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Momente – Teil 26: Im Schlossgarten

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Ich sitze auf einer Picknickdecke im Schlossgarten und warte. Ich warte auf eine gute Freundin und einige andere Bekannte, mit denen ich gemeinsam ein Picknick veranstalten möchte. Der vereinbarte Zeitpunkt für den Beginn des Picknicks kommt und geht, ohne das meine gute Freundin auftaucht. Stattdessen kommen die anderen Bekannten und setzen sich, einer nach dem anderen, mit zu mir auf die Wiese. Wir begrüßen uns und nach einer Weile kommt die Frage auf, ob noch jemand zu kommen beabsichtigte oder ob wir mit dem Picknick beginnen sollten. Ich antworte, dass noch meine gute Freundin fehlte und ich gleich versuchte sie anzurufen. Gesagt, getan. Ich wähle ihre Mobiltelefonnummer und in meinem Smartphone erklingt der Rufton. Er erklingt und erklingt, aber meine gute Freundin geht nicht ran. Nach einer Weile meldet sich stattdessen der Anrufbeantworter und ich lege auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. „Mmh, sie geht nicht dran.“, sage ich zu meinen übrigen Bekannten und frage mich, ob ihr vielleicht etwas passiert ist. Abschließend sage ich zu den Anwesenden: „Lasst uns noch fünf Minuten warten und wenn sie dann noch nicht da ist, fangen wir an.“ Meine Bekannten stimmen zu und so verstreicht die Zeit, während ich mich frage, was mit meiner guten Freundin wohl los ist.

Die fünf Minuten sind vergangen und meine gute Freundin ist immer noch nicht da. Ich versuche sie noch einmal anzurufen, doch wieder erklingt nur der Rufton, bis sich schließlich der Anrufbeantworter meldet. Als ich das meinen Bekannten mitteile, meinen sie, dass sie auch noch mal versuchten, sie über eine ihrer Chatgruppe zu erreichen, um zu fragen, ob sie noch käme. Das getan, fangen wir mit dem Essen an.
Nach etwa einer halben Stunde des gemeinsamen Palavern und Essen piepen die Smartphones meiner Bekannten. Sie holen sie aus ihren Taschen heraus, schauen kurz auf die Displays und meinen, dass meine gute Freundin geschrieben habe, dass sie nicht mehr käme, da es ihr nicht gut ginge. Ich nehme die Aussage zur Kenntnis und frage mich, warum sie mir das nicht selbst geschrieben oder mich angerufen hat, um Bescheid zu geben, dass sie nicht mehr käme. Ich frage mich, warum ich von anderen erfuhr, dass sie nicht mehr käme, obwohl wir uns ja persönlich, abseits einer Chatgruppe, und das auch noch kurzfristig, verabredet hatten.
Über diese Frage wandern meine Gedanken auch zu den letzten Verabredungen zurück, die meine gute Freundin und ich ausgemacht hatten. Ich denke zurück und stelle fest, dass wir in den letzten zwei Jahren fünf persönliche Treffen vereinbart hatten. Fünf Treffen, von denen nur eins zustande kam! Bei den anderen vier kam sie nicht. Sie kam nicht und auch da erfuhr ich erst durch Bekannte, wenn ich sie nach meiner guten Freundin fragte, dass sie kurzfristig abgesagt habe.
Über diese Gedanken wird mir bewusst, dass meine „gute Freundin“ eigentlich gar keine „gute Freundin“ mehr ist. Sie ist keine gute Freundin mehr, sondern nur noch eine Bekannte, den Freunde und vor allem gute Freunde, sollten zuverlässig sein oder, wenn wirklich mal etwas dazwischenkommt, die Courage habe, persönlich Bescheid zu sagen, anstatt den guten Freund im Zustand der Unwissenheit zu lassen.

Ja, jetzt, auf dem Picknick mit meinen Bekannten, wird mir bewusst, dass das Verhalten meiner ehemaligen guten Freundin, absolut nicht dem Verhalten entspricht, das ich von einem Freund und erst recht von einem „guten Freund“ erwarte.
Bei diesem Gedanken wird mir Schwer ums Herz, denn wir hatten viele schöne Zeiten durchlebt. Wir verbrachten viele lustige und schöne Jahre, als Freunde verbunden, in denen wir zwar auch ab und an mal stritten, aber doch meistens gemeinsam lachten. Wir waren gute Freunde gewesen, bis vor zwei Jahren plötzlich eine absolute Unzuverlässigkeit Einzug in unsere Bekanntschaft hielt.
Ich bin traurig und da ich merke, wie mich die Enttäuschung seelisch mitnimmt, beschließe ich, die ehemalige Freundschaft nicht mehr von meiner Seite her zu pflegen. Ich beschließe sie, von meiner Seite her sterben zu lassen, da ich sonst nur immer und immer wieder verletzt würde. Darüber hinaus stelle ich mir auch die Frage, was es für einen Sinn hat, zu versuchen eine Freundschaft zu führen, wenn alle freundschaftlichen Bemühungen nur einseitig sind? Es hat keinen Sinn! Der Grund dafür ist, dass Freundschaften nur entstehen und bestehen können, wenn sie beidseitig gewünscht sind und gepflegt werden. Von einer Seite allein her, auch wenn es einem schwerfällt, sich das einzugestehen, kann eine Freundschaft nie geformt und erhalten werden.

Das Picknick endet und ich frage mich, ob sich meine Bekannte noch bei mir melden wird, um mir zu sagen, warum sie nicht kam. Doch in meinem Herzen weiß ich schon, dass dem nicht so sein wird. Es wird so sein, wie es die letzten dreimal war, als sie ohne etwas zu sagen, nicht kam. Sie wird beim nächsten Treffen einfach so tun, als sei nie etwas gewesen und versuchen so weiterzumachen, wie es bisher zwischen uns war. Aber nein, dass kann ich nicht mehr. Nein, so etwas kann für mich keine Freundschaft sein. Nein, so etwas darf für mich keine Freundschaft sein!

Und während ich mich auf den Heimweg mache, steigen mir Tränen in die Augen. Tränen die von Enttäuschung und einer verletzten Seele kündigen.

Published inMomente

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