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Ich Erdling 14: Von der Crux einen guten Text schreiben zu wollen

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Ein leeres Blatt Papier oder ein beinah leerer Bildschirm vor mir. In meinem Kopf die Ahnung von einer Idee für einen möglicherweise guten Text. Das einzige, was mir eigentlich zu tun bleibt, ist die Ahnung zur Gewissheit werden zu lassen, die Idee in Worte zu fassen und niederzuschreiben. Ach, wenn das doch nur so einfach wäre.
Doch das Finden und niederschreiben der Worte fällt mir nicht leicht, da ich nach Möglichkeit einen Text schreiben möchte, der sowohl mich, als auch mögliche andere Leser anspricht und darüber hinaus auch gut verständlich und unterhaltsam ist. Es sollte nach Möglichkeit ein Text sein, der mir Freude während des Schreibens und Lesens bereitet und eventuelle andere Leser fesselt, und mit Dingen konfrontiert, die sie zum Nachdenken anregt. Was brächte einem Leser denn auch ein Text, den er nur der Unterhaltung oder des Zeitvertreibs wegen läse, ohne das er aus diesem Text etwas für sein Leben mitnähme?
Wie sollte man nun beginnen, einen Text zu erschaffen, der einen selbst und mögliche andere Leser begeistert und darüber hinaus auch zum Nachdenken anregt?

Beginne ich einen Text zu schreiben, habe ich meistens ein Thema und wenn es gut läuft, einige zum Thema passende Schlagwörter im Kopf. Wenn es wirklich gut läuft, vielleicht auch einen roten Faden mit verschiedenen Stationen, die ich in dem Text nach und nach abarbeiten möchte. Schließlich beginne ich Sätze in meinem Kopf zu formen und bringe sie nach und nach zu Papier, bzw. ich tippe sie in meinen Computer. Sätze, die grob meine Gedanken wiedergeben und Gedankennetz aufspannen, in denen sich der Text bewegen soll. Habe ich die ersten Gedanken real oder virtuell zu Papier gebracht, beginne ich die niedergeschrieben Textfragmente noch einmal durchzulesen. Bei der nochmaligen Lektüre meines Textes füge ich Präzisierung, weiterführende Gedanken und Bindeglieder ein, die den Text häufig zu einer etwas homogeneren Masse von Ideenschnipseln werden lässt. Wohlgemerkt gelingt mir das nur häufig und nicht immer. Manchmal wird der Text mit jeder Überarbeitung unleserlicher und unverständlicher, bis nur noch ein Ungetüm aus Worten übrigbleibt, an dem eigentlich keiner mehr eine Freude hat.

Habe ich während der kontinuierlichen „Optimierung“ des Textes etwas Glück, bewegen sich meine weiterführenden Gedanken entlang des ursprünglichen roten Fadens und bleiben im ursprünglichen Gedankennetz. Doch bei mir ist das in der Regel nicht der Fall. Fast bei jedem erneuten Lesen fallen mir Gedanken, Argumente und Gegenargumente ein, die ich noch in den Text unterbringen sollte, so das sich mit jedem Überarbeiten die Gestalt des Textes etwas von meiner ersten Idee entfernt. Durch dieses langsame aber stetige entfernen von der ursprünglichen Idee und dem ursprünglichen roten Faden, bringt nicht selten ein von mir fertig gestellter Text, etwas anderes als das ursprünglich Gedachte zum Ausdruck. Der Grund dafür ist, dass ich nach Möglichkeit einen in sich runden und abgeschlossenen Text schreiben möchte, und die Welt, menschliche Verhaltensweisen und kausale Zusammenhänge meistens viel zu komplex sind, um sie einfach darzustellen. Was also tun? Wenn ich von der Idee für den Text überzeugt bin, lese ich den Text wieder und wieder, und füge Ergänzungen ein und führe Textänderungen aus, bis der Text anfängt ein in sich geschlossenes Bild zu liefern. Das Bild kann dabei auch manchmal eine Erweiterung meines Horizontes sein, da ich mich beim Schreiben eigentlich immer intensiv mit dem, was ich schreibe, auseinandersetze, und das ein ums andere mal merke, dass ich in meinem bisherigen Weltbild nicht alle Fakten und Zusammenhänge berücksichtigte. So verändert sich durch das Schreiben auch meine Gedankenwelt und wird in der Regel noch komplexer, als sie bereits ist.
Durch das kontinuierliche nochmal Lesen und Überarbeiten eines Textes lese ich ihn manchmal zehn bis zwanzigmal. Während dieser Zeit der Überarbeitung zwinge ich mich häufig dazu, mal eine Pause von ein oder zwei Tagen einzulegen, um etwas Abstand vom Text zugewinnen. Der Grund dafür ist, dass ich das ein ums andere mal beginne, einen Text zu verschlimmbessern oder mich im Kreise zu drehen, da sich z.B. meine Gedanken an einer Textstelle gabeln, und ich mich nicht auf den weiterführenden Weg, den mein Text nehmen soll, festlegen mag. Diese Unentschlossenheit kommt daher, dass ich manchmal nicht mehr mit mir selbst und meinen Gedanken im Reinen bin und ich deshalb nicht weiß, welcher der Wege der Realität und meiner Weltsicht am ehesten entspricht. Kurz gesagt, manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht und so braucht man etwas Abstand, um das große ganze zu sehen.
Gelange ich schließlich irgendwann zu der Überzeugung, dass ein von mir geschriebener Text inhaltlich in sich geschlossen ist, beginne ich mit dem Feintuning des Textes. Feintuning beinhaltet für mich, die Korrektur möglicher sprachlicher und logischer Fehler, sowie den Versuch die Lesbarkeit des Textes zu verbessern. Und damit komme ich zu den zwei Punkten, die für mich am schwersten sind. Der erste Punkt ist, dass ich eigentlich viele der Sätze, die ich schreibe, deutlich kürzen müsste, um deren Lesbarkeit zu verbessern, was mir aber seltenst gelingt. Das denke ich zumindest, wenn ich Schachtelsätze wie den vorhergehenden lese. Der zweite Punkt, der mir schwerfällt, ist einen Text, auch wenn ich noch nicht hundertprozentig mit ihm zufrieden bin, einfach mal so stehenzulassen und ihn zu veröffentlichen. Der Grund dafür ist, dass ich eigentlich nie hundertprozentig mit einem Text zufrieden bin, da mir bestimmte Formulieren nicht wirklich gefallen oder ich der Überzeugung bin, das bestimmte Aspekte noch nicht ausreichend behandelt wurden. Doch zöge ich nicht bewusst einen Schlussstrich, schriebe ich wahrscheinlich Jahre an einem Text, ohne zu einem Ende zu kommen, während der Text immer länger und umfangreicher würde, wobei die ursprüngliche Idee eigentlich in wenigen Sätzen, auf einer DIN-A4-Seite, zu neunundneunzig Prozent abgehandelt sein könnte.

Wie hoffentlich aus dem obigen Text hervorgeht, ist die Crux, einen guten Text schreiben zu wollen, für mich, dass ich eigentlich nie hundertprozentig mit einem Text zufrieden bin und ich unendlich lange an ihn weiterarbeiten könnte, wobei der Mehrwert marginal oder sogar negativ wäre.
An dieser Stelle bekenne ich öffentlich, dass ich keine wirklich guten Texte schreibe, da ich irgendwann die Bremse ziehe, wenn ich der Überzeugung bin, dass die „Kosten-Nutzen-Rechnung“ nicht mehr stimmt oder ich mich einem anderen Thema zuwenden möchte. Ich werde wahrscheinlich nie einen perfekten Text schreiben, da es für mich keine perfekten Texte gibt. Doch schreibe ich trotzdem, da ich gerne meine Gedanken schweifen lasse und meine Ideen niederschreibe. Das Veröffentlichen der Texte könnte ich mir eigentlich sparen, da es mir prinzipiell egal ist, ob ein Leser sie liest. Mir langt eigentlich schon der imaginäre Leser, für den ich die Texte schreibe, denn wenn ich wirklich ehrlich bin, so schreibe ich viele der Texte alleinig für mich, da ich mich in ihnen häufig mit mir selbst und unserer Gesellschaft beschäftige. In ihnen setze ich mich mit mir, meinen Einstellungen und Gedanken auseinander. Darüber hinaus spiele ich in meinen Texten auch mögliche alternative Realitäten durch, indem ich mich frage, wie meine persönliche Geschichte oder die Geschichten anderer Leute verlaufen wäre, hätte ich, er oder sie sich in dieser oder jener Situation anders verhalten. Manchmal interessiert mich auch, wie eine mögliche zukünftige Geschichte aussehen könnte, wenn man auf einmal dieses oder jenes täte.

Zum Schluss bleibt eigentlich nur zu sagen, dass für mich ein Text, ein guter Text ist, wenn ich meine Gedanken durch das Schreiben von ihm beschäftigen und ich mich darüber hinaus in ihm mit mir selbst und mit der Gesellschaft auseinandersetzen kann. Ein guter Text ist, auch wenn ich ihn nie perfekt finden werde, ein Text, der meine Gedanken und Gefühle wiedergibt. Einen Text, den ich schrieb, finde ich gut, wenn er mir relativ gut gefällt und mir egal ist, was andere denken, wenn sie ihn lesen. Dabei sei jeder gerne eingeladen, einen meiner Texte zu lesen und mir zu den inhaltlichen Aspekten des Textes Feedback zu geben. Doch behaltet, bitte, immer dabei im Hinterkopf, dass ich die Texte nicht primär für andere Menschen als Leser, sondern für mich selbst schreibe. Sollten trotzdem meine Texte noch jemand anderes gefallen, so soll er sie genießen. Sollten ihnen meine Texte nicht gefallen, so zwingt ihn keiner, sie zu lesen und er kann sie getrost ignorieren.

Published inIch Erdling

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