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Der Blick durch einen Konvexspiegel in (m)eine mögliche Zukunft

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Ein Kaffee mit Freunden. Nette Gespräche über Banalitäten. Nichts Außergewöhnliches. Doch dann gesellte sich ein Mann hinzu und verwickelte mich in ein Gespräch. Er sprach mich auf mein Band-Shirt an, und auf das was abgebildet war. Da ich von Natur aus kein unfreundlicher Mensch bin, gab ich ihn Auskunft, worauf es zu einem Dialog, oder wenn ich ehrlich sein sollte, eher einen Monolog, kam. Die Unterhaltung bestand daraus, dass ich ihn reden ließ, und nur durch kurze Antworten, wenn er mich etwas fragte oder durch ein leichtes Nicken zu erkennen gab, dass ich ihn überhaupt noch zuhörte. Dabei war ich fasziniert von dem, was der Mann sagte, denn er war sichtlich belesen, und wie ich seiner Erzählung entnahm, hatte er auch studiert. Also konnte es sich bei ihm eigentlich nicht um einen dummen Menschen handeln. Doch dort stand er bei mir, mit einer Flasche Wein in der einen und einer Zigarre, an der er regelmäßig zog, in der anderen Hand und erzählte von dem Zusammenbruch der Gesellschaft. Er erzählte, wie Deutschland, ein Land das einmal das Land der Dichter und Denker war, sich selbst zu Grunde richtete. Er berichtete von seiner Liebe zur deutschen Sprache und Literatur, wobei er sagte, dass er wahrscheinlich nicht bis an sein Lebensende Deutsch spräche, da er auswandere, aber das er bestimmt bis zu seinem Tod Deutsch läse.

Er führte seine Gedanken bezüglich des Untergangs Deutschland aus, wobei er mit dem Untergang der DDR und der Wiedervereinigung begann. Eine Zeit, zu der er in Berlin studiert und alles hautnah erlebt hätte. Er beschrieb, aus seiner Sicht, wie der Kapitalismus Gesamtdeutschland vereinnahmte, das Land und seine Bürger zerbrach und sie zur Huren des Systems wurden. Er sprach davon, dass es in der BRD einmal Denker gab, die gegen die nach dem Zweiten Weltkrieg übrig geblieben Krebszellen von Nazi-Deutschland schrieben, da sie erkannten, dass aus diesen Zellen ein neues braunes Geschwür erwachsen könne. Von Denkern, die davor warnten, dass der rechte Geist wieder erstarke und es dann schlimmer käme, als zur Zeit des Dritten Reiches.

Er hatte etwas von einem Untergangsprophet. Doch das war nicht das, was mich erschreckte. Das was mich erschreckte war, dass ich parallelen zwischen seinen und meinen Gedankengängen entdeckte. Von Gedanken, bezüglich des Zustands unserer Gesellschaft und in welche Abgründe uns unser Verhalten noch stürze. Die Unterhaltung mit dem Mann war wie ein Blick in einen konvexen Spiegel, der mir zu zeigen schien, was aus mir würde, sollte ich an der Welt verzagen und mich dem Schwermut hingeben. Eine Zukunft, in der ich meine Gedanken versuchte mit Alkohol zu ertränken, um den Zustand der Welt zu verdrängen. Eine Zukunft, in dem ich an einen Gott glaubte, und mich danach sehnte, dass es eine höhere Instanz gebe, der ich nach dem Tod begegnen könnte. Eine Instanz, die vielleicht mal wieder den Mut fasste, einen Messias zu schicken. Wobei ein Messias in unserer heutigen Zeit schnell gesteinigt würde, so dass am Ende nur die Sintflut oder Feuer wie bei „Sodom und Gomorra“ bliebe. Doch wenn es auf das Hinauslaufen sollte, so kann sich Gott in aller Ruhe zurücklehnen, denn die Sintflut bekommen wir durch den Menschen gemachten Treibhauseffekt und dem Abschmelzen der Pole schon selbst hin und was „Sodom und Gomorra“ betrifft, mit unseren Waffen und dem Menschen gemachten sauren Regen, kommen wir dem auch schon ganz schön nahe.

Abschließend stelle ich fest, dass ich wirklich nicht so verschieden von dem Mann bin. Zynismus und Sarkasmus sind mir schon jetzt gute Gefährten. Doch im Gegensatz zu ihm habe ich meinen Tatendrang noch nicht verloren und stehe für meine Überzeugung ein. Doch wie lange wird das so sein? Ich weiß es nicht, und so hoffe ich, dass sich mein Weg nicht zu schnell mit einer Flasche gutem Alkohol kreuzt, der mich eventuell in Verlockung führte, den einfachen Weg zu nehmen.

Doch, da so ein Leben alleine ziemlich schwer ist und man immer mal wieder Hilfe brauch: „Lieber Gott, sollte es dich wirklich geben, mein Zynismus war nicht so gemeint. Und wenn du mir eine Freude machen möchtest, so lass den Kelch, mit dem lieblich süß duftenden Wein, der meine Geruchsknospen liebkost und mir meinen Mund wässrig werden lässt, an mit vorüberziehen.“

Schluck!

Published inErzählungen