Zum Inhalt springen

Momente – Teil 25: In einem Café

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Ich sitze in meinem Stammcafé, trinke eine Tasse Tee und esse ein Stück Kuchen. Während ich diesen Gaumenfreuden nachgehe, lese ich eine Zeitung. Ich sitze still und allein in dem halb gefüllten Café, als ich plötzlich die Tür gehen höre und daraufhin aufblicke. Ich blicke auf, da das Café auch regelmäßig von meinen Freuden und Bekannten frequentiert wird und vielleicht jemand kommt, mit dem ich etwas plauschen kann. Ich sehe ein mit mir befreundetes Pärchen, das erst seit eins, zwei Wochen miteinander ausgeht, eintreten und an einem Tisch für zwei, Platz nehmen. Während sie sich setzen, blicken sie sich noch einmal im Café um und als mich ihre Blicke streifen, hebe ich freundlich, zum Gruß, meine Hand. Meine beiden Bekannten stutzen einen Moment und erwidern dann den Gruß. Doch zu mir kommen oder etwas sagen, tun sie nicht. Scheinbar ist damit der Höflichkeit auch Genüge getan, denn sie setzen sich gänzlich und wir gehen wieder unseren individuellen Beschäftigungen nach.
Ich gehe meiner Beschäftigung, dem Lesen der Zeitung, die ich fast durchgelesen habe, nach, aber was ist die Beschäftigung des mit mir befreundeten Pärchens? Ihre Beschäftigung ist, wie ich aus den Augenwinkeln sehe, ihre Smartphones. Sobald beide Platz genommen haben, nahmen sie ihre Smartphones in die Hand, von denen sie nur ihre Blicke heben, um eine Bestellung aufzugeben. Meine beiden Bekannten, die doch eigentlich noch frisch verliebt sind, haben schon keine Blicke und Worte mehr für einander, sondern nur noch für ihre Smartphones. Sie schauen sich nicht an und sprechen auch nicht über ihre Träume und Wünsche, nein, sie sind in einer digitalen Welt gefangen, die sie die reale Welt und das hier und jetzt vergessen lässt. Sie blicken lieber gebannt auf die digitalen Geräte in ihren Händen, anstatt direkt miteinander zu interagieren, um sich Sekunde um Sekunde besser kennenzulernen.
Bei dem Anblick, den mir das mir befreundete Pärchen bietet, wird mir angst. Mir wird angst, da ich zwischen ihnen, die doch noch relative frisch zusammen sind, keine Zuneigung und Liebe sehe, sondern nur eine kalte Abwesenheit. Selbst als ihre bestellten Kuchen und Getränke an ihren Tisch gebracht werden, legen sie ihre Smartphones nicht zur Seite, sondern nehmen die Speisen und Getränke, nebenbei, wie im Automatikmodus, zu sich.
Das, was ich in Gestalt des mit mir befreundeten Pärchens sehe, macht mir wirklich angst. Es macht mir angst, da ich den Eindruck gewinne, dass es sich bei den beiden nur um zwei Maschinen handelt, die mit anderen Maschinen aber nicht untereinander kommunizieren können. Ich frage mich, was die beiden überhaupt noch verbindet, wenn sie doch nur allein, zwar in Gegenwart des jeweils anderen, ihren individuellen Vergnügungen nachgehen, anstatt sich miteinander zu beschäftigen. Ist der einzige Zweck ihres Zusammenseins, vielleicht der, irgendwann neue Maschinen in die Welt zu setzen, die sie dann, wenn sie alt und verschließen sind, ersetzen?
Etwas anderes kann ich mir bei dem Anblick, den sie mir bieten, mit jeglicher Kommunikation zwischen ihnen fehlend, nicht vorstellen. Ich kann mir bei dem, was ich sehe, nicht vorstellen, dass sie auf einmal vollkommen für einander da sind. Sie sich liebten und liebkosten, nein, wahrscheinlich war auch der Akt streng durchgetaktet. Sachen runter, rein, raus und fertig. Mir fröstelt bei dem Gedanken.
Ich mag nicht mehr das mit mir befreundete Pärchen betrachten, doch habe ich auch keinen Nerv mehr, meine Zeitung weiterzulesen und so blicke ich mich im Café um. Ich blicke mich um und sehe, dass auch fast alle anderen Gäste, sein sie allein, zu zweit oder zu dritt da, ihre Smartphones in der Hand oder zumindest griffbereit haben. Ich sehe, wie das Smartphone das Zentrum der Aufmerksamkeit vieler Gäste ist und mir wird bange. Wo bin ich nur gelandet? Was ist aus der Welt geworden, in der ich aufwuchs und in der für viele Menschen das wichtigste die direkte Kommunikation und die direkte Pflege von Freundschaften war? Scheinbar habe ich diese Welt verlassen und landete stattdessen in einer Welt von Maschinen, die von anderen Maschinen gesteuert werden. Ich frage mich, wo die alles steuernde Intelligenz für diese Maschinen sitzt. Sicherlich nicht in den Köpfen der Menschen, die ich gerade betrachte!

Mir wird unwohl. Ich muss raus. Ich bezahle mein Essen und meine Getränke und verlasse das Café. Ich verlasse das Café und sehe überall Zombies, die mit auf ihre Smartphones gerichteten Blicken umherlaufen. Ich trete auf den Fußweg, nur um von einem Fahrradfahrer, der auf dem Smartphone, dass sich am Lenker seines Fahrrades befindet, herumtippt, angefahren zu werden.

Schöne, kaputte, von Maschinen gesteuerte und bestimmte Welt.

Published inMomente

Diese Webseite verwendet nur technische Cookies, die zur Funktion der Webseite notwendig sind. Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du ihrer Verwendung zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen