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Ich Erdling 48: Vom Älterwerden

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Sekunde für Sekunde verstreicht die Lebenszeit. Mit jeder Sekunde wird man älter und die Sekunden summieren sich zu Minuten, Stunden, Tagen, Wochen, Monaten und Jahren. Zu Jahren, von denen die meisten Menschen die Absolvierung bzw. das Überleben eines weiteren kräftig feiern.

In jungen Jahren können die meisten Menschen kaum abwarten älter zu werden, da ihnen mit dem Älterwerden von der Gesellschaft immer mehr Rechte eingeräumt werden. Wobei im Gegenzug zu der Gewährung der Rechte, auch die Erfüllung gewisser Pflichten erwartet wird. Doch kaum haben die Menschen die Altersschwelle überschritten, an der die Gesellschaft ihnen alle Rechte gewährt, so sehnen sie sich schon nach ihren jungen Jahren zurück und meistens nimmt diese Sehnsucht noch, mit zunehmendem Alter, stetig zu. Die Sehnsucht nimmt zu, da sie feststellen, dass die Pflichten, die ihnen im Gegenzug für ihre Rechte auferlegt werden, nicht immer nur Sommer-Sonne-Sonnenschein sind, sondern einem das ein ums andere mal auch etwas abverlangen. Darüber hinaus stellen sich bei vielen Menschen, mit zunehmendem Alter, mehr und mehr körperliche Schwächen und Unzuverlässigkeiten ein. Der Körper beginnt erste Makel wie Falten und Haarausfall aufzuweisen und dann, wenn der Mensch, dem dieser Körper gehört, diese Makel bemerkt oder in seinem Spiegelbild sieht, stellt sich bei ihm nicht selten eine Angst vorm Älterwerden ein. Eine Angst, die viele Menschen dazu bringt, mit Kosmetikprodukten und teilweise auch ärztlichen Eingriffen, gegen die Altersspuren, die die absolvierten Lebensjahre an ihren Körpern hinterließen, vorzugehen. Wobei dabei das ein ums andere mal billigend in Kauf genommen wird, dass man nach einer Behandlung mit Schönheitsprodukten oder einem chirurgischen Eingriff, nicht mehr wie ein gesunder Mensch, der in Würde altert, sondern eher wie ein misshandelter Clown, aussieht.
„In Würde altern“, ist dabei eine schöne Ausdrucksweise, von der viele sprechen, wenn sie vom Älterwerden reden, wobei das, was sie im Kontext dieser Redewendung häufig mit „Würde“ meinen, mit der eigentlichen Würde nicht viel gemein hat. Zumindest ist das meine Meinung. Der Grund dafür ist, dass viele Menschen unter „In Würde altern“ verstehen, dass sie ihr ganzes Leben lang tun und lassen können, was sie wollen und das sie all die Lebensjahre, die noch kommen mögen, gut in Schuss aussehen. Ich gewann im Laufe meines Lebens sogar den Eindruck, dass die Menschen ihre Würde nur an materiellen und / oder optischen Merkmalen festmachen und nicht an immateriellen Dingen, wie Wissen, Witz und Verstand. Wissen, Witz und Verstand, die einem erlauben, sich gut gelaunt mit dem Älterwerden abzufinden und den Lebensgenuss und das Gefühl von Würde aus dem eigenen Charisma zu ziehen. Betrachte ich mir diese Menschen, im Gegensatz zu den Menschen, die wild und laut gackernd dem Aussehen und der körperlichen Leistungsfähigkeit junger Jahre nachstreben, anstatt dass sie ihre Zeit und ihr Geld dafür aufwenden, an ihren Verstand und ihren Witz zu arbeiten, so stelle ich fest, dass sie einen guten Weg gefunden haben, um in Würde zu altern. Doch was zeichnet jetzt das Altern in Würde wirklich aus?

Ein erster wichtiger Punkt, den man sich bewusst machen sollte, wenn man in Würde altern möchte, ist, dass das letzte Hemd keine Taschen hat und die sterblichen Überreste nach einer Weile auch keine Muskeln, Falten und Haare mehr aufweisen. Am Ende des Lebens bleibt ein Skelett oder, je nach Bestattungsart, Asche und von der körperlichen Schönheit, der viele Menschen ihr Leben lang nacheifern, ist dann sicherlich nichts mehr zu sehen. Warum also Schönheitsidealen nacheifern? Jeder müsste mir doch zustimmen, dass es besser wäre, anstatt Schönheitsidealen nachzueifern, von denen einige einfach nur noch krankhaft sind und den Körper krank machen, zu versuchen, einen gesunden Lebensstil zu führen und sich mit den körperlichen Makeln, die im Alter auftreten, abzufinden. Man sollte die immateriellen Dinge, die einem das Leben bietet, pflegen und mit ihnen versuchen die Welt zu einer besseren zu machen, anstatt egoistischen Schönheitsidealen nachzueifern.
Ein zweiter Punkt, den man meiner Meinung nach beachten sollte, wenn man in Würde altern möchte, ist, dass man sein Leben lang nicht nach materiellen Luxus und Statussymbolen streben, sondern stattdessen bescheiden und nachhaltig leben und sein Geld, wenn man denn etwas übrig hat, in die Bildung seines Wissens und Weltverständnis investieren sollte, indem man z.B. Bücher liest oder VHS-Kurse besucht. Der Grund für diesen Punkt ist, dass die Gesellschaft oder andere Menschen einem das im Leben gelernte Wissen und den persönlichen Witz schwerlich nehmen können, während materielle Dinge häufig schnell an Wert verlieren und darüber hinaus auch leicht durch andere zerstört oder einem aberkannt bzw. entwendet werden können.
Mit dem vorhergehenden Punkt geht ein wichtiger dritter Punkt, für das Altern in Würde, Hand in Hand. Der Punkt ist, niemals arrogant und hochnäsig zu sein und auf andere Menschen herabblicken, nur weil sie jünger und / oder einen andern Lebenshintergrund haben. Der Grund dafür ist, dass man als Mensch nie alles wissen kann und sich manche Lebenseinstellung oder Erkenntnis, der man vielleicht Jahre, wenn nicht gar Dekaden folgte, als falsch oder als ein Irrweg erweisen kann. Sollte man feststellen oder von mehreren Menschen gesagt bekommen, dass eine bestimmte Lebensweise, aus diesen oder jeden Grund nicht mehr möglich oder falsch ist, so sollte man den Mut aufbringen und die Kraft haben, diese Lebensweise und auch sich selbst, mal ehrlich zu hinterfragen und ggf. von alten Irrwegen abzulassen, anstatt gleich mit Ablehnung und Hochmut auf die geäußerte Meinung zu reagieren. Man sollte ruhig und besonnen sich und sein Leben immer wieder hinterfragen und an neue Gegebenheiten anpassen, um so in Würde zu altern, anstatt ignorant und würdelos, mit zunehmendem Alter, auf immer mehr Irrwegen zu gehen, nur weil man sie schon immer ging. Damit meine ich aber keines Falls, dass man jedem neuen „geistigen Trend“ hinterherlaufen sollte, nur weil er gerade in Mode ist, nein, das wäre auch wieder würdelos. Was ich meine, ist, dass man, wenn man durch andere auf einen scheinbaren Irrweg hingewiesen wird, wohlüberlegt über ihn reflektiert und dann, wenn man ehrlich reflektierte, eine Entscheidung für sich trifft, ob die anderen mit ihrer geäußerten Meinung recht haben und man nicht länger guten Gewissens auf diesen Irrweg gehen kann, oder ob doch der bisherige Weg der richtige war, und die anderen das, aus welchen Gründen auch immer, nicht sehen. An dieser Stelle kann dann zwischen einem selbst und den anderen eine konstruktive Diskussion entstehen, die den Horizont aller Beteiligten erweitert.

Mit diesem dritten Punkt, komme ich zum Abschluss dieser Kolumne und mir bleibt nur noch zu sagen: „Altert in Würde.“

Published inIch Erdling

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