Ich hole mit dem Vorschlaghammer aus und schlage zu. Wieder und wieder schlage ich zu und langsam zeigen sich Risse in der Wand. Mit jedem Schlag werden die Risse größer und langsam lösen sich einzelne Mauerstückchen. Schließlich ist ein kleines Loch entstanden, das schnell größer wird, bevor die Wand schließlich gänzlich in sich zusammenfällt.
Die Wand, die ich gerade einreise, habe ich über die Jahre, mehr oder weniger unbemerkt, selbst errichtet, so wie es viele von uns tun. Es ist eine Wand, die unsere Leben in einen Raum sperrt, von dem man aus das wirkliche Leben und die Welt höchstens noch durch einzelne Fenster sieht, aber sie nicht mehr aktiv wahrnimmt. Man kann sie nicht spüren und ist meistens auch kein aktiver Teil der Realität mehr. So sieht man zwar Menschen und die Welt, aber was wirklich geschieht, sieht man nur ausschnittsweise und verfälscht. Ferner hört man auch nicht alles, was gesagt wird, sondern nur das, was man erwartet und das ist häufig eine Verfälschung des Wirklichen.
Unsere Leben finden in Räumen statt, mit wenigen engen Fenstern und einer häufig verschlossenen Tür. Nur selten öffnen wir die Tür und lassen andere Menschen eintreten, um mit ihnen unsere Welt und unsere Leben zu teilen. Stattdessen stehen wir an den unterschiedlich großen Fenstern, die unterschiedlich stark verschmutzt sind, und betrachten und beurteilen die Welt, die wir glauben, ganz genau durch sie zu erkennen, wie ein Ornithologe, einen Vogel durchs Fernglas, wobei er vergisst, dass er das, was um den Vogel herum geschieht, nicht mehr gänzlich erfassen kann. Die Fenster sind Medienbeiträge, sein es Fernsehbeiträge, Onlineposts, Bücher und Artikel, oder unsere eigenen Vorurteile, sodass wir eigentlich nie die ganze Welt so sehen, wie sie ist. Und seien wir einmal ehrlich, viele von uns wollen das auch nicht, da wir uns dann aktiv mit der gesamten Welt, da alles mehr oder weniger zusammenhängt, beschäftigen und Verantwortung für unsere Handlungen übernehmen müssten. Verantwortung übernehmen? Wer möchte das denn schon in unserer modernen Zeit, wenn er auch unbeschwert und (Pseudo-) glücklich in seinem kleinen Raum leben und über andere richten kann?
Ich möchte auf jeden Fall nicht mehr in den kleinen Raum, abgeschirmt von der Welt, leben und riss deswegen die vierte Wand ein, die vierte Wand, die wie im Puppentheater zum Publikum zeigt und über das die Schauspieler direkt mit ihrer Umwelt und den Zuschauern interagieren und sie ansprechen können, sodass man das, was man sieht, nicht einfach mehr als Trugbild abtun kann. Ich verlasse mich nicht mehr auf die Filterblasen, in denen wir uns digital bewegen, sondern versuche qualifizierte, objektive Beiträge zu finden und mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ich versuche, das, was mir das Leben bietet, an mich heranzulassen und mich mit ihm eingehend auseinanderzusetzen, anstatt nur das, was mir gefällt, und alles, was mir nicht passt, an mir abperlen zulassen, wie Wasser an einer Glasoberfläche. Doch während ich versuche, meinen Horizont zu erweitern und aufgeklärt zu denken und zu leben, sehe ich andere Menschen, die auch um die Räume der Menschen wissen und Dreck, sei es brauner oder vermeintlich „woker“, an die Fenster der Menschen schmieren, um sie einzuschüchtern, mundtot zu machen und dadurch in ihrem Interesse zu lenken. Es sind Menschen, die nicht mehr den Dialog und die konstruktive Auseinandersetzung suchen, sondern ihr Weltbild für unfehlbar halten. Und die Menschen in ihren kleinen Räumen? Sie glauben ihnen, da sie nur das zu sehen bekommen, was sie zu sehen erwarten und sich deshalb selbst geistig einschränken.
Schlussendlich möchte ich euch, die ihr diese Zeilen lest, auch dazu einladen, die Wände, die ihr um eure Leben errichtet habt, einzureisen. Ich möchte euch dazu einladen, eure Blicke schweifen zu lassen und nicht nur das zusehen, was ihr erwartet. Ich lade euch dazu ein, aufklärerische Stärke zu zeigen, indem ihr euch auch mit dem auseinandersetzt, das für euch unbequeme zu sein scheint. Reicht mir eure Hand im Geiste, und versucht mit mir, das große Ganze zu verstehen, und eure Handlungen in diesem Kontext zu beurteilen und vielleicht auch zu verändern, wenn eure Handlungen denn vermeidbare negative Auswirkungen haben.