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Ich Erdling 31: Alles muss eine Challenge sein

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

In unserer heutigen Zeit und Gesellschaft trifft man in den Medien, besonders den sozialen Medien, regelmäßig auf „Challenges“, also Herausforderungen. Es sind Herausforderungen wie die „Ice-Bucket-Challenge“, die „30-Tage-Vegan-Challenge“, die „30-Tage-Minimalismus-Challenge“, etc. mit denen die Menschen z.T. auf bestimmte Probleme aufmerksam machen, bestimmte Lebensweisen ausprobieren oder sich einfach gut darstellen bzw. sich ins Zentrum der Aufmerksamkeit manövrieren wollen. Dabei ist regelmäßig zu beobachten, dass die Challenges zum Selbstzweck werden und der ursprüngliche Gedanke, der einst hinter der Challenge stand, verblasst. Manchmal hat man aber auch den Eindruck, dass bestimmte Menschen nur noch etwas in ihrem Leben ändern oder versuchen zu ändern, wenn es ihnen als Challenge präsentiert wird. In diesem Kontext stellt sich doch einem die Frage, zumindest stellt sie sich mir, warum viele Menschen Challenges überhaupt als ansprechend empfinden und vor allem, was diese Menschen besseres tun könnten, als einfach, ohne groß darüber nachzudenken, an einer Challenge teilzunehmen?

Einer der Hauptgründe dafür, dass viele Menschen Challenges ansprechend finden, ist meiner Meinung nach, dass diese Challenges direkt das kompetitive Verhalten, das vielen Menschen innewohnt, ansprechen. Diese Herausforderungen nutzen aus, dass Menschen sich gerne miteinander vergleichen und häufig versuchen, einander zu übertreffen. Immer schöner, schneller, härter, höher und weiter oder in die Gegenrichtung, immer nachhaltiger, immer weniger, immer ökologischer, wobei viele Menschen mit den „nachhaltigen“ umweltrelevanten Challenges, häufig nur persönliches Greenwashing betreiben. Sie betreiben Greenwashing, da sie versuchen durch die Teilnahme an der Challenge zu zeigen, dass sie, zumindest in einem kleinen Teilaspekt ihres Lebens, besonders nachhaltig oder ökologisch leben können. Was sie dabei aber ausblenden, ist, dass sie in anderen Bereichen vielleicht sogar einen größeren umweltrelevanten Fußabdruck haben, als die Mehrheit der anderen Menschen. So bringt es der Umwelt z.B. wenig, wenn jemand an einer Minimalismus oder Vegan-Challenge teilnimmt, um vielleicht, aber nur vielleicht, in diesen Bereichen zukünftig einen nachhaltigeren Lebensstil zu führen, wenn der Wandel des Lebensstils damit einhergeht, dass er an die Challenge anschließend viele tropische, stark verarbeite oder verpackte Lebensmittel isst oder er sich nach der Minimalismus-Challenge viele Dinge neu kaufen muss, da er seine alten Besitztümer unbedacht weggab oder sogar entsorgte. Hat er z.B. einen Teil seines Geschirrs weggegeben, kann es sein, dass er selbst häufiger oder wenn er Besuch hat, immer, auf Einwegprodukte z.B. Plastik- oder Bambusgeschirr zurückgreifen muss. Es kann aber auch sein, dass er das Geld, dass er durch seinen minimalistischen Lebensstil einspart, dafür aufwendet, dass er häufig als Passagier mit dem Flugzeug durch die Gegend fliegt. Wie dem auch sei, der Natur erweist er durch sein Verhalten in diesen Fällen nur einen Bärendienst.
Kurz, den „Challenges“, die häufig, vor allem in den sozialen Medien, beworben und angepriesen werden, ist oft nur eins gemein, nämlich dass sie immer nur kleine Teilaspekte des eigenen Lebens ansprechen und eigentlich nie das große Ganze. Es wird nie ein ganzheitlicher Ansatz, der wohlüberlegt und nachhaltig verfolgt wird, als Challenge formuliert. Ein Grund dafür mag sein, das man gesamtheitliche Challenges nicht leicht überprüfen kann oder sie über längere Zeiträume andauern, so dass viele Menschen keine Lust verspüren, die benötigte Zeit zu investieren. Darüber hinaus eignen sich gesamtheitliche Ansätze und Änderungen der eigenen Lebenseinstellung und des eigenen Lebensstils häufig nicht dazu, um mit ihnen vor anderen „anzugeben“. Der Grund dafür ist, dass solche ganzheitlichen Änderung meistens nur langsam vollzogen werden können und darum von anderen kaum wahrgenommen werden. Die Reaktion der Menschen am Ende der Veränderung ist dann meistens einfach nur: „Das war ja keine Herausforderung für dich, du lebtest ja schon längst so.“ Darüber hinaus erhalten die Menschen höchstens einen kurzen Moment der Aufmerksamkeit, wenn sie an einer Challenge teilnehmen und sie erfolgreich abschließen. Doch da auf unserer Welt Aufmerksamkeit ein kostbares Gut ist, verweilt sie nie allzu lang auf einer Person, sondern wandert schnell weiter. Ist schließlich die Aufmerksamkeit, die der Challenger empfing, nach eins zwei Tagen oder Wochen vergangen, fällt er häufig wieder in seine ehemaligen Verhaltensweisen zurück oder, was noch schlimmer ist, ihm wird der ursprüngliche Grund für die Challenge egal, da er mit ihm keine Aufmerksamkeit mehr erringen kann. Das einzige was bleibt, ist am Ende der Status quo und das eigene Leben, die Gesellschaft und die Welt, die sich kaum bis gar nicht änderten.
Also, was bringt einem persönlich die Teilnahme an einer Challenge? Vielleicht einen kurzen Moment der Aufmerksamkeit und Anerkennung, aber nach Abschluss der Challenge häufig doch nur ein Rückfall in alte Verhaltensmuster!

Nach dem obig Geschrieben stellt sich einem vielleicht die Frage, ob man überhaupt noch an Challenges teilnehmen sollte oder ob man stattdessen etwas Besseres, nachhaltigeres machen kann? Meiner Meinung nach sollte man sich an keinen sozialen und umweltrelevanten Challenges beteiligen und die Teilnahme von anderen an solchen Challenges nicht fördern. Meine Gründe für diese Aussage sind, neben der oben genannten „Kurzlebigkeit“ der positiven Auswirkungen solcher Challenges, dass sie häufig Menschen dazu bringen, unüberlegte Entscheidungen zu treffen, die zum einen gefährlich sein können und, bei umweltrelevanten Challenges, nicht unbedingt nachhaltig sind. Darüber hinaus kann es je nach Challenge im Anschluss zu einem Rebound- oder Backfire-Effekt kommen, der Teile des Erreichten, wenn nicht gar alles, wieder zunichte macht. Statt blindlings an einer Challenge teilzunehmen, sollte man sich darum lieber den wirklichen Grund, der hinter der jeweiligen Challenge steht, bewusst machen und sich erst einmal selbst fragen, ob man sich mit dem Grund, bzw. dem Ziel, das aus dem Grund hervorgeht, identifiziert. Stellt man fest, dass man sich nicht wirklich mit dem Grund identifiziert, sollte man das Thema und die Challenge abhaken und vergessen. Identifiziert man sich dagegen mit dem Thema, so sollte man seinen Blick auf sich selbst richten und sich fragen, was die Ursache für das eigene Interesse ist. Interessiert man sich nur für die Challenge, weil man sich davon Anerkennung, Publicity oder ein Zugehörigkeitsgefühl zu Freunden, Bekannten, etc. verspricht? Wenn ja, vergiss die Challenge, da diese Gründe wahrlich die Gründe sind, aus denen man als denkendes Wesen nicht einfach irgendetwas tun sollte. Ist dem nicht der Fall, kommt der schwierige Teil, nämlich der, die Quintessenz aus der Challenge und die Bedeutung für einen selbst herauszufinden. Hat man die wahre Bedeutung, die hinter einer Challenge steht, gefunden und identifiziert man sich mit ihr, heißt es, die wirkliche Bedeutung durch wohlüberlegte Taten für das eigene Leben zu adaptieren. Wohlgemerkt wohlüberlegte und nachhaltige Taten, die man möglichst dauerhaft ins eigene Leben integrieren kann. Gelingt die dauerhafte Einbindung der Quintessenz, der ursprünglichen Challenge, ins eigene Leben, so kann man die ursprüngliche Challenge auch getrost vergessen.

Man sieht, Challenges kann man prinzipiell einfach vergessen, da sie, wenn man immer wohlüberlegt und bewusst handelt, keinen Nutzen und keine Bedeutung für einen haben. So kann und sollte niemals eine Challenge die Konsequenz aus den eigenen Überlegungen sein, sondern immer eine nachhaltige Veränderung der eigenen Einstellung oder des eigenen Lebens.

Zum Schluss noch etwas für die, die unbedingt eine Challenge brauchen, damit sie etwas umsetzen oder sich Gedanken über ein Thema machen: „I challenge you, to never participate in an challenge again!“

Published inIch Erdling

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