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Ich Erdling 25: Die Suche nach und der Verlust der Ruhe

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Es ist unangenehm laut in unserer westlichen Welt. Laut, da fast beständig motorisierte Fahr- und Flugzeuge, sowie alle möglichen motorisierten Werkzeuge, die der Mensch erschuf und immer „weiterentwickelte“, um die Welt nach seiner Vorstellung zu formen, unnatürliche und laute Klänge von sich geben. Es sind diese Klänge, die die Hintergrundgeräuschkulisse unserer westlichen Welt bilden. Die Entwicklung und Weiterentwicklung aller möglichen Geräte führte dazu, dass selbst einfachste Handwerkzeuge mittlerweile über einen Motor verfügen, der nicht selten lärmende Geräusche von sich gibt. Diese Motorisierung, zusammen mit der immer weitreichenderen Verbreitung von Abspielgeräten, die audioaktive Inhalte immer und überall wiedergeben können, führte dazu, dass man heute an fast jeden Ort unseres Planeten und zu fasst jeder Zeit, alle mögliche, künstlich erzeugte Geräusche vernimmt. Kurz, überall hört man von Menschen geschaffene Maschinen brummen, kreischen und andere Geräusche von sich geben. Es sind u.a. diese Geräusche, die einem nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Zur Ruhe, um die Geräusche der „ungestörten“ Natur zu hören. So hört man Vogelgezwitscher, Insektengesumme und das Rascheln von Blättern im Wind nur noch selten. Selbst wenn man sich einfach mal hinsetzen und zur Ruhe kommen möchte, braucht man nicht lange darauf zu warten, das alsbald ein menschengemachtes Geräusch einen daran hindert, wirkliche Ruhe zu finden.
Ein weitere technologische und gesellschaftliche Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte hält uns darüber hinaus auch davon ab, wirkliche Ruhe zu finden. Die betreffende Entwicklung ist, dass man über mobile Geräte mittlerweile immer und überall erreichbar ist und diese Erreichbarkeit auch häufig gesellschaftlich erwartet wird. Bei den betreffenden Geräten handelt es sich um Handys, Smartphones, usw. usf. Die ständige Erreichbarkeit und beim Smartphone die Möglichkeit ständig online zu sein, führen auch dazu, dass der Mensch keine Ruhe mehr findet, denn der gemeine Mensch möchte immer das Neuste aus seinem sozialen Umfeld etc. wissen und sich häufig auch selbst mitteilen. Er möchte sich mitteilen, da mit jeder seiner Mitteilungen, seine gesellschaftliche Präsenz und somit sein „gesellschaftlicher“ Wert steigt. Der Grund dafür ist, dass in unserer Gesellschaft die Menschen eine hohe soziale Anerkennung erfahren, die omnipräsent sind und sich und ihre Meinung, egal wie fundiert sie auch sein mag, zum Besten geben. Ruhige Menschen, die sich eher im Hintergrund halten, in Ruhe sich Gedanken machen und dann überlegte und fundierte Meinungen von sich geben, erfahren in unserer Gesellschaft keine soziale Achtung und Anerkennung mehr, da ihre Meinungen hinter der Flut unreflektierter Äußerungen anderer Menschen verschwindet. Auf Grund dessen leben die ruhigen, überlegenden Menschen häufig mehr oder weniger im sozialen Abseits. Da aber eigentlich kein Mensch im sozialen Abseits leben möchte, führt der moderne Mensch häufig dann doch, immer und überall, mobile Kommunikationsgeräte mit sich. Er hat diese Geräte dabei, damit er schnell reagieren kann, wenn etwas geschieht oder ein Bekannter etwas von sich gibt, auf das eine schnelle Reaktion erwartet wird. Aufgrund der möglichen sozialen Anerkennung, zahlen viele Menschen liebend gern den Preis für die ständige Erreichbarkeit, der im Verlust ihrer wirklichen Ruhe besteht. Oder tun sie es doch nicht liebend gern, sondern nur gezwungenermaßen?
Meiner Meinung nach sollte man doch lieber die soziale Achtung, der ständigen Erreichbarkeit, hinterfragen. Ich glaube nämlich, dass die soziale und gesellschaftliche Wertschätzung der ständigen Erreichbarkeit falsch ist und man diese Wertschätzung bekämpfen sollte. Ich bin der festen Überzeugung, dass man versuchen sollte, diese falsche Wertschätzung aus seinem Leben zu verbannen, um wieder wirkliche Ruhe zu finden, in der man sich mit sich selbst und den Problemen der Welt auseinandersetzen kann.

Doch das Finden „äußerer“ Ruhe ist nicht das einzige Problem. Nein! Es gibt ein weiteres Problem. Das Problem besteht darin, dass man, wenn man es doch einmal geschafft hat, irgendwann und irgendwo wirkliche Ruhe für die Ohren zu finden, die innere Ruhe alsbald verloren geht. Der Grund dafür ist, dass viele von uns Menschen verlernt haben, mit uns und unseren Gedanken allein zu sein. Wir haben verlernt, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen, da immer irgendwelche Eindrücke, sein es Bilder oder Geräusche, von außen auf uns einwirken. Diese äußeren Eindrücke führen dazu, dass wir von dem, was uns in unserem Innersten bewegt, abgelenkt werden und nicht mehr mitbekommen, welche Lüftchen sich in unseren Herzen, aufgrund von (un-)bewusster Verdrängung, zu zerstörerischen Stürmen entwickeln. Findet man aber doch einmal einen Moment und einen Ort, an dem die äußeren audioaktiven Einflüsse minimiert bzw. auf natürliche Geräusche reduziert sind, also einen Moment von äußerer Ruhe, wandert häufig der eigene Blick nach innen. Mit dem Blick auf die eigenen Gefühle und Gedanken gerichtet, hört der Mensch dann häufig einen schrecklichen Radau, der in seiner Seele tobt. Einen Radau, der seinen Ursprung darin hat, dass man seine wahren Wünsche, Bedürfnisse und Gefühle meist unterdrückt und sie seltenst ausformuliert und seiner Umwelt mitteilt. So bemerkt man mit dem Blick nach innen, in Momenten von äußerer Ruhe, all die Ängste und Zweifel, die man im Laufe seines Lebens immer nur herunterschluckte, statt sie zu verarbeiten und mit ihnen abzuschließen. Im hier und jetzt hindern sie einen schließlich daran, wirkliche Ruhe zu finden. Betrachtet man sich die Gefühle etwas näher, so handelt es sich bei ihnen vielleicht sogar um Gefühle, die einem nachts den Schlaf rauben, die man aber immer wieder verdrängt, da man nicht wahrhaben möchte, dass sie einem die Seele belasten. Schließlich hat ja der gemeine Mensch häufig den Anspruch an sich, dass er als Teil der Gesellschaft, wie auch immer, funktioniert.

Doch das die Menschen keine äußere und innere Ruhe mehr finden ist nicht das einzige Problem in unserer Gesellschaft. Nein, selbst die vermeintliche Ruhe, die viele Menschen versuchen auszustrahlen und zu bewahren, verlieren sie regelmäßig. Sie verlieren sie hauptsächlich dann, wenn etwas nicht so läuft, wie sie es sich vorstellen oder wenn ihnen bei einer Diskussion die Argumente ausgehen. In solchen Situationen werden Menschen, selbst wenn sie häufig einen ruhigen Eindruck vermitteln oder vermitteln möchten, aufbrausend und das ein ums andere mal auch garstig. Der Grund dafür ist, dass bei vielen Menschen mehr Schein als Sein, in Bezug auf ihre äußere Ruhe, die sich im Idealfall aus einer grenzenlosen inneren Ruhe speist, vorherrscht. Doch viele Leute können schlicht nicht damit umgehen, sollte mal etwas nicht so laufen oder so sein, wie sie es gern hätten und geraten dann leicht außer sich.

Wie ich im vorhergehenden Abschnitt schon andeutete, so sollte sich die äußere Ruhe im Idealfall von einer grenzenlosen inneren Ruhe speisen. Doch wie die innere Ruhe finden, wenn der Krach der Welt und mobile Geräte, die einen immer und überall begleiten, einen davon abhalten, überhaupt zur Ruhe zu kommen. Wie wirkliche innere Ruhe finden, wenn unsere Gesellschaft die Menschen dahingehend formt, dass sie das, was sie beschäftigt, herunterschlucken und dadurch langsam ihre Seele vergiften. Wie soll man mit solch einer vergifteten Seele jemals innere Ruhe finden, wenn sie einem aufs äußerste schmerzt und man am liebsten einfach schreien möchte? Gar nicht! So muss man zuerst äußere Ruhe finden und wenn man sie gefunden hat, die äußere Ruhe dazu nutzen, um sich mit all den Dingen auseinanderzusetzen, die einem die Seele vergiften. Die Auseinandersetzung mit sich selbst sollte dabei dazu dienen, die Ursachen für die Vergiftung zu erkennen. Hat man schließlich die „wahren“ Ursachen für die Vergiftung erkannt, muss man nach und nach versuchen, die Ursachen endgültig, und nicht nur temporär, zu beseitigen. Die Beseitigung der Ursachen besteht dabei in der Regel darin, dass man seine persönlichen Probleme nach und nach, manchmal im Laufe von Jahren oder Jahrzehnten, je nachdem wie viele es sind und wie schwer sie wiegen, erkennt und löst. Erst wenn man alle eigene Probleme erkannt und gelöst, also die Vergiftung der eigenen Seele gestoppt hat, kann man in allen Lebenslagen ausgeglichen und ruhig wirken und agieren. Der Grund dafür ist, dass man, wenn man wirkliche innere Ruhe gefunden und seine Probleme gelöst hat, wenige Triggerpunkte für andere bietet, an denen sie einen verletzen oder aus der Ruhe bringen können und man sich auch sonst nicht mehr so schnell aus der Reserve locken lässt.

Doch wie könnte nach der obigen theoretischen Behandlung des Themas eine praktische Umsetzung zum Finden sowohl äußerer als auch innerer Ruhe aussehen? Der erste Schritt auf dem Weg zum Finden wirklicher Ruhe sollte darin bestehen, nach Wegen zu suchen, den Gesellschaftslärm und Ablenkungsquellen hinter sich zu lassen. Das kann dadurch geschehen, dass man mal eine Wanderung, z.B. durch ein Naturschutzgebiet macht, in dem keine Menschen arbeiten und man auf dieser Wanderung alles störende wie Smartphones, MP3-Player, etc. zuhause lässt. Hat man etwas Glück bei der Wahl des Wanderweges, so handelt es sich bei ihm um einen kaum frequentierten Wanderweg und man hört über Stunden hinweg nur die Geräusche kaum berührter Natur. Bei vielen Wanderungen beginnen dann meistens die Beine wie von selbst zu laufen und die eigenen Gedanken frei zu werden. Ab diesem Moment, an dem die Gedanken frei werden, kann man sie nach innen schweifen lassen und über sich und sein Leben reflektieren. Man kann darüber reflektieren, was einen beschäftigt und einen belastet. Man kann darüber reflektieren, was einem wirklich wichtig auf dieser Welt ist und man kann Entscheidungen treffen, die einem die Möglichkeit bieten, die Probleme, die einem im Innersten bewegen, endgültig zu lösen und dem Leben darüber hinaus einen Sinn zu geben. Einen Sinn, der einen erfüllt und ruhig und ausgeglichen werden und leben lässt.
Das Finden von äußerer Ruhe, das Erkennen von Problemen und das Lösen von ihnen, ist dabei ein zyklischer Prozess, der niemals endet. Er endet nie, da immer Zeit vergeht und sich die eigenen Umstände und Einstellungen ändern. Dabei sei erst einmal dahin gestellt, ob es sich um intrinsisch oder extrinsisch motivierte Umstände handelt, die auf das eigene Leben Einfluss nehmen. Doch je mehr Probleme und Umstände, die einen belasten, man löst, desto eher findet man wirkliche innere Ruhe. Dieser inneren Ruhe ist häufig gemein, dass sie auch nach außen hin strahlt und man sich nicht aktiv bemühen muss, ruhig auf andere zu wirken und in allen Situationen ruhig zu bleiben. Man tut es einfach. Diese Ruhe und die damit einhergehende Besonnenheit, ist das, was man selbst und die Welt wirklich brauchen. Man selbst braucht sie, da man sonst irgendwann kaputtgeht und zu einem seelischen Wrack wird und die Gesellschaft braucht sie, da nur ruhige und besonnene Entscheidungen dazu führen, dass man noch morgen eine Welt hat, auf der man glücklich und gesund leben kann.

In diesem Sinne: „Findet und erhaltet euch die echte Ruhe in eurer Seele.“

Published inIch Erdling

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