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Nur ein Kerl, wie all die anderen

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Perspektive der Frau

Als ich ihn kennenlernte, machte er einen guten und netten Eindruck auf mich. Er war freundlich, und auch wenn er einen schrägen Humor hatte, so war er mir sympathisch. Die ersten Male sah ich ihn auf Feiern, die er mit einer Bekannten von sich besuchte. Ich sage, dass die Frau, mit der er damals auf die Feiern ging, seine Bekannte ist, doch das wusste ich da noch nicht. Das einzige was ich damals wusste, war, dass man die beiden eigentlich immer nur zusammen sah. Und wenn man zwei Personen immer zusammen sieht, vor allem, wenn sie verschiedenen Geschlechtern angehören, da macht man sich ja so seine Gedanken.

Mit der Zeit merkte ich also, dass er mit der anderen Frau nur gut befreundet war. Warum sollten auch ein Mann und eine Frau nicht einfach nur gut befreundet sein? Bei den verschiedenen Veranstaltungen, bei denen ich ihn sah, kam ich mit ihm ins Gespräch und lernte ihn besser kennen. Während ich ihn kennenlernte, merkte ich, dass er nicht so war, wie viele andere Männer, die ich im Laufe meines Lebens kennengelernt hatte. Er war weder aufdringlich, noch drehte sich bei ihm alles um das eine Thema. Kurz gesagt, er war einfach nett. So unternahmen wir auch einmal etwas zusammen, und es war ein schöner Tag. Doch anfänglich blieb er jedes Mal, wenn wir uns sahen, seltsam distanziert. Ich gewann den Eindruck, dass er kein Interesse an mir als Mensch hatte und das verletzte mich. So ging ich schließlich aufgrund seines Verhaltens ebenfalls auf Distanz.

Nachdem ich eine gewisse Distanz zwischen uns aufgebaut hatte, begann er, als wir uns bei den verschiedensten Veranstaltungen trafen, Körperkontakt aufzubauen. Der Körperkontakt bestand darinnen, dass er mir, wenn sich ihm Gelegenheit bot, den Rücken oder die Schulter tätschelte. Und da war er doch wie all die anderen Kerle. Er war auch nur ein Mann, der das haben wollte, was er nicht bekommen konnte, denn warum sollte er sonst, nachdem ich auf Distanz gegangen bin, mit so etwas anfangen? Die Konsequenz daraus war, dass ich noch mehr auf Distanz ging. Doch anstatt das er mich da in Ruhe ließ, wurde sein Gebaren mit zunehmender Distanz, die ich versuchte zwischen uns zu bringen, penetranter.

Mit der Zeit blieb es nicht nur bei den Versuchen körperlichen Kontakt aufzubauen, sondern er begann zu allem, was ich tat und sagte, seinen Kommentar abzugeben. Es waren unpassende Kommentare, die mich verletzten. Und so vergrößerte ich den Graben zwischen uns immer weiter, bis schließlich auch ihm bewusst wurde, dass ich kein Interesse mehr an einer Bekanntschaft mit ihm hatte.

So starb schließlich unsere Bekanntschaft ganz und heute sind wir einfach nur zwei Fremde, die sich, wenn sie sich denn mal auf der Straße begegnen, höchstens noch zunicken.

Perspektivwechsel: Perspektive des Mannes

Ich lernte sie kennen, als ich mal mit einer guten Bekannten oder vielleicht sollte ich doch sagen, einer guten Freundin, unterwegs war. Und bei dieser Suche nach der richtigen Bezeichnung, für diese Frau, mit der ich befreundet bin, zeigt sich schon das Problem, was meines Erachtens auch zum Scheitern der Bekanntschaft mit dieser Frau führte. Das Problem war, dass ich über viele Dinge viel zu viel nachdachte. Man könnte auch sagen, ich bin ein Kopf gesteuerter Idiot, der nichts auf die Reihe bekommt, weil er alles überdenkt. Sowie das mit der Bekannten oder Freundin. Eine Bekannte trifft man eigentlich nur flüchtig, und hat mit ihr nicht wirklich etwas zu tun. Eine Freundin dagegen ist jemand, mit dem man sich wirklich gut versteht, und der man auch seine Geheimnisse anvertraut, ohne dass dabei etwas Sexuelles mitschwingt. Gebe es nur diese Verwendungszwecke der beiden Wörter, würde ich ohne bedenken meine gute Bekannte als Freundin bezeichnen. Doch verwendet man auch das Wort Freundin auch für Frauen, mit denen man eine Liebesbeziehung hat und da beginnt mein Problem, was exemplarisch für viele meiner Probleme ist. Es wird für mich unnütz kompliziert. Doch zurück zu meiner guten Bekannten. In diesem Kontext meine ich, dass ich etwas mit einer Freundin im Sinne des englischen „friend“ unternahm, die ganz bestimmt nicht mein „girlfriend“ war. Doch wo war ich überhaupt stehen geblieben. Ach ja.

Also ich unternahm regelmäßig etwas mit meiner guten Bekannten und so lernte ich auf einem der von uns besuchten Treffen, die Frau treffen, von der ich hier berichten möchte. Mein erster Eindruck von der Frau war, dass sie etwas hibbelig war. Aber ich bemerkte bald, dass sie Träume hatte, und das gefiel mir sehr. Der Grund dafür war, dass ich im Laufe meines Lebens den Eindruck gewonnen hatte, dass die meisten Menschen keine Träume mehr hatten. Sie hatten nur noch Wünsche. Doch was ist der Unterschied zwischen einem Wunsch und einem Traum? Beim Wunsch möchte man etwas, aber nicht unbedingt etwas dafür tun, d. h. sobald es zu schwierig wird, diesen Wunsch zu erreichen, hält man inne und verwirft ihn, anders ist es beim Traum. Für einen Traum, den man Wirklichkeit werden lassen möchte, arbeitet man. Man investiert Zeit und Geld, und lässt sich von Rückschlägen nicht entmutigen. Es können Jahre vergehen, bis man seinen Traum verwirklicht hat. Jahre, die vielleicht Entbehrungen mit sich bringen, und das für ein Ziel, von dem man am Ende vielleicht nicht einmal selbst profitiert. Somit sind Menschen, die träumen und versuchen ihre Träume zu erreichen, mutigere und strebsamere Menschen, als all die, die sich einfach etwas wünschen.

Doch ich schweife schon wieder ab. Also diese Frau, die ich da kennenlernte, hatte Träume, und sie versuchte ihre Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Das war ein Pluspunkt. Ein Minuspunkt dagegen war, dass sie mich bereits am zweiten Abend, an dem wir etwas mehr miteinander zu tun hatten, ständig kritisierte. Doch diese Kritik konnte ich nicht wirklich ernst nehmen, und sie meinte das, was sie sagte auch nicht wirklich Ernst. Kurz gesagt, der anfänglich Eindruck, den ich von ihr hatte, war eigentlich einen durchweg positiver Eindruck.

Mit der Zeit lernten wir uns immer besser kennen und ich begann sie mehr und mehr zu mögen. Das „Mögen“ meinerseits zeigte sich darinnen, dass ich versuchte ihr Komplimente zu machen, und ihr auch durch körperliche Nähe zu zeigen, dass sie für mich eine besondere Person ist. Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich mich zu der Zeit auch fragte, ob ich mir mit ihr vorstellen könnte, eine Liebesbeziehung zu führen, da ich sie wirklich als Freundin (friend) sehr mochte, und mir wünschte, dass da noch mehr wäre. Ich kam für mich zu der Überzeugung, dass das schön wäre, doch dass ich niemals zu dem Schritt bereit wäre, wenn das hieße, unsere Freundschaft zu gefährden.

Das mag jetzt vielleicht komisch klingen, doch bin ich der Überzeugung, dass in einer Liebesbeziehung die Partner sehr gute Freunde (friends) sein sollten. Darin liegt auch begründet, dass ich nicht an die Liebe auf den ersten Blick glaube, da man da meistens nur ein verklärtes Bild, durch die sprichwörtlich „rosarote Brille“, sieht. Ein Bild, was sich als schöne Fassade vor maroden Mauerwerk entpuppen kann. Ist man dagegen mit einer Person bereits gut befreundet, und geht mit ihr dann eine Liebesbeziehung ein, so kennt man in der Regel schon ihre Ecken und Kanten, und man kann sich selbst fragen, ob man bereit ist, mit einer Person zusammenzusein, die diese Ecken und Kanten besitzt.

Doch ich schweife schon wieder ab. Was meine Komplimente betrifft, die ich ihr machte, so muss ich leider sagen, dass sie sie nicht positiv aufnahm. Sei es aufgrund dessen, dass sie sie nicht verstand, oder dass ich doch mal wieder die falschen Worte wählte. Falsch gewählte Worte, wie ich sie häufig in Situationen aussprach oder tippte, wenn gerade auf den Worten eine besondere Bedeutung ruht. Der Kern der Komplimente, die ich ihr machte, war, dass man sie nicht mit materiellen Dingen vergleichen kann. Man konnte ihr meiner Meinung nach einfach kein „Preisschild“ geben, da sie für mich als Mensch und Freundin (friend) einfach unbezahlbar und unersetzlich war.

Doch wie bereits gesagt, wählte ich scheinbar die falschen Worte, und sie fing an auf Distanz zu gehen. Diese Distanz schmerzte mich, vor allem, wenn wir uns mal wieder begegneten, und dann nur wenig miteinander sprachen und schließlich ohne ein Wort des Abschieds wieder auseinander gingen. Jedes Mal, wenn das geschah, fragte ich mich, ob das jetzt das Ende unserer Freundschaft wäre, und ob ich sie mal wieder sähe oder ob wir fortan auf getrennten Wegen gingen. Da mich diese Situationen arg mitnahmen, versuchte ich ein paar mal die Distanz zwischen uns zu überbrücken, doch mit jedem Versuch wurde die Distanz nur größer und größer. Am Ende blieb mir schließlich nichts mehr anderes übrig, als mich damit abzufinden.

Mich damit abzufinden, dass sie sich für einen Lebensweg entschieden hat, auf dem wir nicht gemeinsam als Freunde oder gar mehr gingen. Doch mag ich ihr deswegen nicht böse sein. Stattdessen wünsche ich ihr sogar, dass sie ihr Glück im Leben findet. Das mag vielleicht seltsam klingen, doch trotz, dass wir uns einander distanzierten, habe ich sie noch vom Herzen gern, und wünsche ihr nur das Beste im Leben, auf dass sie es schaffe, ihre Träume Wirklichkeit werden zu lassen.

Perspektivwechsel: Perspektive eines Freundes der Beiden

Zwei Menschen, die einander mochten, nur zu verschieden Zeiten. Zwei Menschen, die nicht wussten, was sie zueinander bzw. füreinander sein wollten. Zwei Menschen, die viel mehr hätten sein können. Zwei Menschen, die wieder getrennte Wege gehen. Zwei Menschen, wie viele andere!?

Published inErzählungen

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