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Diese Person – Eine Liebesgeschichte? – Teil 8: Der Morgen danach

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Langsam öffne ich meine Augen. Die Morgensonne scheint ins Zimmer und die Vögel singen fröhlich ihr Morgenlied. Der Platz im Bett neben mir ist leer. Ich bin müde, aber ich weiß, dass ich sicherlich keinen Schlaf mehr finden werde. Plötzlich höre ich eine Stimme sagen: „Raus aus den Federn und frisch gemacht. Ich habe Hunger, und da ich gerade nichts im Haus habe, müssen wir wohl leider Frühstücken gehen.“ Ich richte mich im Bett auf und schaue in die Richtung, aus der die Stimme kommt. Sie kommt von der Schlafzimmertür. Dort, in der Tür, an den Türrahmen gelehnt, steht die Person, mit der ich die letzte Nacht das Bett teilte.
„Guten Morgen.“, nuschle ich, worauf die Person leicht spöttisch fragt: „Letzte Nacht zu wenig Schlaf gefunden, wie kommt’s? Aber wenn du magst, kannst du gleich mit mir unter die Dusche kommen und dann werden wir dich schon munter kriegen.“ „Nein, lass mal, ich wechsele nur meine Sachen. Duschen und frisch machen, kann ich mich auch später zuhause, bevor ich meinen versäumten Schlaf nachhole.“ Während ich das sage, kommt die Person ins Schlafzimmer, lässt all ihre Hüllen fallen, holt sich frische Unterwäsche aus ihrem Kleiderschrank und bevor sie das Zimmer wieder verlässt, dreht sie sich noch einmal zu mir um und meint, nackt wie die Evolution und ihr Lebensstil sie geschaffen und geformt haben: „Letzte Chance, dass wir dich fit und zu einem ansehnlichen Menschen machen.“, doch ich schüttele nur den Kopf, worauf sie ins Bad verschwindet. Den kurzen Moment, bevor sie das Schlafzimmer verlässt, meine ich so etwas wie Resignation in ihrem Blick zu erkennen.
Während ich aufstehe und mich ankleide, höre ich die Dusche an und wieder ausgehen. Dann höre ich plötzlich die Person rufen: „Hey, kommst du mal kurz, ich möchte dir noch etwas zeigen.“ Mit einem unguten Gefühl betrete ich das Bad. Dort steht die Person, noch in der Dusche, ihre Haut vom Wasser feucht glänzend, und sagt: „Schau mal, diesen Waschlappen, mit dem Motiv, habe ich selbst gefertigt.“ Ich versuche die Person nicht direkt anzuschauen, so surreal kommt mir die Situation vor. So unwirklich, als stammte das, was gerade geschieht, aus einem schlechten Roman und nicht aus der Wirklichkeit. Trotz dass mir die Situation vollkommen surreal vorkommt, erweckt der Anblick der nackten Person etwas in mir. Eine Lust, doch wieder meine Kleidung abzustreifen und zu ihr unter die Dusche zu steigen. Aber nein, das wäre das Falsche zu tun. Ich bleibe stark. Ich betrachte den Waschlappen, den die Person mir hinhält. Das Motiv auf ihm zeigt zwei Personen, die sich lieben. Offensichtlicher geht es wohl nicht? Obwohl das „Es“ in mir zügellose Lust verspürt, alle Gedanken beiseite zu schieben und einfach den Moment zu genießen, so lässt ihm mein „Ich“ nicht seinen Willen. Mein „Ich“ hält das „Es“ fest in seinem Käfig verschlossen. Ich lächele die Person gezwungen an und sage: „Das Motiv sieht gut aus, aber du solltest bald mit dem Duschen fertig werden und dich anziehen, nicht das du dich noch erkältest.“ Das gesagt, sehe ich tiefe Enttäuschung in den Augen der Person, doch ich zwinge mich, mich davon nicht beeinflussen zu lassen. Um mich abzulenken und zu beschäftigen gehe ich stattdessen zum Waschbecken, nehme meine Zahnbürste und Zahnpasta und fange mir an die Zähne zu putzen. Während ich das tue, laufe ich ziellos durch die Wohnung und erst zum Ausspucken der Zahnpasta und zum Mundausspülen komme ich wieder ins Bad zurück.

Als ich mit dem Zähneputzen fertig bin, ist die Person auch mit Duschen fertig. Sie zieht sich an und wir verlassen ihre Wohnung. Sie führt mich durch die Straßen der Stadt zu einem kleinen Café, dass einen Frühstückstisch anbietet. Auf den Weg dahin sprechen wir kaum ein Wort miteinander. Darüber hinaus fällt mir beim Gehen auf, dass sie mir nicht mehr die Hand reichte, wie sie es noch am letzten Abend getan hatte. Es hat sich merklich etwas zwischen uns verändert!
Im Café angekommen versuch ich noch etwas gutzumachen, indem ich unser beider Essen bezahle und mit einem scherzhaften Lächeln auf den Lippen zu der Person sage: „Der Lohn dafür, dass du mich heute bei dir übernachten lassen hast.“ Doch der Spaß verfehlt seine Wirkung. Ich sehe ihr deutlich an, dass sie lieber eine andere, intimere und liebevollere Entlohnung gehabt hätte. Doch ich kann einfach nicht aus meiner Haut raus. Ich bin halt der, der ich bin, und alles andere, was ich in der letzten Nacht hätte tun können, wäre falsch und in meinen Augen ungerecht gegenüber der Person, die ich doch trotz allem mag, gewesen.
Als wir mit frühstücken fertig sind, verlassen wir das Café und ich begleite die Person noch zu ihrer Arbeitsstätte. Bei der Arbeitsstätte der Person angekommen, drücken wir uns noch kurz zum Abschied und ich sage: „War schön dich besser kennengelernt zu haben. Ich wünsche dir dann erst einmal noch einen schönen Tag und wir können ja bei Gelegenheit mal schreiben.“ „Ja, ich wünsche dir auch einen schönen Tag, bis bald einmal.“ Ist das, was sie erwidert, bevor sie sich umdreht und geht. Mir fällt auf, dass keiner von uns sagte, dass er den anderen gerne mal wiedersähe. Keiner sagte, dass er das Treffen schön fand. Aufgrund des Verlaufes der Verabschiedung denke ich bei mir: „Eigentlich ist mit dem Abschied alles gesagt.“

Doch wenn wirklich alles gesagt ist, warum fühlt sich dann nur dieser Schluss, in meinem Mund, so bitter und faul an?

Published inDiese Person - Eine Liebesgeschichte?

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