alkohols vor Augen lohnt sich ein Blick auf den Einzelhandel. So ist dem Einzelhändler zwar verboten, alkoholhaltige Getränke an Minderjährige zu verkaufen, doch abseits des Alters von achtzehn Jahren findet kaum eine regulatorische Gesetzgebung bzgl. des Verkaufs von Alkohol in Geschäften des Einzelhandels statt. Diese Gesetzeslage nutzt der Einzelhandel und z.T. auch die Gastwirtschaft, wobei etwas besser reglementiert, aus. So fördert der Einzelhandel den Konsum alkoholhaltiger Getränke dadurch, dass er diese Art von Getränken aktiv bewirbt und mit Gewinnspielen oder mit bestimmten Arten der Darstellung z.B. „1 Meter Bier“, wobei die Bierflaschen in Reih und Glied in einem einen Meter langen Holzgestell stehen, Aufmerksamkeit auf die Produkte lenkt. In diesem Kontext kann mir auch keiner erzählen, dass man sich solch „einen Meter Bier“ einfach nur kauft, um die dargebotenen Flaschen Bier zu verkosten oder in Maßen zu genießen. Das wird wohl kaum einer der Käufer beim Erwerb beabsichtigen, oder?
Die Absicht hinter dieser Art der Werbung für alkoholhaltige Getränke im Einzelhandel ist, dass Kunden in die Geschäfte gelockt werden. Darüber hinaus sind „süchtige Kunden“, häufig treue Kunden, die immer wieder kommen, um ihren „Stoff“ zu kaufen, bis sie einst direkt oder indirekt durch ihn sterben. Sie kommen und kaufen immer wieder das Mittel ihrer Sucht und fördern so den Umsatz und den Gewinn des Einzelhändlers. In Bezug auf diese Art der Werbung und des Verkaufs von alkoholhaltigen Getränken kann man sich in diesem Zusammenhang auch fragen, was der Staat unternimmt. Was unternimmt der Staat, schließlich ist es seine Aufgabe, seine Bürger vor unnötigen Risiken zu schützen, auch wenn die Bürger selbst die Risiken unterschätzen? Was also unternimmt er bzgl. des Alkohols, der sicherlich ein verkanntes, weil gesellschaftlich akzeptiertes Risiko in sich birgt, und aufgrund dessen sein Konsum eigentlich stark reglementiert werden müsste? Das, was der Staat unternimmt, ist, dass er beim Verkauf alkoholhaltiger Getränke seine Hand aufhält und über die Alkoholsteuer mitverdient. Also eine Win-Win-Situation für Einzelhandel und Staat, oder?

Menschen wie mir, die einfach glücklich und gesund leben möchten, ohne ständig der (gesellschaftlichen) Aufforderung zum Trinken von alkoholischen Getränken ausgesetzt zu sein, stellt sich über kurz oder lang die Frage, wie man diesem aktiven Werben, für diese Droge, entgehen und widerstehen kann. Wie kann man am gesellschaftlichen Leben, wohlgemerkt auch am Nachtleben, teilnehmen und resolut den etwaigen gesellschaftlichen Zwängen, die einen dazu verleiten wollen, sich dem Alkoholkonsum hinzugeben, widerstehen? Wie schafft man es, Spaß mit anderen Menschen zu haben, bei denen man manchmal deutlich spürt, dass sie nur mit Alkohol glücklich sein können? Wie mit Menschen sich nüchtern unterhalten, deren Sprüche und Reden mit jedem Glas eines alkoholhaltigen Getränkes niveauloser werden? Wie mit Menschen in geselliger Runde, über die Probleme der Gesellschaft und der Welt reden und nach Lösungen für sie suchen, wenn der Alkohol sie betäubt und in eine Blase der Ignoranz abdriften lässt?
Was mich betrifft, so kenne ich keine allgemeingültige Antwort auf diese Frage. Ich weiß nur, dass gesellschaftliche Runden, bei denen viele der Anwesenden dem Alkohol zusprechen, mir meistens über kurz oder lang zu anstrengend werden. Ich weiß, dass ich dann auch manch einmal von den einen auf den anderen Moment meine Sachen packe und gehe. Mir ist bewusst, dass ich damit einigen Menschen, wobei ich einige von ihnen sogar zu meinen Freunden zähle, vor den Kopf stoße. Doch was soll ich machen? Ich trinke keinen Alkohol und wenn Gespräche und / oder Gesprächsthemen ins Unbedeutende oder zutiefst Materialistische abdriften, wobei sie bei den ein oder anderen auch ins Animalische abdriften, sehe ich einfach keinen Sinn darin, in der Runde zu verweilen. Mich interessiert einfach nicht, wer was mit wem, in welcher Stellung hatte und was die Traumautos, etc. der betreffenden Personen sind und welche technischen Vorzüge sie bieten. Wobei es sich meistens nur um Vorzüge handelt, mit denen sie doch nur ihre eigenen Egos streicheln. Mich interessierte eher die Begründung für diese oder jene Einstellung und diesen oder jenen materiellen Wunsch und dessen Sinn und Unsinn. Ja, über so etwas könnte ich stundenlang diskutieren. Doch solche Gespräche sind mit Menschen, die dem Alkohol über Gebühr zusprechen, meistens nicht möglich, da sie unter seinem Einfluss häufig einfach nur noch dogmatisch argumentieren. Und was bringen einem dogmatisch geführte Unterhaltungen? Nichts! Und somit sind Gespräche dieser Art für mich bedeutungslos.
Also mal ganz ehrlich nachgefragt: „Kann mir jemand sagen, warum ich in solchen gesellschaftlichen Runden verweilen sollte, deren Unterhaltungen für mich offensichtlich bedeutungslos sind?“

Zum Schluss bleibt mir eigentlich nur die Feststellung, dass ich persönlich keine Vorteile im Konsum alkoholischer Getränke sehe. Darüber hinaus bin ich der absoluten Überzeugung, dass wir eine bessere Gesellschaft hätten, wenn die Menschen weniger oder gar keine alkoholhaltigen Getränke mehr konsumierten. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir persönliche und gesellschaftliche Probleme eher in den Griff bekämen, wenn wir sie nicht im Alkohol ertränkten. Vielleicht sollte sich jeder, der Alkohol trinkt, wirklich einmal bewusst machen, warum er es tut und ob ihm der Konsum wirklich einen Vorteil bringt oder ob die Nachteile nicht vielleicht doch überwiegen. Als Betroffener sollte man sich vielleicht auch einmal ehrlich fragen, ob es wirklich keine guten Alternativen zum Alkohol, bei den verschiedensten Anlässe, gibt oder ob man vielleicht die Umstände anpassen oder vermeiden sollte, die einem dazu bringen, dem Alkohol zuzusprechen.

In diesem Sinne: „Live sober!“

Published inIch Erdling

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