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Ich Erdling 30: Von der Liebe

Geschätzte Lesezeit: 16 Minuten

Dem, der sich mit dem Thema Liebe eingehend auseinandersetzt und beschäftigt, um etwas über es zu schreiben, stellt sich ein Problem. Das Problem ist, dass der Begriff der „Liebe“ an und für sich, für ein tiefes Gefühl der Zuneigung steht und aufgrund dessen, zur Beschreibung des Gefühls tiefer Zuneigung zwischen verschiedenen Personengruppen, zwischen Personen und Tieren, zwischen Personen und Gegenständen und schlussendlich auch dafür verwendet wird, dass man sich selbst, manchmal als einziges Lebewesen oder Objekt, auf dieser Welt, verehrt und liebt. Doch damit nicht genug, darüber hinaus wird der Begriff „Liebe“, im Zusammenhang mit dem Geschlechtsverkehr verwendet, den einige Menschen als „Liebe machen“ bezeichnen.
Aufgrund dieser umfänglichen Bedeutung und Verwendung des Begriffes der Liebe, möchte ich mich zum Anfang dieser Kolumne erst einmal eingehend, mit den verschieden Arten der Liebe auseinandersetzten, um mich anschließen eingehend mit der Liebe zu beschäftigen, deren Ziel eine Liebesbeziehung bzw. eine Liebespartnerschaft zwischen nicht blutsverwandten Menschen ist.

Betrachtet man sich die verschiedenen Formen der Liebe, so gibt es zum einen die Liebe zwischen engen Familienangehörigen, also zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Geschwistern, etc. Diese Liebesbeziehung, wohlgemerkt keine sexuelle Beziehung, ist in der Regel gewünscht und mehr oder weniger gesellschaftlich gefordert und gefördert, da sich Familienmitglieder, die sich lieben und ein tiefes Gefühl der Verbundenheit zueinander pflegen, um einander kümmern und sorgen, so dass sie selbst schwere Krisen durchstehen und evolutionär betrachtet, überleben können, um so ihren Stammbaum zu erhalten und fortzusetzen. Diese Art der Familienliebe ist meistens gegeben und meiner Erfahrung nach braucht es einiges, damit diese Liebe entweder nicht entsteht oder zerstört wird.
Ein möglicher Grund der z.B. dazu beitragen kann, dass diese Art der Liebe nicht entsteht, ist, wenn eine Frau ungewollt schwanger wird und dadurch vielleicht sozial oder beruflich zurücktreten muss und die Schuld für dieses „Zurücktreten müssen“ bei dem Kind sieht. Kommt es dann dazu, dass sie ihr Ungemach auf das Kind projiziert, so ist es möglich, dass sie sich von ihrem Kind distanziert und keine Liebe für es empfindet. Abgesehen von der Ungelegenheit der Empfängnis kann es auch sein, dass es der Frau nicht gelingt, Liebe für ihr Kind zu empfinden, wenn das Kind sie immer, in unangenehmer Weise, an den Erzeuger oder den Akt der Zeugung erinnert. Sind solche negativen Gefühle gegenüber dem Erzeuger bzw. den Erdzeugnisvorgang vorhanden, kann es sein, dass die Mutter sie auf ihr Kind projiziert und aufgrund dessen keine Liebe für es empfindet, obwohl es, also das Kind, eigentlich nichts dafür kann. Doch nicht nur Frauen können Probleme haben, Liebe zu ihren Kindern zu empfinden, nein, auch Väter können damit Probleme haben. Sei es dadurch, dass sie sich in modernen Partnerschaften, neben der Frau, auch um das Kind bzw. die Kinder kümmern müssen oder zumindest sollten und dadurch weniger Zeit für sich selbst haben, sei es dadurch, dass sie mit der Mutter des Kindes nicht mehr einfach mal etwas unternehmen können, da eben das Kind immer dabei ist. Manchmal kann es auch vorkommen, das Eltern das eigene Kind als finanzielle Last und deswegen als Bürde empfinden, so dass sie aufgrund dessen keine Liebe zu ihm aufbauen.
Doch, noch einmal zurück zu den Vätern. Trotz jahrelanger Aufklärungsarbeit und jahrelanger Emanzipation ist es für viele Väter heutzutage immer noch einfacher, die Kinder und die „Arbeit“ die mit ihnen verbunden ist, den Müttern der Kinder zuzuschieben und sich selbst weitestgehend aus diesem „Ungemach“ herauszuhalten, so dass eher die Mütter als die Väter die Belastung empfinden, die ein Kind darstellen kann.
Abgesehen von der Liebe von Eltern zu ihren Kindern kann es natürlich auch umgedreht sein, dass die Kinder gegenüber ihren Eltern keine Liebe empfindet. Sie empfinden vielleicht keine Liebe, da sie z.B. denken, dass sie durch ihre Eltern eingeschränkt werden, ihre Eltern ihre Zukunft verbauen und ihre Eltern sie nicht ihre individuellen Wege, etc. gehen lassen. Schlimm wird es häufig für die Kinder, wenn ihre Eltern versuchen durch sie zu leben und aufgrund dessen all ihre Wünsche und Träume auf sie projizieren und dadurch ihrem Kind oder ihren Kindern keine eigene Entwicklung und Freiräume erlauben. In diesem Fall ist es meiner Meinung nach auch verständlich, wenn die Kinder gegenüber ihren Eltern keine Liebe oder vielleicht nur eine Hassliebe empfinden.
Doch abgesehen von eher wenigen Fällen, in denen es dazu kommt, dass sich keine Liebe in den Kernfamilien ausbildet, sollte i.d.R. so etwas wie Liebe bestehen und darüber hinaus auch nach ihr gestrebt werden. Dabei sei es erst einmal dahingestellt, ob es sich am Ende nur um ein gesundes Maß an „Nächstenliebe“ handelt oder doch um ein etwas tiefer greifendes Gefühl. Der Grund für diese Aussage ist, dass man sich seine Blutsverwandten zwar seltenst heraussuchen kann, aber die Familie einen stark macht, wie schon lange bekannt ist und wovon auch der in die Jahre gekommene Spruch „Blut ist dicker als Wasser.“ kündigt.

An dieser Stelle möchte ich zu der Liebe zwischen zwei Menschen, die aus verschieden Familien stammen und zusammen ihre Leben bestreiten möchten, bzw. der Suche nach ihr, kommen. Bei dieser Art der Liebe handelt es sich um die Form von Liebe, die von den meisten gemeint ist, wenn sie von der Liebe sprechen, die sie suchen bzw. spüren, haben und pflegen möchten. Sie sprechen davon jemanden zu finden, mit dem sie ihre Zeit verbringen und ihre Zukunft teilen können. Sie benutzen verschiedene Tools, Anbieter, etc. um den „perfekten“ Partner zu finden und scheitern doch häufig daran, ebendiesen zu finden. Es ist diese Liebe, die mit das schönste Gefühl im Leben sein kann, vor allem dann, wenn sie erwidert wird. Doch bei dieser Art der Liebe handelt es sich auch um die Liebe, die viel Leid, Trauer und Selbstzerstörung in die Welt tragen kann.
Es ist diese Art der Liebe, über die ich im Anschluss an diese Einführung bzw. an diesen Überblick über die Formen von Liebe, noch etwas ausführlicher schreiben möchten. Da sie es ist, die mir besonders wichtig und erstrebenswert erscheint.

Abgesehen von der Liebe zwischen Menschen gibt es auch die Liebe von Menschen zu Tieren, wobei ich damit weder eine „sexuelle Liebe“ meine, noch dass diese Menschen besonders „tierlieb“ sind. Nein, ich meine damit Menschen, die sich bspw. ein Haustier zulegen und dann all ihre Gedanken und Gefühle auf das Tier projizieren. Meiner Erfahrung nach zeigen häufig Menschen, die keine menschlichen Partner finden oder zu häufig enttäuscht wurden, diese Art der Liebe. Dabei machen sich einige dieser Menschen aber nicht bewusst, dass eine einseitige, über die Grenzen der eigenen Spezies stattfindende Liebe, nie eine Liebe innerhalb der eigenen Spezies ersetzen kann. Darüber hinaus machen sie sich auch nicht bewusst, dass Tiere keine Besitztümer sind, auch wenn es gesetzlich häufig so geregelt ist, mit denen man machen kann, was man möchte. Nein, Tiere sind selbstbestimmte Wesen, die ihren eigenen Willen haben und deswegen sollte man sich als „Tierhalter“ bewusst machen, dass man zwar zu seinen tierischen Gefährten ein tiefes Gefühl der Zuneigung empfinden kann, aber eben keine menschliche Zuneigung vom tierischen Gefährten erwarten darf. Dabei sollte man besonders darauf achten, dass man seine tierischen Gefährten nicht mit seiner menschlichen Liebe „erstickt“. Der Grund dafür ist, dass eigentlich alle Tiere ihren eigenen Willen und ganz eigene Bedürfnisse, die vom Menschen geachtet und beachtet werden müssen, haben. Diese Bedürfnisse der Tiere sind dabei eigentlich mit den Bedürfnissen vieler Menschen gleich, doch zu Problemen kommt es, wenn man, wie eigentlich auch bei Menschen, ihnen nicht genug Freiraum gibt und sie ständig stört oder „befummelt“, da sie ja einem „gehören“. Kurz gesagt, Tiere sind, was die Liebe vom Menschen zum Tier betrifft, genauso anspruchsvoll, wenn nicht gar anspruchsvoller, als andere Menschen. So haben sie einen eigenen Willen und darüber hinaus wird die Kommunikation und das miteinander dadurch erschwert, dass die Grenze der Sprache und der Spezies durch die Beziehung verlaufen.
Schlussendlich kann die Liebe zu einem Tier, nie die Liebe zu einem Menschen bzw. zwischen Menschen ersetzen. Damit meine ich aber keinesfalls, dass man Tiere nicht lieben, also ihnen ein Gefühl großer Zuneigung entgegenbringen, kann und sollte. Nein, dass meine ich wahrlich nicht. Man sollte Tiere auf jeden Fall lieben! Doch man sollte keines Falls versuchen die menschliche Liebe auf Tiere zu übertragen, da diese Übertragung von Gefühlen einfach nicht klappen kann. Stattdessen sollte man die Tiere respektieren und ihnen nach Möglichkeit ein artgerechtes und glückliches Leben ermöglichen.

An dieser Stelle möchte ich etwas abkommen von der Liebe zwischen Lebewesen und möchte mich der Liebe, die einige Menschen materiellen Gegenständen, z.B. Autos, Smartphones, Spielkonsolen, etc. entgegenbringen, zuwenden. Meiner Meinung nach ist die Liebe zu materiellen Gegenständen krankhaft. Sie ist in meinen Augen eine Ausprägung unserer materialistischen Gesellschaft, in der häufig mehr zählt, was man besitzt oder sein Eigen nennt, als das, was man ist, weiß oder kann. Aufgrund dieser gesellschaftlich überhöhten Wertschätzung von materiellem Besitz, streben viele Menschen nach ihm, da sie über ihn Bestätigung und Anerkennung finden können. Haben sie schließlich bestimmte materielle Gegenstände angesammelt, empfinden sie das ein ums andere mal eine tiefe Zuneigung zu ihnen, so wie Dagobert Duck eine tiefe Zuneigung zu dem von ihm angehäuften Geld empfindet. Dabei ist der Grund für diese tiefe Zuneigung zu materiellen Gegenständen, die einige Menschen verspüren und als „Liebe“ bezeichnen, der, dass diese Gegenstände ihnen häufig Status, Anerkennung oder Ablenkung von ihren tristen Leben versprechen. In diesem Sinne lieben sie, wenn sie die verschiedensten materiellen Dinge lieben, häufig nur den Status, den diese Dinge versprechen oder die Flucht aus ihrem Alltag.

Doch manche Menschen brauchen weder andere Lebewesen noch Gegenstände, um verliebt zu sein. Nein, manchmal reicht sich der Mensch selbst. Er reicht sich selbst, da er die Selbstliebe bzw. den Narzissmus zelebriert. Diese Art von Menschen ist z.T. nur fähig sich alleinig, als schön, klug und liebenswert zu empfinden. Eine tiefe Zuneigung gegenüber anderen Menschen oder Lebewesen zu empfinden fällt dieser Art von Mensch dagegen schwer, wenn es ihnen denn nicht gar ganz unmöglich ist. Manchmal gehen diese Narzissten auch Partnerschaften ein, wobei ich bewusst Partnerschaften verwende und nicht „Liebesbeziehungen“. Der Grund dafür ist, dass sie häufig ihren Partner nicht lieben, sondern ihn nur als Bestätigung für sich selbst sehen. Sie sehen in als Bestätigung dafür, wie toll sie doch sind. Diese Art von Mensch zelebriert und überhöht sich und ihr Leben häufig immer weiter, bis sie schließlich nicht nur nicht mehr andere Lebewesen liebt, sondern auch ihre Empathie verliert, denn was interessiert sie die Gefühle anderer, solange sie sich selbst genug ist?

Damit komme ich zum letzten Punkt meiner Einleitung. An diesem Punkt möchte ich etwas über den Akt schreiben, den einige Menschen als „Liebe machen“ bezeichnen. So kommt es zwar auch vor, dass Menschen, die sich Lieben, den Akt praktizieren, doch das ist keine hinreichende Bedingung. Schaut man sich unsere Gesellschaft an, so könnte man sogar zu der Überzeugung gelangen, dass mittlerweile der „Liebesakt“ gänzlich von der Liebe losgelöst ist. So praktizieren ihn viele, einfach aus Spaß, Gewohnheit, zur Selbstbestätigung oder um bestimmte Ziele zu erreichen. Dabei sei erst einmal dahingestellt, ob es materielle Ziele oder ideelle Ziele sind. Kurz gesagt, heutzutage hat der Sexualakt eigentlich nichts mehr mit der Liebe, also einem starken Gefühl der Zuneigung, zu tun. Aufgrund dessen kann ich auch nicht verstehen, dass es Menschen gibt, die ihn als „Liebe machen“ bezeichnen. Doch vielleicht, nur vielleicht, gibt es auch die Menschen, die sich eine Abkehr von dieser „Inflation des Sexes“ wünschen und wieder möchten, dass Sex hauptsächlich in Liebesbeziehungen eine Rolle spielt? Vielleicht ist es ja so, dass die Menschen merken, dass Sex losgelöst von der Liebe nicht wirklich Spaß macht? Vielleicht sind das einige Punkte, über die es sich nachzudenken lohnt?

Nach dieser kurzen Einführung zu den unterschiedlichen Arten der Liebe und der Verwendung des Begriffes der Liebe, möchte ich mich jetzt der Liebe zwischen zwei Menschen, die nicht blutsverwandt sind, etwas ausführlicher zuwenden. Ich möchte mich mit der Art von Liebe beschäftigten, die von fast allen Menschen im Laufe ihrer Leben gesucht wird, wobei sie einige nie finden und einige immer wieder verlieren. Ich möchte mich mit der Art von Liebe beschäftigen, nach der die Menschen suchen, die auf dieser weiten, häufig kalten Welt, nach ihrem Seelengefährden suchen.
An dieser Stelle muss ich vielleicht etwas meine Aussage präzisieren. Ich muss sie präzisieren, da zwar viele Menschen behaupten, dass sie auf der Suche nach ihren Seelengefährten sein, es für sie aber eigentlich, vor allem in unserer heutigen Zeit, einfach nur noch eine hohle Phrase ist. Der Grund dafür ist, dass zwar viele Menschen sagen, dass sie ihren Seelengefährten suchten, sie diese Suche aber bereits in jungen Jahren aufgeben, da die Suche manchmal Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, dauert, ohne das überhaupt ein Erfolg in Sicht kommt. Sie geben ihre ursprüngliche Suche auf und fokussieren sich stattdessen darauf, einfach einen Menschen zu finden, mit dem sie ihre Zeit, sein es Jahre oder Jahrzehnte, verbringen können und sei es nur, um mit ihm einsam zu zweit zu sein. Sie gehen lieber nicht erfüllende oder einfach nur kräftezehrende Beziehungen ein, da sie verlernten, allein und glücklich mit sich selbst zu sein. Doch nicht nur, dass viele Menschen die Suche nach ihren Seelengefährten aufgaben, nein, darüber hinaus suchen einige, obwohl sie es behaupten, nicht mehr nach der echten Liebe, sondern eigentlich immer nur nach neuen (sexuellen) Abenteuern oder (sexueller) Befriedigungen. Sie suchen das Abenteuer und die Bestätigung, die sie durch viele andere Menschen erfahren können und nicht nach dem Partner fürs Leben, mit dem sie durch dick und dünn gehen und auch einmal schwere Zeiten durchstehen können. Apropos „schwere Zeiten“, die hält heute kaum noch eine der sogenannten „Liebesbeziehungen“ aus. Der Grund dafür ist, dass viele Menschen in ihren Partnerschaften nur Glück erleben und verleben möchten und keine „dunklen Zeiten“, die auch einmal an der eigenen Seele nagen. Nein, heute wird der Partner häufig beim kleinsten Problem abgeschossen und der Nächste, z.B. mit Hilfe von Onlineplattformen oder Onlinetools gesucht.
An dieser Stelle möchte ich noch etwas zu diesen Onlinetools und Webseiten schreiben, die sich in unserer Gesellschaft ausbreiten und die „große Liebe“ versprechen. Diese „Hilfsmittel“ sind heute das, was früher die Eltern beim Arrangieren von Beziehungen waren. Es sind die Algorithmen, die häufig auf Onlineplattformen, in Apps, etc. die Menschen und ihre Interessen miteinander vergleichen und verkuppeln. Doch was viele Menschen dabei nicht bedenken, ist, dass sie durch die Benutzung dieser Webseiten und Tools die Macht, die sich die Menschen, in unserer westlichen Welt, über Jahrhunderte erkämpft haben, nämlich die Macht die Menschen kennen- und liebenzulernen, die sie wollen, zumindest teilweise wieder abgeben. Sie geben diese Macht zum Teil an Algorithmen ab. Und was ist der Grund für die Aufgabe, dieses an sich kostbaren Privilegs? In meinen Augen liegt die Aufgabe darin begründet, dass viele von uns sich zum einen selbst nicht mehr die Zeit nehmen bzw. nehmen möchten, in ihrem Alltag nach dem passenden Partner zu suchen und auch mal allein zu sein. Doch nicht nur das, einige von uns wurden von ihren eigenen Entscheidungen schon sooft enttäuscht, dass sie sich selbst nicht mehr vertrauen. Sie wurden sooft enttäuscht, dass sie sich eine Erleichterung davon versprechen, wenn Algorithmen eine scheinbar objektive Vorauswahl bzgl. möglicher passender Partner treffen. Natürlich spielt dabei auch eine Rolle, dass sie dann den Fehler, wenn die Beziehung doch nicht klappt, nicht bei sich suchen müssen, sondern es auf die Algorithmen schieben können, die doch nicht so gut, wie behauptet, sein. Der Mensch braucht in seiner „Verzweiflung“ „Blameware“! Dass wir durch dieses Verhalten und das Verlassen auf Algorithmen unseren Horizont und die Bandbreite der Menschen, die wir kennenlernen könnten, einschränken, nehmen wir dabei billigend und leichtfertig in Kauf.
Doch nicht nur, dass wir uns auf Algorithmen bei der Suche nach dem perfekten Lebensgefährten verlassen, nein, wir beschleunigen auch das Kennen- und Einschätzenlernen möglicher Partner. So gehen viele von uns bei einem ersten Treffen, mit einem möglichen Partner, schnell Checklisten im Kopf durch, um zu schauen, ob er uns geeignet erscheint, unsere Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen. Auf den Checklisten stehen dabei Dinge wie die verschiedensten Aspekte des Aussehens, der Beruf, die politische Einstellung und der Humor. Stellt man bei der Abarbeitung der Checkliste im Kopf fest, dass der potentielle Partner scheinbar die meisten positiven Erwartungen erfüllt, geht man alsbald eine Beziehung mit ihm ein. Eine Beziehung, in der zu Anfang, wie in einem Crashkurs, die Kompatibilität zueinander getestet wird und die häufig in wenigen Wochen oder Monaten wieder, manchmal mit einem Knall, zu Ende geht. Sie geht zu Ende, da man eben nicht nach einem oder zwei Treffen weiß, wie ein Mensch wirklich tickt. Zwar kenne ich auch mehr als ein Paar, bei dem aus solch einem Schnellschuss eine stabile Beziehung entstand. Doch meistens klappte das nicht beim ersten Versuch, des schnellen Findens eines Seelengefährten und Partners. Darüber hinaus kenne ich auch einige Personen, die immer noch in solchen „Schnellschussbeziehung“ leben, um nicht zu sagen, „stecken“, da sie sich nicht eingestehen können oder wollen, dass ihre Beziehungen immer und immer wieder scheitern. Sie geben sich das ein ums andere mal einfach selbst ein Stück weit auf, um nicht noch einmal zu scheitern oder allein zu sein. Kurz, sie geben sich selbst auf, da sie nicht schon wieder bzw. noch eine gescheiterte Beziehung in ihrer eigenen Historie haben möchten.
Immer, wenn ich die Geschwindigkeit sehe, mit der neue Beziehung angefangen und wieder beendet werden, gewinne ich den Eindruck, dass die Beschleunigung und die Automatisierung, im 20. und 21. Jahrhundert, nicht nur den Arbeitsalltag und die Fabriken erfasste, sondern auch das Liebesleben. Alles muss schnell und nach Möglichkeit „unkompliziert“ gehen. Nichts darf mehr Zeit und Mühe kosten, selbst wenn es so etwas Wichtiges ist, wie den Partner und Seelengefährten fürs Leben zu finden. Oder, wie ich bereits von dem einen oder anderen meiner Bekannten sagen hörte: „Ich habe einfach keine Zeit und Möglichkeit mehr, abseits von Onlineportalen und Apps einen Partner zu suchen und finden.“ Doch warum haben sie diese Zeit nicht mehr? Meiner Meinung nach, weil sie sich diese Zeit häufig einfach nicht mehr nehmen. So treffen sie sich lieber mit ihren Freunden und Bekannten in Fitnessstudios oder fristen abends ihr Leben als Couchpotato vor dem Fernseher oder Computer, anstatt z.B. sozialen Veranstaltungen zu besuchen oder Vereinen beizutreten und am Vereinsleben teilzunehmen, wo sie neue Menschen kennen- und vielleicht sogar lieben lernen könnten. Ich gebe zwar auch zu, dass es heutzutage schwer ist, im „realen Leben“ neue Menschen kennen und lieben zu lernen, vor allem dann, wenn man schüchtern ist. Doch sollte man daran versagen, die Ideale der Romantik und die Erfolge der Aufklärung und Selbstbestimmung aufgeben, auch wenn es nur zum Teil ist? Sollte man sich auf so oberflächliche und fremdbestimmte Tools und Webseiten verlassen, in denen Algorithmen möglich Partner vorschlagen oder in denen Selbstdarsteller und „besonders“ ansprechend aussehende Menschen häufig die wirklichen Gewinner sind? Soll man sich wirklich beim ersten Kennenlernen auf Apps und Onlinewebseiten verlassen, bei denen man beim ersten Fehltritt oder Missgeschick ablehnt wird und in denen einige Benutzer immer weiter, nach immer Besserem suchen, da sie nie mit dem Partner, den sie gefunden haben, glücklich sind, da ja hinter jedem Vorschlag, ein Besserer stecken könnte? Oder möchte man doch lieber die Menschen im wirklichen Leben kennenlernen, wobei man vielleicht gar nach wenigen Minuten merkt, dass hinter einer ruppigen Schalle, ein weicher, liebenswerter Kern schlummert? Ein zutiefst altruistischer Kern, der vielleicht nur etwas Zeit braucht oder Mühe hat, zum Vorschein zu kommen und sich auszudrücken?
Hat man schließlich den Partner oder die Partnerin gefunden, die man liebt, so geht es darum, die Liebe und Partnerschaft zu pflegen. Man muss die Partnerschaft und Liebe pflegen, da leben Veränderung bedeutet. Leben heißt, dass man sich selbst verändert und weiterentwickelt. Doch man verändert sich nicht nur selbst mit der Zeit, nein, auch das persönliche Umfeld verändert sich und dadurch, dass sich zwei Menschen nie ganz gleich entwickeln oder verändern, kommt es mit der Zeit in Beziehungen häufig dazu, dass Spannungen entstehen. Sollte es dazu kommen, gilt es, wenn man nicht gleich die Beziehung über den Haufen werfen möchte, was man meiner Meinung nach keinesfalls tun sollte, Kompromisse einzugehen. Man sollte versuchen Kompromisse zu finden, mit denen beide Partner leben können. Bei diesen Kompromissen ist es besonders wichtig, dass sich nicht einer allein in der bzw. für die Beziehung verbiegt und auch, dass sich keiner selbst aufgibt. Merkt man, dass man keine gangbaren Kompromisse in der Beziehung findet, die ein fortbestehen der Liebesbeziehung ermöglichen, ohne dass sich einer der Partner selbst aufgeben müsste, so muss man dann auch den Mut und das Verständnis aufbringen, gerade wenn noch Liebe in der Beziehung wohnt, einen Schlussstrich zu ziehen, auf das man seine individuellen Wege wieder gehen und sein persönliches Glück finden kann.

Was mich betrifft, so habe ich für mich entschieden, bei der Beschleunigung in Sachen Liebe nicht mitzumachen. Ich möchte nicht solch oberflächliche und / oder fremdbestimmte Dinge für die Partnersuche benutzen, wie es Dating-Apps oder Partnerbörsen im Internet sind. Nein, wenn ich jemand kennen und lieben lerne, so soll es im wirklichen Leben sein. Es soll auch kein Schnellschuss sein, bei dem man einfach mal eine Beziehung anfängt, um dann zu schauen, ob es klappt. Nein, es soll ein langsames, freundliches Kennenlernen sein, an dessen Ende vielleicht eine Beziehung mit einem potentiellen Seelengefährten steht. Es soll keinesfalls eine Beziehung sein, in der sich bereits am Anfang einer oder gar beide der Partner verbiegen müssen, nur damit sie Bestand hat. Natürlich soll sie das zu keiner Zeit sein, doch kann man anfänglich schwer abschätzen, wie eine Beziehung vielleicht in einem Jahr oder in einer Dekade aussieht. So hoffe ich, dass ich, wenn ich mal eine Beziehung führe, in der ich merke, dass entweder ich mich oder meine Partnerin sich nur noch verbiegt, den Mut habe, es anzusprechen und nach einer Lösung zu suchen und diese auch umzusetzen. Selbst dann, wenn die Lösung das Ende der Beziehung ist.
Mit dieser Einstellung, in unserer heutigen Zeit, kann es zwar sein, dass ich über viele Jahre hinweg, wenn überhaupt, nicht die passende Partnerin finde. Doch sei es drum. Ich habe meine Überzeugung und notfalls bleibe ich allein, anstatt eine von vornherein gescheiterte Beziehung an die nächste zu reihen, nur weil es Schnellschüsse waren.

Published inIch Erdling

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