Zum Inhalt springen

Ich Erdling 17: Vom Dorf

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Idyllisch liegt das Dorf zwischen Wäldern oder Feldern, inmitten der Natur. Wildtiere streifen in der Umgebung umher, Insekten summen ihr Lied und die Vögel singen zur Begrüßung des Morgens auch ein wunderschönes Lied. Ach, was für ein schönes Bild. Doch diese Vorstellung trügt. Keiner, der einen realistischen Blick für die Dörfer in Deutschland hat, wird das typische deutsche Dorf, in diesem idyllischen Bild wiederfinden. Doch warum hält sich trotzdem immer noch diese „romantische“ Vorstellung von Dörfern in den Köpfen der Menschen? Liegt es vielleicht daran, dass viele, die solch einen verklärten Blick auf die Dörfer haben, selten auf dem Land und in den Dörfern sind? Liegt es daran, dass viele Städter Dörfer nur kurz, für einen Tagesausflug oder für einen Erholungsurlaub besuchen und deshalb mehr im Schein als im Sein schwelgen?
Wie dem auch sei, heutzutage gibt es, zumindest in Deutschland, kaum noch die Dörfer, von denen man schwärmen kann. Ein Grund dafür ist, dass viele Dörfer, wenn sie zu weit von größeren Städten entfernt liegen und eher klein sind, nicht selten über eine mangelhafte Infrastruktur verfügen, die darüber hinaus sehr teuer ist und über Haushaltsabgaben bezahlt werden muss. Diese Disbalance aus romantischer ländlicher Idylle und schlechter, teurer Infrastruktur und weiten Wegen zu Einkaufsmärkten, Ärzten, etc. führt dazu, dass die Dörfer, die man am ehesten noch vor seinem inneren Auge sieht, wenn man vom idyllischen Dorf träumt, aussterben. Der zweite Grund dafür, dass es nur noch wenige Dörfer gibt, die man als idyllisch und naturnah bezeichnen kann, ist, dass in den Dörfern, die sich in den Speckgürteln von Städten befinden, die Natur zugepflastert und zerstört wird. In diesen Dörfern wird i.d.R. immer neues Bauland ausgeschrieben, um mehr und mehr Wohnhäuser im Dorf zu bauen. Durch dieses Vorgehen findet eine Verdichtung des Wohnraums statt und es werden sowohl ehemalige Dorfwiesen, als auch Grundstücksflächen, die mehr oder weniger naturbelassene Flächen waren, versiegelt. Doch damit nicht genug. Zusätzlich zu der Zerstörung von Naturflächen in den Dörfern wird auch die Natur, die die Dörfer umgibt, immer mehr zerstört. So sind nur noch die wenigsten Dörfer von unberührter und artenreicher Natur umgeben. Nein, das sind sie wahrlich nicht mehr! Mittlerweile sind viele Dörfer von Monokulturen umgeben. Sein es Monokulturen auf Feldern oder Monokulturen in Wäldern, in denen schnell wachsendes Holz zur Vermarktung angebaut wird.

Doch trotz, dass das Dorf nicht mehr die Idylle bietet, die sich viele, wenn sie an Dörfer denken, vorstellen, so zieht es doch immer wieder Menschen aus der Stadt aufs Land und in die Dörfer. Begeistert zieht der ein oder andere aufs Land, um sich seinen Traum vom eigenen Garten, einem ruhigen Lebenssitz, etc. zu erfüllen. Doch wenn die erste Euphorie verschwunden ist, kommt meistens die bittere Ernüchterung. Der Grund dafür ist, dass viele der Träumer mit der Zeit merken, dass sie für die einfachsten Dinge, wie z.B. einkaufen oder zum Arzt zu gehen, weite Strecken zurücklegen müssen. Sie merken, dass selbst die Besuche von Kulturveranstaltungen mit langen Anreisewegen verbunden sind, da im Dorf, sprichwörtlich, abends die Bürgersteige hochgeklappt werden. Darüber hinaus erfolgt bei den Menschen, die sich ein Grundstück oder ein Haus mit Garten kaufen, häufig eine Ernüchterung, wenn sie realisieren, welche Arbeit mit einem Grundstück verbunden ist. Sie unterschätzten, dass ein Garten und die eventuell enthusiastisch neu angelegten Beete gepflegt und gewässert werden wollen, und das regelmäßig. Sie bedachten nicht, dass Eigentum verpflichtet, obwohl selbst die Väter und Mütter des Grundgesetzes das erkannten und im Artikel 14 Paragraf 2 festhielten „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
So besitzen diese Menschen einen Garten und fluchen vor sich hin, da sie realisieren, dass sie nicht mehr einfach im Urlaub verreisen können, wenn sie ihren Garten am Leben erhalten wollen, da z.B. bei längerer Trockenheit die Pflanzen gewässert werden müssen. Ist schließlich die erste Euphorie verflogen, bemerken sie auch häufig die triste, monotone Landschaft, die die Dörfer umgibt, und die eigentlich nichts mehr mit ihren „romantisierten“ Blick aufs Dorf zu tun hat. Handelt es sich bei den betreffenden Dorfbewohnern um wirklich aufmerksame Menschen, bemerken sie vielleicht auch, dass die Umweltverschmutzung auf dem Dorf allgegenwärtig ist. Überall an den Wegen und Wiesenrändern sammeln sich Plastik und Folienstücke, die achtlose Menschen einfach in die Landschaft warfen und dazu auch noch die allgegenwärtigen Zigarettenstummel, die sich in Vertiefungen an Wegesrändern und in Sickerlöchern sammeln.

An diesem Punkt kommt dann bei den meisten Menschen eine zweite Welle der Ernüchterung und je nachdem welche Art von Mensch die betreffende Person ist, nimmt sie eine von zwei Formen an. Der Umweltliebhaber wird vielleicht seinen Garten zum Paradies für alle Lebewesen machen, doch daran verzweifeln, wie andere Menschen die Natur verschandeln und zerstören. Die andere, meiner Meinung nach häufigere Art der Ernüchterung sieht dagegen so aus, dass der gemeine Dorfbewohner „sterile Gärten“ anlegt. Mit sterilen Gärten meine ich, dass sie entweder weite Flächen ihres Grundstückes zupflastern, Unkrautvlies in den Erdboden einbringen oder weiträumig Rasen anlegen, den sie einmal wöchentlich Mähen, indem sie sich für eine Stunde auf ihre Aufsitzrasenmäher schwingen. Sie tun das, damit keine unerwünschte Pflanze in ihren Garten wächst, blüht und Samen ausbringt, denn sie wollen keine „wilden“ Pflanzen in ihren Gärten, die das „Gartenbild“ stören und / oder ihnen Arbeit machen. Darüber hinaus stutzen sie all ihre Pflanzen und umgeben sie auch noch häufig mit Steingärten, auf das sie für die Gaffer in Reih und Glied stehen. Sie denken, nur mit gewollten, in Form gepressten Pflanzen, sähen die Gärten gut aus und sein darüber hinaus so pflegeleicht, dass sie Freude an ihnen hätten. Dabei sehen diese Menschen nicht, dass sie durch ihre „sterilen Gärten“ Naturräume zerstören und die Artenvielfalt bedrohen, da in ihren „sterilen Gärten“ keine Nahrung mehr für jegliches tierisches Leben wächst und selbst die Mehrzahl der Pflanzen als Feind betrachtet wird.

So zerstören die Menschen nach und nach noch den letzten Rest von Idylle, die ein Dorf in ihrer Vorstellung ausmachte, und sind dadurch kein Teil einer möglichen Lösung, sondern ein Teil des Problems.

Was mich betrifft, so bin ich einer derer, die gerne auf dem Land, also in einem Dorf, leben. Ich bin einer der Unverbesserlichen, der in seinem Garten so vielen wilden Tieren wie möglich einen Lebensraum bieten möchte. Ich bin einer der wenigen, der gerne wilde Pflanzen und Wildblumenwiesen im Garten hat, und dem es egal ist, wenn sich die Nachbarn mal wieder an dem Anblick, der kaum in ihre Schranken gewiesenen Natur, stören. Denn wenn man ehrlich ist, so erfüllt der wilde z.T. naturbelassene Garten, der mir als idealer Garten erscheint, eher den im Artikel 14 Paragraf 2 formulierten Anspruch an Eigentum, als ein „steriler Garten“, denn totes versiegeltes Land bringt keinem Menschen einen langfristigen Nutzen und somit der Allgemeinheit gar nichts.
Ich bin auch einer der Wenigen, die am liebsten ganz aufs Auto verzichteten und alle Strecken zu Fuß, mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegte, denn nur so kann man die Natur, die mir wichtig ist, versuchen zu bewahren. Doch wie gesagt gibt es nur wenige die so denken und während ich diese Zeilen schreibe, fahren die SUVs durch den Ort, mit denen die Leute selbst die kürzesten Strecken, für die geringsten Besorgungen und Besuche, zurücklegen.

Wo bitte sind nur die Menschen, die das, was sie suchen und schätzen, auch versuchen zu bewahren? Wo sind nur die Menschen, die nicht nur groß reden, sondern, auch wenn es mit Arbeit verbunden und manchmal schwierig ist, Verzicht üben und handeln?

Diese Menschen gibt es fast überall, doch sind sie leider eine kaum wahrnehmbare Minderheit, die hinter einer ignoranten oder heuchlerischen Schicht von Menschen, denen Bequemlichkeit vor Natürlichkeit, Verzicht und Naturbewahrung geht, fast verschwindet.
Wie diese Menschen hinter einer Schicht von Ignoranten verschwinden, so verschwinden nach und nach auch die letzten idyllischen Dörfer und totes Land breitet sich aus. Totes Land, auf dem Monokulturen wachsen, Häuser stehen oder immer neue Straßen angelegt werden. Den Menschen, die vor solch einem toten Land aus den Städten flohen, sei an dieser Stelle gesagt, dass sie nicht selten das tote Land mit sich bringen. Vielleicht wollen sie es nicht, aber dennoch folgt es ihnen häufig auf Schritt und Tritt.

An diesem Phänomen wird sich wahrscheinlich nichts ändern, solange Bequemlichkeit für viele Menschen das wichtigste Gut ist und sie aufgrund ihrer, möglichst wenig Arbeit in ihren Gärten verrichten wollen und sie dieser Bequemlichkeit viele ihrer Prinzipien und Träume unterordnen.

Published inIch Erdling

Diese Webseite verwendet nur technische Cookies, die zur Funktion der Webseite notwendig sind. Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du ihrer Verwendung zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen