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Momente – Teil 20: In einem Bekleidungsgeschäft

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Ich bin mit einer Bekannten in einem Bekleidungsfachgeschäft. Meine Bekannte hat mich dazu überredet, mit ihr einkaufen zugehen, da sie sich selbst einige neue Kleidungsstücke kaufen möchte und gehört hat, dass ich auch ein paar neue Sachen bräuchte, da mein Bestand an T-Shirts und Hosen die untere Anzahl erreicht hat, mit der ich gemütlich, ohne übermäßig häufig zu waschen, durchs Leben komme. Meine Bekannte meinte, das sie mit mir einkaufen ginge, um wenigstens einmal einen ansehnlichen Menschen aus mir zu machen.

Jetzt bin ich also mit meiner Bekannten im Modefachgeschäft, gehe zielgerichtet auf einen Kleidungsständer mit T-Shirts zu, die schlicht schwarz und aus hundert Prozent Biobaumwolle sind und nehme mir drei Stück, um meinen Bestand wieder aufzufüllen. Meine Bekannte, die das sieht, schaut mich fassungslos an und fragt: „Was soll denn das werden?“ „Ich kaufe mir drei gute, zeitlose T-Shirts aus Biobaumwolle.“ „Zeitlos? Eher altmodisch! Mit so etwas kann man heute doch nicht mehr auf die Straße gehen, hier, wie wäre es mit so einem T-Shirt?“ Mit diesen Worten reicht sie mir ein T-Shirt, das mehrfarbig ist und auf dessen Vorder- und Rückseite ein großer Schriftzug prangt, der mir nichts sagt. Ich schaue auf das Etikett und lese, dass das T-Shirt je zur Hälfte aus Polyester und Baumwolle besteht. Darauf hin sage ich zu meiner Bekannten: „Nein, das ist nichts für mich, damit sehe ich ja aus wie eine Werbetafel. Eine Werbetafel für ein Produkt, dass ich nicht einmal kenne. Doch, nicht nur das. Darüber hinaus besteht das T-Shirt auch zur Hälfte aus Polyester, das durchs Waschen und Tragen in die Umwelt gelangt und dort als Mikroplastik alle Lebewesen langsam vergiftet.“ „Nun hab dich nicht so, das T-Shirt ist modern und Polyester ist in fast allen Kleidungsstücken enthalten, so dass kein Grund besteht, wegen ihn auf einen Kauf zu verzichten.“ „Nur weil etwas überall drin ist, heißt es noch lange nicht, dass es gut ist. Darüber hinaus ist mir egal, ob etwas modern ist, denn wie sieht es mit dem ‚Modern’ im nächsten Jahr aus? Ist das Kleidungsstück dann auch noch modern oder wird von mir erwartet, dass ich jedes Jahr ein neues Kleidungsstück kaufe, dass im Trend liegt, obwohl das Kleidungsstück noch gut ist? Nein, für so etwas bin ich nicht zu haben. Ich kaufe mir lieber nachhaltige, zeitlose Kleidungsstücke!“ „Man, was ist denn mit dir los, warum weigerst du dich so krampfhaft, zu akzeptieren, dass das der Lauf der Welt ist? Willst du denn nicht einmal etwas hermachen? Möchtest du nicht, dass du den Menschen auffällst und dadurch leichter mit ihnen ins Gespräch kommst? Möchtest du nicht um den Preis von ein paar Kleidungsstücken deine Chancen, in allen Lebensbereichen, verbessern?“ „Nicht um den Preis, unnötig die Welt zu zerstören und darüber hinaus etwas darzustellen, was ich absolut nicht bin. Wenn das, was du mir jetzt vorschlägst, für dich der richtige Weg ist, tust du mir echt leid!“ „Was willst du mir jetzt damit sagen?“ „Dass du meiner Meinung nach häufig viel zu viel auf Äußerlichkeiten, wie dein Aussehen oder deine Kleidung gibst. Bei dir muss alles zusammenpassen und gerade in Trend liegen und wenn eines deiner Kleidungsstücke aus der Mode kommt, was normalerweise spätestens nach einem Jahr der Fall ist, kaufst du dir einfach ein neues, obwohl das alte Kleidungsstück häufig noch gut ist. Was für eine Verschwendung!“ „Hey, dadurch fühle ich mich halt gut und bekomme die Beachtung, die mir zusteht, und daran ist doch nichts falsch!“ „Doch, da du nicht wegen deiner inneren Werte die Beachtung bekommst, sondern nur wegen Äußerlichkeiten, die du dir mit Geld kaufst. Und da mit zunehmenden Alter dir scheinbar die Kleidung nicht mehr reicht, um aufzufallen, trägst du auch mehr Schminke als früher, wie mir bereits aufgefallen ist, und operativ hast du dir auch schon einige Schönheitskuren, die komplett unnötig waren, gegönnt.“ „Na und, so fühle ich mich nun einmal schön und andere empfinden mich auch als schön, und das ist doch etwas Tolles!“ „Nein, die Schönheit, die du mittlerweile verkörperst, ist keine natürliche Schönheit mehr, sondern eine Krankhafte. Deine Schönheit ist eine durch Medien und die Gesellschaft diktierte Schönheit, die nichts mehr mit wahrer Schönheit, die von innen kommt, zu tun hat. Kurz, du strahlst keine Schönheit aus, die in einem guten Charakter ihren Ursprung hat, sondern eine künstliche, wie eine Barbiepuppe, wobei es eher eine Mischung aus Barbiepuppe und Clown ist.“ „Du Arsch!“, sagt meine Bekannte abschließend, gibt mir eine schallende Ohrfeige und geht ohne ein weiteres Wort von dannen.

Vielleicht hätte ich nicht mit ihr einkaufen gehen sollen? Vielleicht hätte ich einfach die von ihr empfohlenen Sachen kaufen sollen? Vielleicht hätte ich auch einfach meinen Mund halten sollen?

Ja, vielleicht, doch so bin ich nun einmal nicht.

Published inMomente

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