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Momente – Teil 12: An einer Wasserquelle im Wald

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Ich bin mit einem Freund wandern. Wir sind früh morgens um sechs Uhr aufgebrochen und sitzen gerade an einer Wasserquelle mitten im Wald, um unser mitgebrachtes Mittagessen zu verspeisen. Ich genieße gerade meinen mitgebrachten Vollkornnudelsalat, als mein Freund fragt: „Hast du nicht Lust, heute Abend mit auf eine Feier von einem Bekannten zu kommen? Es werden wahrscheinlich viele unserer Freunde da sein. Gesamt rechnet er mit fast fünfzig Leuten.“ „Nee, lass mal gut sein. Ich muss mir so eine Menschenansammlung momentan nicht geben.“ „Na komm schon, das wird ein Spaß und wir hatten schon seit Monaten keine solche Feier mehr. Du hast doch sicher Zeit und was sollte schon dabei sein, einfach mal wieder etwas zu feiern?“ „Es hat einen Grund, dass wir schon seit Monaten keine solchen großen Feiern mehr hatten. Und der Grund ist, dass gerade eine Pandemie die Welt in ihrem Griff hält. Eine Pandemie, die jeden Tag hunderttausende sich neu infizieren und tausende andere sterben lässt.“ „Ach was, so schlimm ist das nicht, das ist doch alles nur durch die Medien aufgebauscht oder kennst du etwa jemanden persönlich, der sich infizierte oder an dem Virus starb?“ „In meinem Arbeitsumfeld gibt es einige, die eine Infektion durchgemacht haben, aber einen, der an den Virus gestorben ist, kenne ich wirklich nicht persönlich.“ „Da siehst du es doch, es wird viel zu viel Aufhebens wegen nichts gemacht. Der Virus ist wahrscheinlich relativ harmlos, also kein Grund sich vor einer Infektion zu fürchten und unnötig einzuschränken.“ „Ich glaube nicht, dass der Virus relativ harmlos ist. Sonst hätte es nicht Situationen gegeben, in denen sich sowohl in Norditalien, als auch in den USA, die Leichen in den Straßen gestapelt haben.“ „Ach, das ist doch alles nur aufgebauscht, das sind ‚Fake News‘ um uns in Angst und unter Kontrolle zu halten. Sie wollen doch nur, dass wir regierungshörig leben und uns alles, was sie als Maßnahmen beschließen, gefallen lassen. Sie wollen nur eine Meinungsdiktatur errichten, in der alle Bürger das, was die Politiker und die gekauften Wissenschaftler behaupten, glauben.“ „Da muss ich dir widersprechen. Ich bin nämlich nicht deiner Meinung, stattdessen glaube ich, dass es die Pandemie wirklich gibt und dass sowohl die Wissenschaftler, als auch die meisten Politiker versuchen, das zu tun, was in der jetzigen Situation richtig ist. Darüber hinaus ist Vorsicht die Mutter der Porzellankiste und ich kann so, wie die Umstände jetzt sind, gut leben. Ich kann wandern gehen, Freunde, Familie und Bekannte treffen, wenn auch mit Vorsicht und etwas Abstand. Kurz, ich kann immer noch ein gutes Leben führen und mein Leben im Kleinen genießen. Ich brauche keine großen Feiern, bei denen die Menschen dichtgedrängt stehen und sich selbst und jegliche Rücksicht vergessen.“ „Man, sei kein Spaßverderber! Du lebst nur einmal und da muss man sein Leben genießen!“ „Du hast recht, man lebt nur einmal und gerade deswegen sollte man sorgsam mit seinem und fremdem Leben umgehen und es nicht leichtfertig riskieren. Dazu gibt es auch eine schöne Redewendung: ‚Nur der Tod ist ewig.‘ und da lebe ich lieber jetzt etwas vorsichtiger und rücksichtsvoller, als gar nicht mehr. Ich suche lieber meine Freude im Kleinen, zum Beispiel bei einer Wanderung wie dieser oder bei der Lektüre eines guten Buches, als irgendwann, aus Unvorsichtigkeit, mich zu infizieren und danach nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr zu leben.“ „Ach, mit dir ist nicht zu reden. Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, dass du dich nicht ansteckst, egal wie vorsichtig du auch bist, also kannst du auch einfach dein Leben genießen.“ „Es stimmt, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, dass ich mich nicht anstecke, aber ich muss es nicht provozieren. Je länger ich dem Virus entgehe, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Wissenschaft einen Impfstoff oder ein antivirales Mittel findet, dass gut gegen den Virus hilft.“ „Aber das wird vielleicht nie der Fall sein!“ „Stimmt, dann muss ich eben mein ganzes Leben lang etwas sorgsamer und rücksichtsvoller leben, schaden tut es auf jeden Fall nicht. Also dann, genug der Diskussion, ich habe mein Mittag fertig gegessen und wir wollen heute ja noch nachhause kommen. Also los, lass uns weiterlaufen.“

Als ich den letzten Satz gesagt habe, packe ich meinen Rucksack, schultere ihn und wir setzen unsere Wanderung fort. Wir beginnen zu laufen und ich frage mich, ob ich doch zu vorsichtig bin. Ich frage mich, ob mein Freund doch recht hat, aber ziemlich schnell lege ich die Zweifel zu den Akten, denn nichts ist so kostbar wie das Leben und so gibt es keinen Grund, es leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Es gibt keinen Grund, schnell und unbedacht zu leben.

Published inMomente

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