Zum Inhalt springen

Momente – Teil 47: Im Krankenhaus

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Seit zehn Tagen liege ich mittlerweile in einem kleinen Zimmer mit zwei anderen Mensch. Zehn Tage, in denen die Ärzte nicht genau wissen, was ich habe. Am ersten Tag hatten sie mir Blut abgenommen, um es im Labor untersuchen zu lassen. Am sechsten Tagen stellten sie dann fest, dass meine Blutprobe irgendwie verloren ging. Meine Blutprobe verscholl auf dem Weg von der Entnahme zur Untersuchung. Also nahmen sie am sechsten Tag erneut eine Blutprobe, die sie zur Analyse schickten. Seit diesem Tag hörte ich nichts mehr von ihr und auch keinen endgültigen medizinischen Befund, durch die behandelnden Ärzte.

Wie war es nur dazu gekommen, dass ich bereits seit zehn Tagen im Krankenhaus liege und den größten Teil meiner Zeit im Bett dahinvegetierte? Begonnen hatte alles am Morgen vor zehn Tagen, als ich mit 39,5 °C Fieber, rötlichen Hautausschlag und leichtem Husten aufwachte. An und für sich fühlte ich mich eigentlich gut und voller Tatendrang, doch das Fieber und der starke Hautausschlag machten mir Sorgen. Ich überlegte, ob ich einfach im Bett liegen bleiben sollte, doch als nach einer Stunde das Fieberthermometer 39,6 °C anzeigte und mein Hautausschlag noch schlimmer wurde, ließ ich mich von einem Bekannten, zum Bereitschaftsarzt fahren. Der Bereitschaftsarzt befand sich in den Räumlichkeiten des städtischen Krankenhauses und Dienst hatte an diesem Tag eine Bereitschaftsärztin. Die Bereitschaftsärztin untersuchte mich und ließ sich, auf Grund meiner Symptome, eine Urinprobe von mir geben, um sie anschließend zu untersuchen. Bei der Untersuchung der Urinprobe stellte sie fest, dass sich Eiweiß in ihr befand, worauf hin sie mich gleich ins Krankenhaus einwies.
Zwanzig Meter weiter, an der Anmeldung des Krankenhauses angekommen, nahmen sie meine ganzen Daten auf und wiesen mir ein Zimmer zu, in dem bereits zwei andere, mir unbekannte Herren, lagen. In den zwei Betten, die außer meinem Bett in dem Zimmer standen, lagen zwei Herren, die deutlich älter als ich waren und einen noch ungesünderen Eindruck als ich machten. Da war ich also, das erste Mal seit meiner Geburt wieder als Patient in einem Krankenhaus. Und dachte bei mir, dass ich gut und gerne auf diese Erfahrung hätte verzichten können.

Der weitere Verlauf meiner Behandlung sah dann so aus, dass sie mir am ersten Tag einen Katheter legten und mir intravenös Kochsalzlösung und Medikamente verabreichten. Dann hieß es, still liegen und lesen oder fernsehen. Die Ärzte oder Krankenschwestern kamen am ersten, zweiten und dritten Tag alle zwei Stunden zum Fiebermessen. Vor allem am zweiten Tag war ich das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit, da ich bereits zum Frühstück 39,9 °C Fieber hatte und das Fieber trotz Infusionen und der Verabreichung fiebersenkender Mittel im Laufe des Tages immer weiter anstieg, bis das Fieberthermometer 40,7 °C gegen elf Uhr abends zeigte. Als die Krankenschwester diesen Messwert sah, meinte sie, dass sie noch einmal ganz dringend mit dem Arzt über meine Medikamentierung sprechen müsse, worauf sie verschwand und wenige Minuten später mit einem Zäpfchen, dass ein fiebersenkendes Mittel enthielt, wiederkam. Sie gab es mir und mir blieb nichts anders übrig, da ich ja wieder gesund werden wollte, als es mir rektal einzuführen. Das erledigt, fiel ich bald in einen unruhigen Schlaf. Einen Schlaf, aus dem ich am nächsten Morgen ermattet, aber mit deutlich geringerem Fieber erwachte.
Die weitere erwähnenswerte Behandlung oder eher Diagnostik, war darüber hinaus, das Röntgen meiner Lunge. Bereits am ersten Tag röntgen sie mir aufgrund meines Krankheitsbildes, meine Lunge, und daran anschließend jeden dritten Tag. Der Grund dafür war, dass sie mein Husten und das Fieber davon ausgehen ließ, dass ich eine Erkrankung der Lunge hatte. Bereits auf dem ersten Röntgenbild sah ich, dass sich weiße Schleier dort befanden, wo eigentlich mein linker Lungenflügel zu sehen sein sollte. Als die Ärzte das Röntgenbild sahen, nahmen sie die erste Blutprobe, die Blutprobe, die verschwand, um die genaue Ursache meiner Erkrankung und der Entzündung des Lungenflügels, zu bestimmen.

Abgesehen von der Diagnostik und der Behandlung, verging die Zeit im Krankenhaus quälend langsam, denn irgendwann machte das Lesen von Büchern keinen Spaß mehr und auch im Fernsehen kam immer nur der gleiche Müll. So verstrichen die Tage bis heute, den zehnten Tag.

Es ist mein zehnter Tag im Krankenhaus. Es ist morgens, noch vor dem Frühstück, und ich liege wie üblich in meinem Krankenhausbett. Ich schaue über meine zwei Zimmergefährten hinweg aus dem Fenster. Meine Zimmergefährten haben sich geändert, die ursprünglichen beiden, die bei meiner Einweisung da waren, verließen mehr oder weniger gesund das Krankenhaus und kurz darauf nahmen zwei andere Männer ihren Platz ein.
Ich blicke aus dem Fenster und sehe in der Ferne bewaldete Berge. Ach, wie gerne würde ich nur wandern gehen. Wie gerne mit meinen Füßen und mit meinem ganzen Körper, die erfrischenden Strapazen einer schönen Wanderung spüren. Ach, wie gerne würde ich mich in den Wald begeben, mit ganzer Lust durch ihn laufen und den Klängen der Natur lauschen. Doch leider bleibt es mir verwehrt.
Ach, wie häufig merken wir Menschen erst, was uns wirklich kostbar und wichtig ist, wenn wir es verloren haben. Ach, wie leichtsinnig gehen wir nur allzu häufig mit dem um, was uns Freude und Glück im Leben bereitet. Warum merken wir Menschen nur allzu häufig erst, was wirklich wichtig ist, wenn wir es nicht mehr haben?
Ich denke an all die Menschen, die unbedacht oder grob fahrlässig ihre Gesundheit und ihre Leben aufs Spiel setzen. Ich denke an die Menschen, die aus Leichtsinn ihre Körper und ihre Gesundheit gefährden oder gar zerstören, nur um dann zu merken, was sie sich da eigentlich antun. Doch dann ist es meist zu spät. Zu spät, um noch einmal umzukehren, um das eigene Leben und die Gesundheit zu erhalten, auf dass man das Leben möglichst lange und gesund genießen kann. Ich sehe raus, aus dem Krankenhausfenster, und frage mich, warum es uns Menschen nur so verdammt schwerfällt, unser Glück im Kleinen zu finden. Warum streben wir Menschen immer nur nach mehr und noch mehr, auch auf das Risiko hin, dass wir am Ende vor einem Nichts stehen, da wir durch blindes, häufig selbstzerstörendes Streben nach mehr, alles, was wir bereits besitzen, zerstören. Wir zerstören durch unser blindes Streben, die kleinen, aber fürs glückliche Leben unerlässlichen Freuden, die uns, wenn wir uns ihrer besönnen, viele Jahrzehnte lang unsere Leben bereicherten.

Über meine Gedanken verstreicht die Zeit und der Stationsarzt kommt zur Visite. Er sieht mich und lächelt. Er sagt: „So, heute kannst du wieder nachhause gehen, die weitere Behandlung übernimmt dein Hausarzt. Du musst nur noch einmal nächste Woche zum Röntgen vorbeikommen, so dass wir überprüfen können, dass sich deine Lunge auch richtig regeneriert.“ Ich freue mich, dass ich endlich wieder nachhause kann. Doch der Arzt fügt noch hinzu: „Aber noch einen Moment, ich schau mal, ob ich noch etwas für dich habe.“ Darauf hin durchblättert er meine Akte und meint: „Ach, heute ist auch endlich der Befund gekommen. Mmh, lass mal sehen. Du hattest eine a-typische Lungenentzündung. Den Befund gebe ich dir für deinen Hausarzt mit. Darüber hinaus gilt für dich, für die nächsten drei Monate, ein Sport verbot. Für dich gilt, drei Monate keine starken körperlichen Anstrengungen, damit sich deine Lunge wieder vollständig regenerieren kann.“
Ich danke den Arzt für seine Worte und packe meine Sachen zusammen, um mich abholen zu lassen. Endlich geht es wieder nach Hause, in meine eigenen vier Wände. Endlich brauche ich nicht mehr nur im Bett zu liegen und dahinzuvegetieren! Doch die Worte des Arztes hallen mir in meinen Ohren nach. Drei Monate lang, keine starke körperliche Belastung. Das bedeutet für mich, dass ich noch drei Monate auf das verzichten muss, was mir wirklich Spaß macht, nämlich aufs Tischtennisspielen und aufs ausgiebige Wandern. Doch sei es darum, die drei Monate gehen auch vorbei und danach kann ich meinen sportlichen Leidenschaften wieder grenzenlos nachgehen.

Ich freue mich, dass ich in drei Monaten wieder meinen Leidenschaften nachgehen darf, doch durch den Krankenhausaufenthalt hat sich eine mahnende Stimme in meinen Kopf eingestellt, die mich dazu anhält, von jetzt an sorgsamer mit meinem Leben umzugehen. Sie mahnt mich, nicht mehr so sorglos alles Mögliche zu tun und zu riskieren, wie ich es bisher tat. Nein, sie rät mir, mit Bedacht und Besonnenheit mein zukünftiges Leben in Angriff zu nehmen. Sie mahnt mich, dass das Leben und die körperliche Unversehrtheit einmalig ist und dass ich sie, wenn ich sie einmal verlöre, vielleicht für immer, bis ans Ende der Zeit, nicht wieder erlangte.

Published inMomente

Diese Webseite verwendet nur technische Cookies, die zur Funktion der Webseite notwendig sind. Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du ihrer Verwendung zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen