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Ich Erdling 26: Von Ehre und der Kunst, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Ein böses Gesicht trägt er zur Schau. Er, der sonst immer austeilt und Witze auf Kosten anderer macht, verlor auf einmal sein spöttisches Lächeln. Er, der sich häufig für etwas Besseres, als all die anderen hielt, ist wütend auf den Wicht, der seine „Ehre“ verletzte. Er ist wütend auf den Wicht, der die anderen dazu brachte, auch einmal über ihn zu lachen. Jetzt brodelt es in ihm und er sinnt auf Rache. Doch, warum? Hat der Wicht denn nicht das getan, was er selbst auch immer tut? Hat der Wicht nicht einfach einmal den Spieß umgedreht und ihn vor Augen geführt, wie er sich benimmt und gibt? Doch, genau das hat der Wicht getan, aber er, der sich selbst für die Krönung der Schöpfung hält, nimmt sich selbst zu ernst. Er, der sich doch für unfehlbar und genial hält, kann einfach nicht akzeptieren, wenn auch einmal ein Witz auf seine Kosten geht. Er kann nicht akzeptieren, dass andere mit Witzen aufzeigen, dass auch er einfach nur ein Mensch unter vielen ist.

Betrachte ich mir unsere menschliche Gesellschaft, so stelle ich fest, dass es viele Menschen, wie den oben beschrieben, gibt. Es gibt viele Menschen, die immer Späße auf Kosten andere machen oder „dumme Sprüche“ klopfen, die das Potential haben, andere zu verletzen. Doch die Möglichkeit andere zu verletzen, hält sie nicht davon ab, die Späße zu machen oder die Sprüche zu klopfen. Doch dreht dann einmal einer den Spieß um und macht einen Spaß auf ihre Kosten oder klopft einen dummen Spruch, der sie betrifft, so ist gleich für die betreffende Person der Spaß vorbei. Dabei müsste doch jedem bewusst sein, dass man, wenn man wirklich glücklich leben möchte, sich selbst nicht zu ernst nehmen darf. Statt sich selbst zu ernst zu nehmen, sollte man einfach über die Witze, die andere auf einen seine Kosten machen, lachen und auf eine intelligente Art und Weise mitmachen oder den Witz pointiert auseinander nehmen und umkehren, so dass seine Wirkung entweder verpufft oder den Witzereißer selbst trifft. Der Grund dafür ist, dass man immer auch über sich selbst lachen können sollte, wenn man nicht verbittert und allein sterben möchte. Darüber hinaus sollte man auch, meiner Meinung nach, anstatt Witze auf Kosten anderer zu machen, erst einmal Witze auf seine eigenen Kosten machen. Mit Witzen, die man macht und die auf die eigenen Kosten gehen, verletzt man nämlich in der Regel niemand anderes und gibt damit den anderen auch keinen Grund, den Spieß umzudrehen. Lacht man darüber hinaus auch über die Witze, die andere versuchen, auf die Kosten von einem selbst zu machen, so nimmt man ihnen häufig den Wind aus den Segeln. Das gilt besonders dann, wenn die Intention hinder ihren Witzen, der Versuch, des bewussten Verletzens der eigenen Gefühle ist.
Kurz, meiner Meinung nach sollte man, solange Witze, Sprüche und Späße einen nur auf eine rein verbale Art treffen, einfach bei ihnen mitmachen oder, sollte das Mitmachen einem Unbehagen bereiten, sie einfach an sich abperlen lassen. An dieser Stelle kommt jetzt der ein oder andere und meint, dass diese Sprüche, Witze und Späße ihn aber in seiner Ehre verletzten. Doch was ist diese Ehre überhaupt? Laut Duden ist die Ehre: „Ansehen aufgrund offenbaren oder vorausgesetzten (besonders sittlichen) Wertes.“ Also wie kann jemand anderes die eigene Ehre verletzen, wenn die Ehre doch von eben den anderen Personen in Form von Ansehen gewährt wird? Oder sollte man sich nicht lieber doch fragen, ob man überhaupt „Ehre“ braucht und haben möchte, wenn sie sich an den moralischen Vorstellungen einer Gemeinschaft, sei es eine bestimmte Gesellschaft oder Religionsgemeinschaft, orientiert und sowohl viele Gesellschaften, als auch Religionen, in allerhand Punkten einfach nur veraltete moralische (Wert-)Vorstellungen haben. Sein wir doch mal ehrlich, in vielen Religionen und in unserer Gesellschaft herrschen veraltete moralische Wertvorstellungen, die sowohl den Menschen als Krönung der Schöpfung und somit als über allen anderen Lebewesen stehen sehen, als auch Personengruppen über andere Personengruppen stellen, die entweder nicht der gleichen Gesellschaft oder der gleichen Religion angehören. Darüber hinaus herrscht in vielen westlichen Gesellschaften eine Wertvorstellung, die sich überwiegend am materiellen Besitz von Personen orientiert, man sehe z.B. den amerikanischen Traum, vom Tellerwäscher zum Millionär, der reinweg vom Materialismus handelt, oder an der ständigen Publicity (ständiges präsent sein in der Öffentlichkeit) von allen möglichen Personen, die Anerkennung suchen. Ich für meinen Teil sehe diese Art der Ehre, wie sie sowohl in vielen Religionen, als auch in den verschiedensten Gesellschaften gelebt wird, kritisch und lehne sie für mich ab.
Anders sieht es dagegen aus meiner Sicht mit dem Ehrgefühl aus. Der Grund dafür ist, dass das Ehrgefühl aus den eigenen moralischen Überlegungen und Überzeugungen erwächst. Es speist sich daraus, was man für gut und richtig erachtet und aus den eigenen moralischen Vorstellungen. Das Ehrgefühl betreffend kann ich verstehen, dass es einen verletzt, wenn etwas gesagt wird, das potentiell dazu geneigt ist, es zu verletzen. Doch muss man sich eben bewusst machen, dass das Ehrgefühl immer aus der eigenen Überzeugung heraus entsteht und darum nicht zwangsläufig den gesellschaftlichen Vorstellungen entspricht. Dieses Ehrgefühl betreffend muss ich sagen, dass man es für sich selbst ernst nehmen sollte und darüber hinaus versuchen sollte nach ihm zu leben. Also, das man versuchen sollte, die eigenen moralischen Vorstellungen zu leben, aus denen sich das eigene Ehrgefühl speist. Doch sollte man niemals versuchen, das eigene Ehrgefühl anderen aufzuzwingen. Man sollte auch niemals verletzt reagieren, wenn mal jemand Witze macht oder Sprüche klopft, die geneigt sind, es zu verletzen. Stattdessen sollte man mitmachen und die eigene Überzeugung als Witz oder klugen Spruch den anderen entgegenhalten. Satire ist ein gutes Mittel für pointierte Erwiderungen, die anderen den Wind aus den Segeln nehmen können. Das aller Wichtigste ist aber, sich dabei selbst nicht zu ernst zu nehmen und wenn es wirklich nicht anders geht, freundlich grinsend, den anderen ins Gesicht lachen und sich dabei denken: „Ich bin ich und du bist du, wir beide haben genug zu tun, um unsere Leben zu bestreiten, wer besser lebt, wird die Zunft zeigen.“
Sollte jemand doch nach körperlicher Genugtuung verlangen, so sei ihm gesagt: „Wir leben nicht mehr im Mittelalter und auch nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert. Wir haben die Aufklärung und eine moralische Entwicklung hinter uns, die Duelle und andere Arten der körperlichen Genugtuung ächtet und das ist auch gut so. Die am nachhaltigsten wirkenden Schlachten, die das Potential haben auf Dauer etwas zu verändern, werden nämlich über die verschiedensten Arten der Kommunikation geführt. Sollte dir also etwas nicht passen oder etwas dein ‚Ehrgefühl‘ verletzen, so versuche den anderen deinen Standpunkt verbal oder schriftlich zu verdeutlichen. Nur wenn es zu körperlicher Gewalt kommt, so greife als letztes Mittel auch auf sie zurück. Ansonsten nimm dich selbst nicht zu ernst und lach auch mal über dich.“

Aber doch noch eine Anmerkung zum Schluss, nicht das man mich jetzt noch jemand falsch versteht. Selbst wenn ich der Überzeugung bin, dass man sich selbst nicht allzu ernst nehmen sollte, so sollte doch jeder die Konsequenzen seines Handelns bedenken und die Auswirkungen, die es auf andere Menschen oder die Umwelt hat, ernst nehmen. Vor allem sollte man die Auswirkungen ernst nehmen, wenn das eigene Verhalten dazu führt, dass Menschen geschädigt oder die Umwelt zerstört wird. Doch sich selbst so erst zunehmen, dass man sich wegen so etwas wie „verletzter Ehre“ aufregt und deswegen vielleicht unbedacht oder bösartig handelt, oder gar andere Lebewesen körperliche schädigt, sollte man niemals.

Published inIch Erdling

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