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Ich Erdling 16: Dunkle Flecken in der Vergangenheit

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Blicke ich auf mein vergangenes Leben zurück und beschäftige mich eingehend mit ihm, so stelle ich fest, dass es dunkle Flecken in ihm gibt. Bei diesen dunklen Flecken handelt es sich meist um Taten, für die ich mich rückblickend schäme oder bei denen mir schlecht wird, wenn sich die Erinnerungen an diese Momente bildhaft vor meinem inneren Auge manifestieren. Der Grund dafür ist, dass ich selbst nicht mehr verstehen kann, wie ich zu den besagten Taten fähig war. Dass ich im Rückblick diese Taten als dunkle Flecken wahrnehme, hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich mich im Laufe meines Lebens weiterentwickelt und meinen Horizont erweitert habe, wodurch ich jetzt bestimmte Dinge mit anderen Augen sehe. Darüber hinaus nehme ich meine vergangenen Taten, als besonders arg war, wenn sie meinen eigenen Prinzipien zuwider liefen und ich mich selbst fragen muss, warum ich in dieser oder jener Situation nicht meinen Prinzipien treu geblieben bin.
Doch auch wenn es dunkle Flecken in meiner Vergangenheit gibt, deren ich mich heute schäme, so belasten sie, abgesehen von einigen wirklich sehr dunklen Stunden, mir mein Leben nicht. Das wäre vielleicht der Fall, wenn ich Taten begangen hätte, die gegen die gesellschaftliche Norm verstießen und ich aufgrund ihrer im gesellschaftlichen Abseits leben müsste. Doch das ist eigentlich bei keinem meiner dunklen Flecken der Fall. Vielleicht bestimmten die dunklen Flecken auch mehr mein Leben, wenn ihre Ursache extrinsischen Ursprungs wäre, also wenn ich einen schweren Schicksalsschlag erlitten hätte, den ich nicht selbst zu verschulden hatte oder wenn mir jemand körperlichen oder seelischen Schmerz zugefügt hätte, welcher meine Seele zerstörte. Doch von schweren extrinsischen Seelenverletzungen und von schweren Schicksalsschlägen blieb ich mein Leben lang verschont. Ich muss zwar sagen, dass ich einige sehr raffe Jahre durchlebte, die schwere und dunkle Jahren waren. Es waren Jahre, in denen ich mehr oder weniger im gesellschaftlichen Abseits lebte, doch egal wie häufig ich in diesen Jahren auch gesellschaftlich stürzte, so stand ich doch immer wieder auf oder kroch doch zumindest weiter, bis ich eine Treppe erreichte, an der ich mich langsam hochziehen konnte, um so Stufe um Stufe die dunklen Jahre hinter mir zu lassen. Wobei, „dunkle Jahre“ ist vielleicht die falsche Bezeichnung. Diese Jahre müsste ich eher als schwer durchzustehende Jahre bezeichnen, denn wirklich dunkel waren sie nie. Es waren einfach schwere Jahre, die mich prägten, formten und stärker machten. Diese Jahre waren ein Teil meiner Entwicklung, die mich schließlich zu dem Mensch werden ließen, der ich heute bin.
All die dunklen Momente und Jahre, die ich in meinem Leben verlebte, wurden erst zu dunklen Flecken, wenn ich sie wieder besseren Wissens, sei es damals oder aus heutiger Sicht, mutwillig selbstverschuldete. Schon in jungen Jahren merkte ich, dass ich auf die Dinge, die von Außen auf mich einstürzen und mich versuchen herunterzuziehen, nur bedingt Einfluss nehmen kann und so versuchte ich aus solchen Momenten, trotz allem, das Beste zu machen. Ich wollte das Beste aus ihnen machen, um am Ende gestärkt aus ihnen hervorzugehen und um nicht als Wrack, das Zerschlagen mit der Strömung treibt, ohne die Hoffnung zu haben, ihr je wieder zu entkommen, meine verbleibende Lebenszeit zu verbringen. Was die selbstverschuldeten dunklen Flecke betrifft, so werde ich mein Leben lang mit ihnen leben müssen. Ich kann zwar noch versuchen, wo es möglich ist, Abbitte zu leisten und wenn es sich um dunkle Flecken handelt, die ihren Ursprung darin haben, dass ich anderen Lebewesen Unrecht oder Leid zufügte, dieses zu lindern. Doch ungeschehen oder vergessen machen, werde ich die Taten, die zu den dunklen Flecken wurden, niemals können. Das wichtigste, dass mir zu tun bleibt, ist aus ihnen zu lernen und mir immer wieder vor Augen zu führen, zu was ich, auch wenn ich es nicht bewusst möchte, fähig bin. Es bleibt mir, diese dunklen Flecken als Mahnung und Ansporn zu nehmen, um nie wieder in entsprechenden Situationen oder im Generellen, wie in diesen dunklen Flecken meiner Vergangenheit zu handeln.
Lernte ich nichts für mein Leben aus den dunklen Flecken, die sich in meiner Vergangenheit befinden, und versuchte ich nicht ein erneutes Eintreten der Geschehnisse, die zu den dunklen Flecken führten, zu verhindern, so wäre ich ein Ignorant und / oder Heuchler. Ein Ignorant, da ich scheinbar das, was ich selbst als schlimm erkenne, nicht versuchte zu beseitigen und ein Heuchler, da ich nicht das täte, was ich anderen Menschen als richtiges Verhalten nahelege. Wie anders, als einen Heuchler, könnte man mich auch nennen, wenn ich meine Prinzipien sofort über Bord würfe, sobald ich in eine Situation geriete, in der das Vertreten meiner Prinzipien wirklich schwierig wäre, da eigentlich alle äußeren Umstände gegen das Einhalten von ihnen sprächen. In einer Situation, wo die Wahrung meiner Prinzipien und meiner Integrität, mit persönlichen Ungemach verbunden wäre?

Zum Schluss bleibt mir nur noch zu sagen, dass ich froh bin, dass ich, um die dunklen Flecken in meiner Vergangenheit weiß, denn dadurch kann ich mir Maßnahmen überlegen, um ihr wiederkehren zu verhindern. Schlecht wäre es, wenn ich nach über dreißig Lebensjahren keine dunklen Flecken in meiner Vergangenheit sähe, denn das hieße entweder, dass ich mich nicht weiterentwickelt hätte und ich immer noch all das, was ich im Laufe meines Lebens tat, als richtig empfände oder es hieße, dass ich einfach nicht die Stärke habe, mir meine eigenen Fehler einzugestehen. Manch einer mag ja behaupten, dass es auch eine dritte Möglichkeit gibt, nämlich die, das man immer perfekt und im Einklang mit sich, seiner Umwelt und der Natur gelebt habe und man deswegen keine dunklen Flecke in der Vergangenheit sähe. Doch ein Mensch, der das behauptet, hat sich sehr wahrscheinlich noch nie ausgiebig mit seiner Vergangenheit beschäftigt oder er leidet einfach an Hybris.

Wie dem auch sei. In meinem Leben gibt es, wie in bestimmt jeden Menschenleben, dunkle Flecken in der Vergangenheit. Ich schäme mich nicht, das offen zuzugeben und sie trotzdem oder gerade deswegen als einen Ansporn zu nehmen, um ein immer besseres Leben im Einklang mit mir, meiner Umgebung und der Natur zu führen.

Published inIch Erdling

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