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Momente – Teil 21: Im Wohnzimmersessel

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Ich habe meinen alten Schallplattenspieler und die alten Schallplatten vom Dachboden geholt. Es sind Schallplatten, die ich aufgrund der Digitalisierung der Welt und Platzproblemen, in meiner Wohnung, schon seit über einem Jahrzehnt nicht mehr hörte. Ich lege Platte um Platte auf, suche mit der Nadel die Tonspur, setze mich in meinen Sessel und schließe die Augen. Mit geschlossenen Augen kehre ich zurück in eine andere Zeit, in eine andere, einfache Welt.

Die Musik, die von den Vinylplatten abgetastet wird und über die Boxen mein Wohnzimmer erfüllt, berührt mich. Sie berührt mich, da viele Erinnerungen mit den Liedern verbunden sind. So viele Erinnerungen, an viele schöne, aber auch einige traurige Momente. Ich denke zurück an alte Familienangehörige, Freunde und Bekannte und mir steigen Tränen in die Augen. Ich frage mich, was aus all diesen Menschen, die ein Teil meines Lebens gewesen sind, geworden ist. Was ist aus all den Menschen geworden, die ich einst traf und von denen es früher oder später Abschied nehmen hieß, als sich unsere Lebenswege gabelten und wir in unterschiedliche Richtungen abbogen? Ach, wie viele Freundschaften, von denen ich einmal dachte, dass sie ewig währten, sind bereits vergangen? Wie viele Freunde sind durch Unfälle und Krankheit schon aus ihrer Existenz geschieden? Viel zu viele! Und was mir bleibt, sind die Lieder unserer gemeinsamen Zeit. Die Balladen unserer Jugend, unserer Abenteuer und unseres gemeinsamen Lebensabschnittes. Es sind die Lieder unserer Begegnung im Leben.
Doch was sind das für Lieder, die von unserer gemeinsamen Zeit künden? Es sind Lieder, die von Mut, Aufrichtigkeit und den Kampf für die richtige Sache handeln. Es sind Lieder mit einem tieferen Sinn. Mir fällt auf, dass keines der Lieder, die ich mit meinen alten Freunden und mit mir in Verbindung bringe, Pop-, Techno- oder ähnliche Lieder sind. Nein, die Lieder sind fast alle Punk-, Rock-, Mittelalter- oder Metalllieder. Es sind Lieder mit harten und weichen Gesängen und Klängen. Es sind verschiedene Lieder, die trotz ihrer Verschiedenheit etwas gemeinsam haben. Ihre Gemeinsamkeit ist der verständliche Gesang. Es sind Lieder, in denen der Sänger oder die Sängerin, durch seine oder ihre Gefährten musikalisch begleitet, Lebensweisheiten und Kritik den Menschen näher bringen möchte. Kurz, es sind Lieder, die die Menschen formen und zum Nachdenken bringen sollen. Ob zum guten oder zum schlechten sei einmal dahin gestellt.
Ich höre Schallplatte um Schallplatte, Lied um Lied und Bilder von vergangen, vielleicht besseren Zeiten treten vor meine Augen. Freude, Trauer, Angst und Hoffnung geben sich nacheinander die Klinke in die Hand, während meine Gedanken immer weiter schweifen. Ich merke, dass die Musik noch das schafft, was Bücher und Filme schon lange nicht mehr bei mir schaffen, sie berührt mich zutiefst. Die Lieder schaffen es, in die Tiefen meiner Seele zu gelangen, mich zum Nachdenken anzuregen und mir Hoffnung zu geben.

Als schließlich die letzte meiner Schallplatten abgespielt ist, erhebe ich mich von meinem Sessel, packe den Schallplattenspieler und die Schallplatten wieder auf den Dachboden und flüstere zum Abschied: „Bis später einmal, wenn ich Mut und eine Begegnung mit meiner Vergangenheit brauche. Dank euch, die ihr mir treue Freunde seid, auch wenn ich euch Jahre keine Aufmerksamkeit schenke. Dank euch, die ihr es immer noch schafft, mir Freude und Träume zu schenken.“

Published inMomente

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