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Ich Erdling 20: Von Wahlen und der Demokratie

Geschätzte Lesezeit: 10 Minuten

Wir leben, auch wenn manche das ein ums andere mal daran zweifeln sollten, in einer Demokratie. In einer Demokratie, in der alle Macht vom Volk ausgeht bzw. ausgehen sollte. Doch ist dem wirklich so? Manchmal habe ich Zweifel daran. Der Grund für meine Zweifel ist, dass eine Demokratie, sowie alle demokratischen Prozesse, von der Beteiligung aller Wahlberechtigten lebt. Die einfachste Art der Beteiligung ist dabei, regelmäßig an Wahlen teilzunehmen. Dabei sei erst einmal dahingestellt, ob man am demokratischen Prozess der Wahl aufgrund des aktiven oder des passiven Wahlrechts teilnimmt.
Da es bestimmt manchen Bürger schwerfällt, sich etwas unter dem aktiven und unter dem passiven Wahlrecht vorzustellen, möchte ich hier eine kurze Einführung in diese zwei Arten des Wahlrechtes geben. Um zu verstehen, was das aktive und was das passive Wahlrecht ist, muss man wissen, dass es diese Arten des Wahlrechts bei vielen demokratischen Prozessen gibt. Dabei gewährt das aktive Wahlrecht den Menschen, die zur Wahl zugelassen sind, die Möglichkeit, einen Vertreter für ihre Interessen, in das jeweilige Gremium, sei es Parlament, Gemeinderat oder auch Betriebsrat, etc. zu wählen. Das passive Wahlrecht hingegen gewährt einem die Möglichkeit, sich selbst zur Wahl zu stellen und sich in eines der obig genannten Gremien wählen zu lassen. Soweit, so gut. Das könnte man zumindest meinen. Doch die Realität sieht meines Erachtens anders aus.
Der Grund für diese, meine Einschätzung ist, dass es für die beiden Arten des Wahlrechts in aller Regel verschiedenste Qualifizierungs- und Zulassungskriterien gibt, die ein Mensch erfüllen muss, bevor er sich entweder aktiv oder passiv am Wahlprozess beteiligen kann. Mit den Zulassungskriterien beginnt dann auch das ein ums andere mal die Diskriminierung und der Ausschluss bestimmter Personen oder Menschengruppen. Bei den ausgeschlossenen Menschen handelt es sich dabei häufig um Personen, denen von den „herrschenden“ Eliten der jeweiligen „demokratischen“ Struktur, die Fähigkeit aberkannt wird, qualifizierte Entscheidungen, im Sinne des betreffenden demokratischen Organs, zu treffen. So dürfen bspw. bei einer Bundestagswahl in Deutschland nur Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft wählen, die ein gewisses Alter haben und darüber hinaus eine gewisse Zeit ihren Wohnsitz in Deutschland haben bzw. hatten oder aber Auslandsdeutsche sind, die mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik vertraut und von ihnen betroffen sind, usw. usf. Ausschlusskriterien wie diese können manchmal sinnvoll sein, wenn die betroffenen Personen nicht oder nur kaum von den Entscheidungen der gewählten Vertretung betroffen sind. An dieser Stelle bietet sich vielleicht das Beispiel eines gewählten Betriebsrates an, der die Interessen der Mitarbeiter einer Firma gegenüber der Firmenführung vertritt. Im Falle des Betriebsrates ist es ersichtlich, dass nur die Mitarbeiter der Firma ein Wahlrecht haben und nicht Firmenfremde, die von Entscheidungen, die zwischen Betriebsrat und Firmenführung ausgehandelt werden, kaum oder gar nicht betroffen sind. Liegt aber der Wahlausschluss von Personengruppen, die von den Entscheidungen des politischen Organs stark betroffen sind, vor, so liegt dieser Ausschluss nur allzu oft darin begründet, dass die „Eliten“ einen Wahlausgang unter Beteiligung dieser Personengruppen fürchten, da andere demokratisch gewählte Vertreter, die bisherigen ablösen könnten. Es könnte dann bei der Wahl dazu kommen, dass Vertreter gewählt werden, die vielleicht Entscheidungen träfen, die nicht im Interesse der bisherigen Eliten liegen oder ihren Plänen für die Zukunft zuwider laufen. An dieser Stelle sei z.B. das Frauenwahlrecht genannt, dass häufig den Eliten eines Patriarchats, ein Grauen ist, da es dazu führen kann, dass Frauen in politische Gremien gewählt werden, die wiederum mit ihren Entscheidungen die Macht der Männer beschneiden und die Rechte der Frauen ausbauen. Natürlich möchte ein Mann, der das Patriarchat lebt und liebt, so etwas nicht und aufgrund dessen wird er versuchen, Regeln aufzustellen, die Frauen sowohl beim aktiven als auch beim passiven Wahlrecht behindern. So kann es dazu kommen, dass Frauen bei den Wahlen diskriminiert werden, obwohl sie von den Entscheidungen, die die demokratisch gewählten Eliten treffen, genauso, wenn nicht manchmal sogar stärker betroffen sind, als die Männer. Solche und ähnliche Diskriminierungen von bestimmten Menschen, durch die Eliten, führen das ein ums andere mal dazu, dass ein demokratisch gewähltes Gremium Regeln aufstellt oder, wenn es sich um ein legislatives Gremium handelt, Gesetze erlässt, die die eigene Macht festigen und unliebsamen Menschen die Wahl erschweren oder unmöglich machen. Bei diesen Vorgängen spielt nicht selten der eigene Egoismus und die Interessen des Großkapitals eine entscheidende Rolle. Schließlich heißt es nicht umsonst: „Wer hat, dem wird gegeben.“ wobei es eigentlich i.d.R. heißen müsste: „Wem politische und finanzielle Macht gegeben, der wird sie (häufig) versuchen, um (fast) jeden Preis zu erhalten oder sogar auszubauen.“ Die Rolle, die das Kapital dabei einnimmt, beschreibt dagegen der Spruch: „Geld regiert die Welt“ am besten, denn wenn das Kapital mit Wohlstand lockt oder mit Abzug droht, steht der Interessenvertreter häufig Gewehr bei Fuß, um Befehle der Kapitalverwalter zu empfangen und auszuführen, wie es in Deutschland z.B. bei den Interessen der Automobilindustrie der Fall ist, wie man am Umgang mit dem Dieselskandal und der Verhinderung und Aufweichung von Abgasgrenzwerten sehen kann.
Über kurz oder lang führt dieses von mir kritisierte Verhalten der „gewählten Vertreter“ dazu, dass der Körper eines demokratischen Organs anfängt, vom Kopf her zu stinken und zu verfaulen. Vom Kopf her breitet sich dann die Fäulnis immer weiter aus, bis nach und nach der gesamte demokratische Körper verfault ist. Am Ende ist schließlich nur noch der matschige und aufgedunsene Leib, des einstigen demokratischen Körpers übrig und ein paar Maden die sich genüsslich an ihm laben.
Doch auch wenn es viele glauben, so stirb ein demokratisches Organ oder eine Demokratie an und für sich nicht besonders schnell. Nein, meistens haben die Wahlberechtigten die Chance, den Fäulnisprozess zu stoppen. Diese Chance bietet ihnen jede Wahl, bei der sie den vorhergehend gewählten Entscheidungsträgern das Vertrauen entziehen und so den faulenden Kopf, des demokratischen Organs, abschlagen können. Sie können den demokratisch gewählten Entscheidungsträgern ihre Zustimmung und somit ihre Legitimation entziehen und neue wählen, die noch nicht verdorben sind und die aufgrund dessen wieder Leben in das jeweilige demokratische Organ bringen. Leider muss man aber sagen, dass es zu solch einer Selbstreinigung des demokratischen Organs nur selten kommt. Der Grund dafür ist, dass die Menschen, die sich zur Wahl stellen und die, die „Macht“ um fast jeden Preis haben oder behalten wollen, häufig gezielt die Ängste ihrer (potentiellen) Wähler schüren. Sie schüren die Ängste, um sich daran anschließend als einzige mögliche Lösung für das Problem zu präsentieren. Werden diese Menschen dann gewählt, machen sie häufig keine zukunftsträchtige Politik bzw. treffen keine zukunftsfähigen Entscheidungen, sondern höchsten Entscheidungen, die ihnen selbst nutzen oder die dafür sorgen, dass ihre Wähler noch ein paar Jahre in einer Blase, die nichts mehr mit der Realität zu tun hat, und vielleicht schon seit Jahrzehnten der Vergangenheit angehört, leben können. Teilweise halten die Vertreter ihre Wähler bewusst in Angst, um wiedergewählt zu werden und teilweise erfüllen sie ihnen ihre materialistischen Wünsche. Man könnte auch sagen, dass ein Teil der gewählten Vertreter Zuckerbrot und Peitsche benutzt, um sich an der Macht zu halten, wobei das Zuckerbrot der materielle Wohlstand ihrer Wähler ist und die Peitsche, die ständig geschürte Angst, dass es mit ihrer Lebensweise und ihrem materiellen Wohlstand bald vorbei sein könnte, sollten die Wähler sie nicht wieder wählen. Das machen die gewählten Vertreter solange, bis schließlich doch, meistens mit einem großen Knall, die Realität Einzug in ihre Leben hält. Doch wenn diese Blase der Ignoranz platzt, ist es für überlegte und bedachte Aktionen meist zu spät. In diesem Moment können diese Vertreter und ihre Wähler nur noch hektisch und kopflos reagieren. Ein Grund dafür, dass sie dann nur noch kopflos reagieren können, ist, dass die Vertreter, die nur nach Macht strebten, häufig nur bedingungslos ihr eigenes und das Verlangen ihrer Wähler, die häufig Angst vor Veränderung und Neuem hatten, bedienten und sich dadurch nicht auf das zukünftige vorbereiteten. Darüber hinaus beschwören solche Vertreter häufig das Konservative, dass sich eigentlich schon selbst überlebte, und verspielen dadurch kostbare Zeit und nicht selten die Zukunft ihrer Wähler und zukünftiger Generationen. Doch solange sie sich und ihren Wohlstand im Moment zelebrieren können, stört sie das nicht. Für sie und ihre Wähler zählt häufig einzig, im Überfluss, im Hier und Jetzt, zu leben und diese materielle Vormachtstellung möglichst lange zu erhalten.
Abgesehen von den Wählern, die sich der Zukunft verschließen und alleinig Parteien wählen, die ihnen materiellen Wohlstand im Überfluss und eine sich nicht ändernde soziale Struktur der Gesellschaft versprechen, gibt es auch die Wähler, die ihre Stimmen Vertretern geben, die der Demokratie und dem demokratischen Prozess des Wählens und Wählenlassens, also der sogenannten „Herrschaft des Volkes“ kritisch gegenüberstehen und sie am liebsten abschafften. Diese Wähler geben Personen ihre Stimme, die am liebsten wieder feudale Strukturen installierten. Wenn ich mit solchen Wählern in Kontakt komme, frage ich mich immer, ob sie es müde sind, aufgeklärte Bürger zu sein? Ich frage mich, ob sie es leid sind, ein selbstbestimmtes, verantwortungsbewusstes Leben zu führen, und sich aufgrund dessen von feudalen Strukturen eine Erleichterung ihrer Leben versprechen. Eine Erleichterung für ihre Leben, da in feudalen Strukturen andere fast alle Entscheidungen für sie träfen und sie einfach nur noch nach den Vorgaben der Herrschenden und somit fremdbestimmt leben müssten. Tief in mir drinnen kann ich nicht glauben, dass es Menschen gibt, die der Demokratie und dem Gedanken der Aufklärung so müde sind, dass sie alle Verantwortung und alle Möglichkeit der Teilhabe ablehnen. Ich kann kaum glauben, dass es Menschen gibt, die ihre Stimmen Vertretern geben und sie somit wählen, obwohl das Ziel dieser Vertreter ist, ihnen genau diese Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Politik zu nehmen.
Was die Menschen, die sich mit der Forderung, die demokratischen Prozesse und Strukturen abzuschaffen, zur Wahl stellen, betrifft, so kann ich ihre Beweggründe meistens verstehen. Der Grund für mein Verstehen ist, dass ich sehe, dass die Beweggründe für sie meist das Erreichen und Erhalten ihrer Macht und ihres Wohlstandes sind. Diese Menschen sehen häufig die Demokratie und demokratische Prozesse als eine Gefährdung ihres Wohlstandes und ihrer Position. Wie gesagt, ich verstehe die Motivation dieser Menschen, die wieder zurück zum Feudalismus möchten und sich mit ihren Forderungen zur Wahl stellen, doch teilen tue ich ihre Ansichten nicht. Im Gegensatz zu diesem Streben nach Macht, kann ich aber absolut nicht verstehen, was sich der gemeine Wähler davon verspricht, solchen Menschen seine Stimme zu geben, vor allem dann, wenn er selbst nicht zu den Privilegierten in der jeweiligen demokratischen Organisation oder Struktur gehört.

Ich vertrete aus ganzem Herzen die Überzeugung, dass es bei Wahlen nicht darum gehen darf, Personen seine Stimme zu geben, die bedingungslos ihre Interessen und die Interessen ihrer Klientel, auf Kosten der Zukunft und anderer Lebewesen, vertreten. Meine Überzeugung ist dagegen, dass alle gewählten Vertreter die Konsequenzen ihres Handelns sehen und verstehen müssen, und dann so handeln, wie sie denken, dass es dem Planeten, der Umwelt und den Menschen wirklich und auf lange Sicht nutzt. Dabei kann es unterschiedliche Auffassungen und Möglichkeiten geben, den Weg in die Zukunft zu gehen, doch sollte er niemals ignorant und rückwärtsgewandt sein, sondern stets mit bedacht und dem Willen, eine bessere und lebenswertere Zukunft für alle Lebewesen zu schaffen. Eine Zukunft, in der die Umwelt nicht länger vergiftet, zerstört und ausgebeutet wird und alle Menschen und andere Lebewesen gleichberechtigt und frei leben können.
Gerade wir, die sich selbst häufig rühmen, eine aufgeklärte Gesellschaft zu sein und die Ideale der Aufklärung zu leben, müssen doch die Konsequenzen unseres eigenen Handelns erkennen und verstehen. Wir müssen doch verstehen, dass wir nicht weiter wie bisher machen können und uns nicht auf Kosten anderer und / oder der Umwelt bereichern dürfen. Und gerade deswegen müssen wir aktiv die Demokratie mitgestalten und unseres persönliche Wohl und unseren Pseudowohlstand auch mal hinter dem großen Ganzen anstellen.

An dieser Stelle möchte ich jetzt jeden Wahlberechtigten dazu aufzufordern, sich seiner Verantwortung bewusst zu werden und sich ihr zu stellen. Jeder, der das Recht hat, sich an Wahlen zu beteiligen, sollte diese Chance der Einflussnahme auf demokratische und politische Prozesse wahrnehmen. Sei es dadurch, dass er wählen geht und seine Stimme einem Vertreter gibt, der verspricht zukunftsträchtige Politik zu machen. Einem Vertreter, den er ggf. abwählt, wenn er sein Versprechen bricht und nur eigennützige und / oder nicht zukunftsfähige Entscheidungen trifft. Oder dadurch, dass er sich selbst zur Wahl, für eine der verschiedenen demokratischen Vertretungen, stellt und selbst zukunftsfähige Politik betreibt.

Zum Schluss bleibt mir nur noch zum Ausdruck zubringen, dass ein Wahlberechtigter niemals nur mit dem Blick für sich und sein eigenes mickriges Leben wählen gehen sollte. Nein, ein Mensch, der in einer Demokratie lebt und sie liebt, sollte immer einen Blick auf das große Ganze haben. Er sollte so wählen, dass es für die Erde, die Natur, die Tiere und andere Menschen noch eine lebenswerte Zukunft gibt und niemals jemanden, der die Vergangenheit beschwört und / oder glorifiziert, obwohl sie sich bereits selbst überlebte. Eins ist nämlich universell auf unserer Erde gültig: „Die Zeit kann niemals zurückgedreht werden, um verpasste oder falsch getroffene Entscheidungen, im Nachhinein, vollständig zu korrigieren. Nein, man kann immer nur die Gegenwart und die Zukunft gestalten.“

Published inIch Erdling

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