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Ich Erdling 15: Vom Sterben der Fantasie

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Fantastische Welt ziehen vor meinem inneren Auge vorbei. In meinem Geiste sehe ich zauberhafte Wesen und Gegenden, aber auch Orte der Verdammnis und des Todes ziehen, als würde ich sie wirklich sehen, an ihm vorbei. Ich sehe Handlungsweisen und Taten von Menschen und deren Auswirkungen. Dank meiner Fantasie gelingt es mir leicht, mich in die Rolle der verschiedensten Wesen und selbst der Umwelt zu versetzen. Dadurch kann ich fast körperlich all die Schmerzen, die Menschen durch ihre Taten eigentlich allem, was sie umgibt, zufügen, spüren. Unter Zuhilfenahme meiner Fantasie spüre ich fast körperlich den durch die Menschen verursachten Schmerz und das Leid, das sie anderen Lebewesen, sein es Art fremde oder Art eigene, verursachen. Erst die Fantasie ermöglicht es mir, Empathie mit allen Lebewesen, und vielleicht sogar der Welt als ganzes, zu empfinden. Ohne die Fantasie wäre mir das nicht möglich, denn dann gelänge es mir nicht, mich in sie hineinzuversetzen.
Die Fantasie ist eine der wichtigsten Eigenschaften, über die ein Mensch verfügen kann. Nur durch sie kann er sich mögliche Konsequenzen seines Handelns, auch wenn es sich dabei um abstrakte Konsequenzen handelt, vorstellen und entsprechend achtsam und besonnen agieren. Aus diesem Grund macht es mir Sorge, dass ich immer mehr zu der Überzeugung gelange, dass die Fantasie vieler Menschen stirbt oder verkümmert. Die Fantasie stirbt, da sich viele Menschen ihrer nicht mehr bedienen, sei es, um in ihren Köpfen die verschiedensten fantastischen Welten zu erschaffen, um in ihnen verschiedene Lebensszenarien zu erleben oder einfach nur, realistische „Tagträume“ zu träumen. Darüber hinaus lesen immer weniger Menschen Bücher und stellen sich die Geschichten und beschriebenen Umgebungen bildhaft vor. Nein, stattdessen lassen sie sich von immer neuen Formaten bildgewordener Fantasien in Form von Filmen, Serien und Computerspielen unterhalten. Dabei handelt es sich um Formate, bei denen die Konsumenten nicht mehr auf ihre Fantasie zurückgreifen müssen, da alle Bilder vor ihren richtigen Augen dargestellt werden und so das innere Auge nicht mehr gebraucht und gefordert wird.
Durch diese Nichtbenutzung verkümmert die Fantasie, wie eine zarte Blume, um die man sich nicht kümmert. Die Fantasie verwelkt, wird stumpf und stirbt. Doch warum lassen das so viele Menschen zu? Warum geht kein Aufschrei durch die Gesellschaft? Warum fordert keiner, dass sich die Menschen wieder vermehrt ihrer Fantasie bedienen sollen, anstatt sie sich durch stumpfsinnige mediale Programme verderben zu lassen?
Es geht kein Aufschrei durch die Gesellschaft, da viele Menschen den Verlust der Fantasie nicht bemerken, oder er ihnen vollkommen egal ist. Der Grund dafür ist, dass sich seiner Fantasie zu bedienen mit Arbeit verbunden ist. Man kann sich nicht einfach, wie beim Fernseher, hinsetzen und passiv berieseln lassen. Nein, um sich seiner Fantasie zu bedien muss man häufig erst einmal Ruhe finden und schon das gelingt vielen Menschen nicht mehr, da sie immer hektisch durch die Welt rennen und denken, dass sie ständig erreichbar sein müssten. So ist mittlerweile häufig das Smartphone und damit eine der größten Ablenkungsquellen die es für den modernen Menschen gibt, ihr ständiger Begleiter. Doch als wäre das Finden von Ruhe in unserer heutigen Zeit nicht schon schwer genug, so hat man doch erst die Hälfte des Weges, seine Fantasie zu benutzen, zurückgelegt, wenn man sie findet. Schließlich beginnt man nicht automatisch, sich fantastische Welten vorzustellen, wenn man mal zur Ruhe gekommen ist. Nein, die eigene Fantasie beginnt erst zu erblühen, wenn man entweder seine Gedanken frei schweifen lässt, sich in seinen Gedanken bildhaft mit einem Thema auseinandersetzen oder gar ein gut geschriebenes Buch liest, auf dass man sich fantastische Welten oder bestimmte Geschichten bildlich vorstellen kann. Ach, was macht es doch für eine Mühe, sich seiner Fantasie zu bedienen!

Halt! Das kann doch so nicht stimmen! Viele Menschen schaffen es ja schließlich, sich in jungen Jahren mühelos ihrer Fantasie zu bedienen. Teilweise fällt es Kindern sogar schwer, ihre Fantasien und die Realität auseinanderzuhalten. Doch warum verkümmert dann mit den Jahren die Fantasie? Sie verkümmert, da sie eben meistens als kindisch und störend betrachtet wird. In unserer Gesellschaft ist es nun einmal leider so, dass der Fantasie, abseits der Kreativwirtschaft, wenig Wert beigemessen wird. So werden schon viele Kinder darauf beschworen, in der „Realität“ zu leben, und ihre Fantasiewelten zu verlassen und zu vergessen. Es entsteht der Eindruck, dass man entweder über Fantasie oder kalte Rationalität verfügen kann. Es wird nicht bedacht, dass beides eigentlich optimal Hand in Hand geht, wenn man ein glückliches Leben führen oder die Probleme, die sich einem im Leben stellen, optimal lösen möchte.
Häufig ist es im Leben gut und meiner Meinung nach auch ratsam, sowohl alle kausalen Zusammenhänge zu sehen, als auch sich alle möglichen Szenarien vorzustellen, indem man sich seiner Fantasie bedient. Nur dadurch kann man, meiner Meinung nach, halbwegs das Verhalten von Menschen in den verschiedensten Situationen vorsehen. Erst dadurch versteht man, warum einige Verhaltensweisen, politischen Gesetzgebungen und mediale Kampagnen ins Leere laufen. Unter zur Hilfenahme von Kausalketten und der eigenen Fantasie, mit der man sich in andere Menschen hineinversetzt, kann man z.B. leicht erklären, warum Energieeinsparungen, die durch technische Neuerungen erzielt werden könnten, häufig ganz oder teilweise verpuffen. Man kann also erklären, warum es bei einigen eigentlich positiven Entwicklungen zu einem Rebound- oder Backfire-Effekt kommt. Im besagten Szenario mit der möglichen Energieeinsparung, kam es, u.a. in den Haushalten in Deutschland, nicht zu den Einsparungen an elektrischer Energie, wie durch die Einführung von energieeffizienteren Geräten eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Der Grund dafür ist aus meiner Sicht, dass sich die Menschen, die die Prognosen bzgl. der Entwicklung des Energieverbrauchs in Deutschland aufstellten, nicht in andere Menschen hineinversetzten und sich aus deren Sicht fragten, was sie täten, wenn ihre Geräte auf einmal weniger Energie brauchten. Sie betrachteten nicht, dass viele Menschen, wenn sie in ihren Haushalten weniger elektrische Energie verbrauchten, das dadurch potentiell eingesparte Geld für andere Dinge ausgäben, die wiederum Energie verbrauchten oder sie das besagte Gerät, auf Grund seines geringeren Energieverbrauchs, einfach länger und / oder häufiger in Betrieb hätten.
Durch diesen Mangel an Fantasie bzw. der unzureichenden Nutzung von ihr, wurden notwendige Maßnahmen, die zu einer Vermeidung des Rebound- und Backfire-Effektes hätten führen können, wie z.B. eine jährlich gestaffelte Erhöhung von Energiesteuern, nicht ergriffen. Stattdessen kam es dann so, dass sich Wissenschaftler und Politiker überrascht zeigten, dass es nicht zu den erwarteten Energieeinsparungen kam.

Ein weiterer Grund, warum Fantasie und deren Nutzung wichtig für unsere Gesellschaft ist, ist, dass man manchmal erst durch sie komplexe Probleme lösen kann. Manche Probleme kann man nämlich erst lösen, wenn man alle bisherigen Ansätze und Lösungsversuche, die einen nicht weiterbrachten, vergisst, einen Schritt zurücktritt und in seinem Geiste viele Ansätze, von denen manche auch abstruse sein können, durchspielt. Durch dieses Vorgehen kommt man manchmal auf die Lösung für ein Problem, an dem man sich selbst oder Wissenschaftler, schon Monate und Jahre die Zähne ausbrachen. Kurz gesagt, die Fantasie ist meines Erachtens nach auch eine wichtige Voraussetzung dafür, außerhalb gewisser Konventionen (Boxen) zu denken und dadurch Lösungen zu finden.

Zum Schluss bleib mir eigentlich nur noch, Sie dazu aufzufordern, nicht ihre Fantasie sterben zu lassen, nur noch rational zu denken und sich durch stumpfsinnige Medieninhalte berieseln zu lassen. Nein, stattdessen sollten Sie sich wieder Fantasiewelten erschaffen und darüber hinaus, sich ihrer Fantasie immer bedienen, wenn sie sich mit den verschiedenen Dingen und deren Auswirkungen auseinandersetzen. Erst die Benutzung ihrer Fantasie wird ihnen manchmal ermöglichen, das große Ganze und komplexe Abfolgen von Ereignissen richtigen abzuschätzen und sich dadurch richtig zu verhalten oder komplexe Probleme lösen zu können.

In diesem Sinn: „Fantasieren Sie schön!“

Published inIch Erdling

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