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Diese Person – Eine Liebesgeschichte? – Teil 1: Verliebt

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Ich kann nicht schlafen. Wieder liege ich Stunde um Stunde wach. Meine Gedanken wandern. Sie wandern mal hierhin, mal dorthin und doch immer wieder zurück zu der gleichen Person. Ich weiß nicht, die wievielte Nacht es ist, die ich jetzt wach im Bett liege und nicht schlafen kann. Es ist mir ungewohnt. Normalerweise lege ich mich ins Bett und bin innerhalb weniger Minuten weg, abgetaucht in eine Traumwelt. Eine Traumwelt, aus der mich erst mein Wecker oder das Zwitschern der Vögel am Morgen weckt.
Ich denke an die Person, zu der beständig meine Gedanken schweifen, zu der Person, die mir scheinbar meinen Schlaf raubt. Was hatte sie an sich, dass ich sie nicht vergessen konnte? Ich hörte in mich hinein. Ich hörte auf die Signale, die mir mein Körper sendete, wenn ich an sie dachte. Ich merkte, wie mir mein Herz anfing schneller zuschlagen. Doch warum brachten die Gedanken, an diese Person, mein Herz dazu schneller zu schlagen? Wer war denn diese Person?

Die betreffende Person hatte ich doch nur zufällig kennengelernt. Nur zufälligerweise einige Stunden mit ihr und einigen Bekannten zusammengesessen. Nur flüchtig einige wenige Worte mit ihr gewechselt. Etwas über Gott und die Welt geredet und über schlechte Witze gelacht. Wie konnte es jetzt nur dazu kommen, dass sie auf einmal meine Gedanken und meinen Herzschlag beherrschte? Wie konnte es dazu kommen, dass auf einmal meine Gedanken und Gefühle so irrational waren? Habe ich mir denn nicht vor Jahren selbst geschworen, besonnen und abgeklärt, in Bezug auf meine Gefühle und Gedanken, zu handeln?
Ich erinnere mich an das Treffen zurück. An das, was passierte. Ich erinnere mich an die ausgelassene Atmosphäre. So weit, so normal. Ich gehe das zufällige Treffen Stunde um Stunde; Minute um Minute in meinem Kopf durch. Mir fällt nichts Besonderes auf. Nichts Besonders, bis wir uns verabschiedeten und mich die Person umarmte, womit ich absolut nicht gerechnet hatte. Sie umarmte mich und meinte, dass es sie gefreut hätte, mich kennenzulernen. Während meine Arme um sie liegen, steigt mir ihr angenehmer Duft in die Nase. Ich nehme die Wärme ihres Körpers wahr. Ich erinnere mich, dass ich in diesem Moment dachte, wie schön es wäre, sie einfach weiter, immer weiter in meinen Armen zuhalten. Sie einfach weiter in meiner Nähe halten zu können. Doch warum dachte ich das in diesem Moment? Waren diese Gedanken denn nicht komplett konträr zu meiner sonstigen Einstellung, die da ist, dass man Menschen gut kennen muss, bevor man überhaupt an so etwas wie Liebe denkt oder vom „Verliebtsein“ spricht?
„Verliebt“, dieses Wort kam mir jetzt zum ersten Mal, seit dem ich die Person getroffen hatte, in den Sinn. War ich in die Person, die ich da zufälligerweise kennenlernte, verliebt? Nein, dass konnte nicht sein! Dass ich wirklich verliebt war, war doch schon Jahrzehnte her! Und jetzt sollte ich mich, binnen kürzester Zeit, in eine mir fremde Person verliebt haben? Nein, dass konnte nicht sein! Nein, das durfte nicht sein!
Ich denke zurück, zurück an den Moment, an dem ich bewusst zum letzten Mal verliebt war. Ich gehe zurück in meine Jugend. Zurück in eine unbeschwerte Zeit, in der ich noch unbeschwert meine Gefühle verschenkte. Ich verschenkte sie schnell und unbesorgt, nur um nach wenigen Tagen des Hoffens, bitterlich enttäuscht zu werden. War nicht das der Grund dafür gewesen, dass ich mir schwor, dass es die Liebe auf den ersten Blick nicht gibt, da man sonst nur Verletzung erfährt? Verletzungen, die der andere einem zufügt, vielleicht auch, wenn er es gar nicht möchte, einfach dadurch, dass man ihn eben noch nicht richtig kennt und deswegen nicht einschätzen kann? Doch, das hatte ich mir geschworen! Mir wird schmerzlich bewusst, dass ich seit diesem Moment nie mehr wirklich verliebt gewesen bin. Ich war nie mehr verliebt, da ich mich immer zurücknahm und langsam und besonnen an Beziehungen heranging. Ich stellte fest, dass meine Rationalität und Skepsis mir nicht erlaubt hatten, mich wirklich zu öffnen und auf einen anderen Menschen einzulassen. Doch warum dachte ich jetzt, in dieser schlaflosen Nacht, auf einmal anders?
Ich denke zurück an die „Dates“, die ich in den letzten Jahre hatte, an die Personen, mit denen ich ausgegangen war. Für keine dieser Personen hatte ich etwas empfunden, was über Freundschaft hinaus ging. Ich ging halt mit ihnen aus, um zuschauen, ob sich während der Treffen vielleicht doch das Gefühl von Liebe und tiefer Zuneigung einstellte. Doch das war leider nie der Fall gewesen. Die zwischenmenschliche Beziehung blieb, in Bezug auf die Liebe, einfach immer kühl.

Ich liege noch immer wach in meinem Bett und kann einfach nicht einschlafen. Was könnte ich nur tun, wie könnte ich diese Person, die mich nicht schlafen lässt, nur vergessen? Diese Person … Meine Gedanken wandern zu der Person. Vor meinem inneren Auge zeichnen meine Gedanken ein Bild von ihr, so wie ich sie an jenem Abend sah. Ich sehe das Äußere der Person in allen Einzelheiten vor mir. Ihre Augen, die so klar leuchten. Ihr schönes freundliches Gesicht. Meine Gedanken wandern weiter, sie wandern zu den Charakterzügen der betreffenden Person, wie ich sie an jenem Abend kennenlernte. Die Person war eigentlich das komplette Gegenteil von mir. Sie war ein Lebemensch. Bei dem geselligen Treffen mit meinen Freunden, bei dem ich die betreffende Person kennenlernte, merkte ich recht schnell bei unseren Gesprächen, dass sie das komplette Gegenteil von mir war. In Situationen, in denen ich über die Auswirkungen von mir, auf mein Umfeld, oder sollte ich besser sagen, auf meine Umwelt, nachdachte, da war ihr alles egal, solange sie nur gut und glücklich, im Moment, leben konnte. Während bei anderen Dingen, die ich spontan tat und sagte, sie zurückhalten und bedächtig war. Ich stellte fest, dass ich fasziniert von ihr war und dass ebendiese Faszination sie mir anziehend erscheinen ließ. Doch war es das, was mich „verliebt“ erscheinen ließ? Ja, das war es!
Aber was sollte ich jetzt tun? Ich konnte diese Person, auch wenn sie das komplette Gegenteil von mir war, nicht vergessen. Vielleicht doch versuchen, eine Beziehung zu ihr aufzubauen, die über reine Freundschaft hinaus geht? Nein, das hätte sicherlich keinen Sinn! Eine „Liebesbeziehung“ hätte keinen Sinn, da wir zu verschieden waren und uns wahrscheinlich, über kurz oder lang, auf die Nerven gingen. Wir nervten uns sicherlich, da wir nicht aus unseren Häuten könnten, sondern versuchten unsere Überzeugungen zu leben und den anderen ein Stück weit aufzudrängen! Wie sollte da ein Zusammenleben funktionieren? Wie sollte man jemals in Harmonie miteinander leben, wenn doch fast alle Einstellungen konträr zueinander waren?

Da bin ich nun, liege immer noch wach in meinem Bett und fühle mich das erste Mal, seit mehr als einem Jahrzehnt, wieder verliebt. Ich bin verliebt und weiß einfach nicht, was ich tun soll, da mein Kopf das eine sagt und mein Herz das andere. Ach, wie grausam doch das Schicksal ist, dass einen die Liebe suchen lässt, aber einen nicht die vollumfängliche Liebe schenkt. Das Schicksal, das einen Illusionen in Kopf und Herz pflanzt, die einen quälen, weil man tief in seinem Inneren weiß, dass sie nie die erhofften Früchte tragen werden. Man weiß, trotz aller scheinbaren Verliebtheit, dass nie die Jahre der wirklichen Liebe folgen werden, sondern höchstens ein kurzer Moment der Verliebtheit und vielleicht der Zweisamkeit, aber sicherlich, eher früher als später, der Bruch und die Ernüchterung.

Doch wie jetzt Schlaf finden? Wie jetzt weiterleben? Ich weiß es nicht. Und so liege ich einfach weiter wach und gehe meinen Gedanken nach.

Published inDiese Person - Eine Liebesgeschichte?Erzählungen

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