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Ich Erdling 41: Von den Musen verlassen

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Ein leeres Blatt Papier liegt vor mir. Ich habe Lust etwas zu schreiben, doch was? Mir fällt kein Thema ein. Schließlich, ein kurzer Gedankenblitz und ich bringe eine Wortgruppe zu Papier. Doch schon ist meine Inspiration wieder weg. Ich starre wieder auf das Papier und meine Gedanken schweifen ab. Meine Gedanken beginnen sich mit allem und nichts zu beschäftigen und doch ist nichts dabei, was ich gerne zu Papier brächte. Die Zeit vergeht und das Blatt Papier bleibt fast leer, obwohl ich doch so gerne etwa schriebe, eventuell eine Lebensweisheit kundtäte oder eine schöne Geschichte erzählte.
Als ich so inspirationslos dasitze, denke ich an die Musen, die in der griechischen Mythologie die Schutzgöttinnen der Künste sind und frage mich, ob mir vielleicht eine Inspiration käme, wenn ich sie anbetete oder ihnen Opfer darbrächte. Doch leider bin ich zum einen nicht gläubig, so dass ich nichts und niemanden anbete und zum anderen stellt sich mir die Frage, welches Opfer ich den Schutzgöttinnen der Künste schon darbieten könnte. Tier- und Menschenopfer lassen sich mit meiner pazifistischen Weltordnung nicht vereinbaren, die mich dazu bewegt, eigentlich keinem Tier und keinen Menschen, als ein besonderer Vertreter der Säugetiere, Schaden zuzufügen. Sollte ich den Schutzgöttinnen der Künste vielleicht gute alkoholische Getränke opfern? Nein, das ist auch keine gute Idee, denn zum einen weiß ich nicht, wie ich den Alkohol opfern müsste, damit er bei den Schutzgöttinnen der Künste ankommt und zum anderen verabscheue ich den Alkoholkonsum und das, was er z.T. mit Menschen, und vielleicht auch mit Göttinnen, als Ebenbilder der Menschen, macht. Man stelle sich vor, die Schutzgöttinnen der Künste sind alle betrunken und senden aus einer Laune heraus Inspirationen an die Künstler aller Herren Länder, die denen ähneln, die Adolf Hitler hatte, als er „Mein Kampf“ schrieb. Nein, so etwas kann keiner wollen. Wie aber jetzt die Musen wiederfinden?

Über mein Grübeln, wie ich die Musen wiederfinden könnte, kommt mir nach einer Weile ein Gedanke, nämlich: „Vielleicht in der Natur?“ Gedacht, getan! So packe ich meinen Wanderrucksack und ziehe meine Wanderschuhe an und ab geht es in die Natur. Ich laufe über Stock und Stein und hoffe, mir bricht kein Bein. Ich laufe und laufe und Kilometer um Kilometer lege ich zurück, doch noch immer geben sich die Musen kein Stelldichein und so kommt mir keine neue Inspiration, für einen Text. Langsam beginnt mich mein Mangel an Inspiration zu frustrieren und als die Wanderung vorbei ist, bin ich wütend auf mich selbst. So schwerfiel es mir noch nie, die Inspiration für einen Text zu finden! Als ich nach meiner Wanderung sinnierend, ob der Abstinenz meiner Musen, dasitze, kommt mir der Gedanke, dass für mich die Gesellschaft von Menschen auch das ein ums andere mal ein Quell der Inspiration ist. Warum also nicht etwas mit Bekannten unternehmen?
Auch diesem Gedanken lasse ich Taten folgen, indem ich mich mit Freunden verabrede, um etwas mit ihnen zu unternehmen. Doch auch diese Suche nach Inspiration ist nicht vom Erfolg gekrönt. Mir kommen zwar ein paar Gedanken für Texte, doch ist kein neuer, spannender Gedanke dabei. Nein, mir kommen nur Gedanken zu Themen, über die ich schon viel zu häufig etwas schrieb und an denen sich trotz meiner bisherigen literarischen Ergüsse, nichts änderte und sich wahrscheinlich auch nie etwas ändern wird.
So gebe ich schließlich auch diesen Versuch, meine Inspiration zu finden, auf und wandle einige Tage inspirations- und mutlos durch die Welt. Das geht so lange, bis ich eines Abends in meinem Bett liege, an die Decke starre und mich frage, was ich noch tun könnte, um meine verlorene Inspiration herauszukitzeln. Vielleicht einfach mal aufhören aktiv nach einer Inspiration, für einen Text, zu suchen und stattdessen einfach mal eine kreative Pause einlegen, um mich auszuruhen und einfach mal entspannt zu leben? Ist es denn nicht häufig so im Leben, dass man das, was man krampfhaft sucht, nie findet, da man bei einer zwanghaften Suche nur noch kleine Details wahrnimmt, da man seinen Blick auf Kleinigkeiten fokussiert und ihn nicht mehr aufs große Ganze richtet. Also gut, eine Auszeit muss her. Doch obwohl es mir bald gelingt, eine Auszeit von meinem Beruf zu nehmen, indem ich bei meinem Vorgesetzten ein paar Tage Urlaub beantrage, die er mir auch genehmigt, so gelingt es mir doch nicht, mir eine Auszeit von mir selbst und meinen Gedanken zu nehmen. Meine Gedanken kreisen einfach immer weiter um alles und um nichts. Selbst der Versuch, meine Gedanken mit der Lektüre eines Buches zum Schweigen zu bringen, scheitert kläglich. Der Grund dafür ist, dass meine Gedanken ständig abschweifen und nicht zur Ruhe kommen und ich dadurch eigentlich schon während der Lektüre nicht mehr weiß, was ich denn gerade gelesen habe.

Auf Grund meiner Unfähigkeit weder Inspiration noch innere Ruhe zu finden, stellt sich langsam Verbitterung bei mir ein. Schließlich reicht es mir und ich gehe einfach in meinen Garten, hacke Holz für den Winter, jäte Unkraut und bringe alle möglichen Kleinigkeiten, die im Laufe der Zeit angefallen sind, in Ordnung. Und siehe da, meine Gedanken kommen zur Ruhe und drehen keine Pirouetten mehr in meinem Kopf. Meine Gedanken werden erst immer langsamer und schließlich verschwinden sie ganz aus meinem Kopf und für einen Moment fühle ich mich völlig frei. Dieser Zustand, des Gefühls der völlig Gedankenfreiheit, hält schließlich zwei Tage an, bevor langsam wieder erste Gedanken zum Vorschein kommen. Dabei handelt es sich um einzelne, geordnete Gedanken, die nichts mehr mit dem Durcheinander an Gedanken gemein haben, das mir ursprünglich durch den Kopf tobte. Nein, diese Gedanken kommen nach und nach und ich kann sie in aller Ruhe analysieren und nachvollziehen.
Schließlich, über das ruhige Nachdenken und dem geordneten Abarbeiten meiner Gedanken, kommt der Moment, in dem mich die Muse wieder küsst und mir die Inspiration für einen Text schenkt. Es ist die Inspiration, einen Text darüber zu schreiben, wie mich meine Musen verließen und wie ich anschließend nach ihnen suchte.

Kurz, es war die Inspiration dazu, diesen Text zu schreiben.

Published inIch Erdling

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