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Ich Erdling 21: Von den Deutschen und ihren Autos

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Was lieben viele Deutschen mehr als ihre Gesundheit und eine intakte Umwelt? Ihr Auto! Zumindest könnte man das meinen, wenn man sich den Umgang und die Einstellung vieler Deutscher zum Thema „Automobil“ vor Augen führt. Meine Einschätzung hat ihren Ursprung in der Betrachtung der Diskussionen über Fahrverbote, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Schadstoffgrenzwerte, sowie der Beobachtung, dass das Auto für viele Deutsche ein unverzichtbares Statussymbol ist.
Betrachtet man sich darüber hinaus die Politik und ihre Verflechtungen mit der Automobilindustrie in Deutschland, so stellt man fest, dass wir, in einigen Bereichen des öffentlichen Lebens, eigentlich von Automobilkonzernen und ihren Lobbyisten regiert werden, und nicht von politischen Vertretern, die die Interessen und die Gesundheit des gesamten Volkes im Blick haben. Diese Verstrickungen führen dazu, dass sich einige, leider nicht wenige, Politiker zu Handlagern einer Industrie machen, die ihre Kunden in Bezug auf die Schadstoffwerte ihrer Fahrzeuge belügt und strengere Grenzwerte für Schadstoffe sowohl auf Landes- als auch auf Europaebene immer wieder torpediert. So ist es auch nicht verwunderlich, dass einige deutsche Politiker, vor einigen Jahren, auf europäischer Ebene durchsetzten, dass sich die CO2-Grenzwerte und somit auch der Energieverbrauch von Fahrzeugen an ihrem Gewicht orientierte, wodurch schwere Fahrzeuge auf einmal umweltfreundlicher als leichte Fahrzeuge erschienen. Es kam dazu, dass schwere Fahrzeuge, obwohl sie absolut betrachtet mehr CO2 ausstießen und mehr Treibstoff als leichte Fahrzeuge verbrauchten, bessere Energieeffizienzklassen erreichten.
Doch das war nur die Spitze des Eisberges. In meinen Augen machte sich die Politik auch damit lächerlich, dass sie Grenzwerte und gesetzliche Regelungen verwässerte bzw. deren Ahndung erschwerte, indem sie neue Gesetze beschloss, die die alten Gesetze einschränkten. Das geschah häufig dann, wenn die Politiker bemerkten, dass einige gesetzlich festgeschrieben Grenzwerte, z.B. die von Stickoxiden, in einigen Städten nicht erreichbar waren. Dabei waren die Grenzwerte u.a. nicht erreichbar, da Automobilhersteller jahrelang Fahrzeuge verkauften, die nur auf dem Prüfstand die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte erreichten und dadurch, im Moment, kein Weg an verkehrsfreien Innenstädten, zumindest was Verkehrsmittel mit Verbrennungsmotor betrifft, vorbeiführte.

Doch die Politiker, die sich zu Handlangern der Automobilindustrie machen, sind nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die Bevölkerung, die dieses Verhalten der Politiker entweder fordert und gutheißt oder es zumindest toleriert. Es gibt zwar auch einige Bürger, die sehen, wie einige Politiker ihre Interessen verraten und sie aufgrund dessen dazu auffordern, diese Scharade zu beenden, doch ist das die Mehrheit der Bürger? Sind die Bürger es wirklich Leid, dass ihre Interessen hinter den Interessen der Automobilindustrie zurückgestellt werden oder handeln viele von ihnen nur aus Eigeninteresse, wenn sie Automobilhersteller und Händler verklagen? Aus Eigeninteresse, da sie Vergleichsangebote der Automobilindustrie annehmen, die die Automobilindustrie, das ein ums andere mal, ganz plötzlich bereit ist anzubieten, wenn ein gegen sie angestrebtes Gerichtsverfahren Aussicht auf Erfolg hat? Sie, die Automobilindustrie, bieten auf einmal einen Vergleich an, da ein Verfahren, wenn der Kläger auf den Vergleich eingeht, eingestellt wird und es zu keiner Grundsatzentscheidung und endgültigen Klärung des Sachverhaltes kommt. Und was tut der gemeine Bürger? Er geht i.d.R. auf den Vergleich ein, wobei eine endgültige gerichtliche Klärung das Einzige wäre, was allen Betroffenen und Betrogenen nützte.
In meinen Augen handeln viele Menschen, auch von denen, die der Politik den Verrat ihrer Interessen vorwerfen, aus Eigennutz und klagen nicht aus Angst um die Umwelt, sondern wegen des Wertverlustes ihres Fahrzeuges und drohender Fahrverbote. Der Grund für meine Einschätzung ist, dass viele Deutsche ihr Auto als Statussymbol und den grenzenlosen Individualverkehr als ein ihnen zustehende Recht ansehen. Bei vielen von ihnen ist es nämlich das höchste Glück, wenn sie mit ihrem Auto überall, am besten ohne Geschwindigkeitsbegrenzung, hinfahren können. Durch diese Einstellung sehen sie Schadstoffgrenzwerte, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Fahrverbote in bestimmten Gebieten, als eine Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit und als Angriff auf ihren gesellschaftlichen Status. Diese Einschätzung bestätigen dann auch einige der Vertreter, der Autoliebhaber, mit Aussagen wie dieser: „Ich bin für grenzenlosen und uneingeschränkten Individualverkehr, mit dem Auto. Und weißt du warum? Da muss ich mir nicht mit asozialen und stinkenden Menschen einen Bus, einen Zug oder eine S-Bahn teilen. Nein, ich bin mein eigener Herr und kann fahren, wann und wohin ich will. Darüber hinaus steht es mir in meinem eigenen Fahrzeug frei, nur die Leute mitzunehmen, die ich mag.“
Hätte ich Aussagen wie diese nicht persönlich gehört, könnte ich nicht glauben, dass es Menschen gibt, die ihren motorisierten Individualverkehr so verteidigen. Das, was diese Aussage für mich darüber hinaus richtig schlimm erscheinen lässt, ist, dass ich sie auf ähnliche Art und Weise auch immer wieder von Leuten hörte und auch noch höre, die sich sonst eher nachhaltig geben und meinen, dass sie einen nachhaltigen Lebensstil pflegen. Ich hörte den Spruch von Menschen, die von sich selbst behaupteten, nachhaltig zu leben. Doch wo bitte ist der motorisierte Individualverkehr jemals nachhaltig? Jedem müsste doch bewusst sein, dass alle Rohstoffe, die man für motorisierte Fahrzeuge benötigt, selbst wenn es sich um elektrisch angetriebene Fahrzeuge handelt, auf Kosten der Umwelt gewonnen werden. Es müsste doch jedem bewusst sein, dass ein Hauptverursacher von Mikroplastik, das in die Umwelt gelangt, vom persönlichen Individualverkehr kommt, nämlich u.a. vom Reifenabrieb. Einige der Menschen, die den persönlichen, motorisierten Individualverkehr lieben und vehement verteidigen zeigen darüber hinaus, wenn es um Klimaschutz und Klimaschäden geht, immer auf andere Verursacher, sei es die Landwirtschaft, der Energiesektor, etc. Sie wollen nämlich nicht wahrhaben, dass jeder Sektor vom Verkehr über die Industrie bis hin zur Landwirtschaft dazu beitragen muss, dass wir in Zukunft nachhaltig und im Einklang mit unserer Umwelt, auf diesen Planeten, leben können. Diesem Ziel ist es dabei abträglich, dass ganze Personengruppen auf andere Verursacher von Treibhausgasen und Umweltschäden zeigen und gemeinsam rufen: „Aber die sind doch viel schlimmer. Die Auswirkung unseres persönlichen motorisierten Individualverkehrs sind im Vergleich zu den von ihnen verursachten Auswirkungen doch vernachlässigbar!“ Doch die Masse macht den Unterschied und jeder Einzelne trägt mehr oder weniger zum Gesamten bei und kann sich, meiner Meinung nach, nicht aus der Verantwortung ziehen, indem er mit dem Finger auf andere zeigt, ohne je selbst etwas zu tun. Kurz, solch ein Verhalten ist unreif und man bringt eigentlich schon Kindern bei, dass sie bei Fehlern nicht immer auf andere zeigen, sondern auch an ihren eigenen arbeiten sollen.
Doch viele Menschen sehen die Dinge nicht, wie ich sie sehen. Sie sehen nur das Auto, dass möglichst viele PS und / oder möglichst groß sein sollte. Sie sehen ihr Auto als Statussymbol und als Symbol ihrer Freiheit. Diese Einstellung führt schließlich auch dazu, dass viele Menschen, sollte doch einmal die Politik versuchen, nachhaltig steuernd in den motorisierten Individualverkehr einzugreifen, die Maßnahmen der Politik torpedieren und als Schröpfung des einfachen Bürgers brandmarken. Der Grund dafür ist, dass dem Staat, abgesehen von Verboten, nur zwei Möglichkeiten zum Eingriff auf den motorisierten Individualverkehr zur Verfügung stehen, nämlich über Steuern und Abgaben auf Fahrzeuge und Treibstoff. Doch diese Maßnahmen des steuernden Eingriffs, auch wenn es im Namen der Umwelt geschieht, lehnt ein Großteil der Bevölkerung ab. Sie sprechen von Wucher und von einem Angriff auf ihre Freiheit. Sie regieren so, als sperrte sie jemand unbegründet ins Gefängnis.

Ich, der solche Verhaltensweisen sehe, kann darüber nur meinen Kopf schütteln und dabei denken: „Viele Menschen werden nie bereit sein, die tatsächlichen Kosten für ihre Mobilität und ihren Lebensstandard zu bezahlen. Sie sind ja nicht einmal dazu bereit, kleinste Beiträge zu leisten. Beiträge, die vielleicht dazu führten, dass sie weniger Strecken mit dem Auto zurücklegten oder sich leichtere, sparsamere Autos zulegten und dadurch der Umwelt etwas weniger Schaden zufügten.“
Manchmal frage ich mich auch, wie Menschen, die den motorisierten Individualverkehr grenzenlos verteidigen, den Leidtragenden ihrer Mobilität, ihr rücksichtsloses und uneinsichtiges Verhalten erklärten. Wie erklärten sie den Lungengeschädigten, den Verletzten und Toten bei Unfällen, bei denen hohe Geschwindigkeiten und das große und unnötige Gewicht mancher Fahrzeuge z.B. SUVs eine Rolle spielten, sowie zukünftigen Generationen, die den Klimawandel als Last tragen müssen, ihr Verhalten? Wahrscheinlich mit einer Aussage wie dieser: „Tut mir leid, dass es dir Scheiße geht und du leiden musst, aber mein Auto war mir das liebste und mit ihm zu fahren, war einfach das geilste!“

Ich möchte nicht zu den Menschen zählen, die die Umwelt und andere Menschen leichtfertig durch ihren motorisierten Individualverkehr gefährden oder schädigen und aus diesem Grund beschränke ich meinen motorisierten Individualverkehr auf das nötigste. Ich nutze, wo es geht den öffentlichen Nahverkehr, mein Fahrrad oder laufe einfach und dass selbst dann, wenn es mal etwas länger dauern oder ein mir nicht sympathisch erscheinender Mensch das gleiche Verkehrsmittel nutzen sollte. Schließlich sind wir eine soziale Gesellschaft und da sollte man nicht nur an sich und sein eigenes Vergnügen denken, sondern auch an andere und an die Umwelt.

Published inIch Erdling

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