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Eine letzte Liebesgeschichte – Brief 11: Das Zusammenleben

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Liebe Freundin, meine Partnerin und ich haben eine passende Wohnung für uns gefunden und den Zuschlag erhalten, so dass wir unsere „Singlewohnungen“ auflösten und unsere erste wirklich gemeinsame Wohnung bezogen. In dieser Wohnung leben wir nun bereits seit sechs Monaten zusammen.

Mit unseren Singlewohnungen aufgelöst und unserer gemeinsamen Wohnung bezogen, stellte sich uns bald die Frage, wie wir die finanzielle Seite unseres gemeinsamen Zusammenlebens regeln sollten. Der Zeitpunkt mag vielleicht etwas spät erscheinen, doch da wir vorher noch unsere beiden Singlewohnungen unterhielt, haben wir während der Zeit des Probewohnens einfach abwechselnd unsere gemeinsamen Einkäufe bezahlt und uns keine Gedanken darüber gemacht, ob der eine mal mehr oder weniger zahlt. Frei nach dem Motto: „In der wirklichen Liebe spielt Geld keine Rolle.“ Doch mit einem gemeinsamen Hausstand wurde die finanzielle Last größer und wir hatten beide über die Jahre in unseren Freundes-, Bekannten- und Familienkreis festgestellt, dass ein finanzielles Ungleichgewicht in einer Liebesbeziehung zu Streit und fragwürdigen Abhängigkeitsverhältnissen führen kann. Das mag jetzt wenig romantisch klingen, denn wenn man verliebt ist, hofft man ja, dass die Liebe ewig wehrt. Doch häufig geht die Liebe zu Ende und manch einmal trägt der Umgang mit Geld, der zu Spannungen in einer Beziehung führt, entscheidend zum Ende bei. Also warum nicht prophylaktisch über das Thema sprechen, um diesen potentiellen Konfliktpunkt frühzeitig zu entschärfen?
Als meine Partnerin und ich über die finanzielle Ausgestaltung unseres gemeinsamen Zusammenlebens sprachen, kristallisierten sich zwei Modelle heraus, die für uns in Frage kämen. Das erste Modell war, dass wir beide unsere individuellen Konten behielten und ein gemeinsames Haushaltskonto einrichteten, auf das wir beide, solange es uns unsere Gehälter erlaubten, immer gleich viel einzahlten, um mit diesem Geld unsere gemeinsamen Ausgaben zu tätigen. Den restlichen Betrag, der von unseren monatlichen Einkommen übrig bliebe, könnten wir dann selbst verwalten und für individuelle Anschaffungen, Vergnügungen oder was auch immer verwenden.
Das zweite Modell war, dass wir unsere individuellen Konten auflösten und einfach nur noch ein gemeinsames Konto führten, auf das unserer beider Einnahmen flössen. Von diesem Konto würden dann alle Ausgaben, auch die individuellen, getätigt. Dieses zweite Modell verlangte von uns, mehr über unsere Ausgaben zu sprechen und hätte das Potential, schneller zu Konflikten zu führen.
Bei unserem Gespräch über die finanzielle Ausgestaltung kamen meine Partnerin und ich dann auch ziemlich schnell überein, dass es eine Kombination von beiden Modellen sein sollte. Wir würden das erste Modell mit den individuellen Konten, solange führen, wie wir noch nicht familiär aneinander gebunden sind und erst dann ein wirklich gemeinsames Haushaltskonto einrichten, wenn unsere Liebesbeziehung eine neue Stufe erreichte. Eine Stufe, auf der ein eigenes Konto für jeden von uns einfach keinen Sinn mehr ergäbe.

Doch, nicht nur das. Als meine Partnerin und ich unsere neue Wohnung bezogen merkte ich auch, was für ein Glück ich mit ihr habe. Ich habe das Glück, dass sie fast immer mit mir auf einer Wellenlänge ist und wir das gleiche Verständnis von dem haben, was im Leben wirklich wichtig ist. So einigten wir uns auch schnell darauf, dass wir die Güter und Dienstleistungen, die wir für unseren Grundbedarf benötigten, möglichst nachhaltig abdecken wollten und erst an zweiter Stelle die Kosten dafür kämen. So legten wir fest, dass unser Stromanbieter ein möglichst nachhaltiger sein sollte und dass wir, wann immer möglich, Lebensmittel in Bio-Qualität kauften. Zwar trug diese Entscheidung dazu bei, dass das was wir kauften und an Dienstleistungen bezogen, zum Teil deutlich mehr kostete, als konventionelle Waren und Dienstleistungen, bei denen die tatsächlichen Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Man könnte auch sagen, dass meiner Partnerin und mir die ständig gepriesene „Geiz-ist-geil“-Mentalität zu wieder ist und wir wissen, dass gute und nachhaltige Dinge ihren Preis haben.
Nachdem diese finanziellen Dinge geklärt waren, begann unser wirkliches Zusammenleben und um es kurz zu machen, nach zwei Monaten in unserer gemeinsamen Wohnung, hatte ich auch keine Bedenken mehr, dass ein wirklich gemeinsames Konto bei uns nicht funktionierte oder zu Streitereien führte. Ich stellte fest, dass ich einer Zukunft, in der wir vielleicht wirklich einmal ein gemeinsames Konto hätten, um eine Familie zu ernähren, gelassen entgegensah.

Doch es war nicht nur die Bedeutung und der Umgang mit Geld, der uns die letzten Monate beschäftigte. Nein, auch die Routine und unser Umgang mit ihr beschäftigte uns. So verstrichen die Monate unseres Zusammenlebens und ich merkte immer deutlicher, wie die Routine lauter und penetranter an die Pforten meines Lebens klopfte und Einzug in es forderte. Die Routine, die immer dann Einlass begehrt, wenn eigentlich alles gut läuft und bekannt ist. Es ist die Routine, die sich einstellt, wenn sich wenig Neues im Leben ereignet und man anfängt das, was man hat, als gegeben zunehmen. Doch je mehr sich die Routine bemerkbar machte, desto weniger wollte ich sie in meinem Leben haben. Als ich das erste Mal die Routine, die sich in meinen Leben versuchte einzustellen, bemerkte, verspürte ich sogar direkt Angst vor ihr, da sie für mich immer der Todesstoß jeder Romantik war. Ich verspürte diese Angst, da ich schon viel zu häufig bei Bekannten, Freunden und selbst in meiner Familie gesehen habe, wie sie einen Sargnagel um den nächsten in eine Beziehung treibt, bis entweder die Beziehung zerbricht oder zwei seelisch ausgeblutete Kadaver nebeneinander her leben. So lässt uns Menschen die Routine nur allzu schnell vergessen, dass der Partner oder die Partnerin sowie die Liebe für einander nicht selbstverständlich sind, sondern etwas ganz besonders. Die Liebe ist nichts, das man einfach liegen lassen und für gegeben nehmen kann, nein, sie muss und will gehegt und gepflegt werden. Tut man das nicht, verdorrt sie über kurz oder lang und verschwindet dann genauso wie der Partner oder die Partnerin aus dem eigenen Leben.
Das Mittel meiner Wahl, um der liebestötenden Routine zu begegnen, war, dass ich mir jede Woche ein besonderes „Geschenk“ für meine Partnerin einfallen ließ. So schrieb ich ihr in einer Woche, ein persönliches Gedicht, in einer anderen Woche kochte ich etwas ganz Besonderes für sie, mit dem ich sie überraschte und wieder in einer anderen Woche bekam sie etwas selbst gefertigtes, von dem ich dachte, dass es ihr Freude bereitete. Es gab und gibt so viele Dinge, die mir einfallen, mit denen ich ihr eine Freude bereiten kann. Doch nicht nur das, ich stellte auch fest, dass mir die Kreativität, die mit dem Ausdenken und erschaffen der Geschenke einhergeht, viel Spaß macht und dass der schönste Lohn, egal wie anstrengend auch die Arbeit gewesen sein sollte, ein aufrichtiges, freundliches Lächeln meiner Partnerin ist.
Doch nicht nur ich scheine Gefallen an den kleinen Gesten der Aufmerksamkeit gefunden zu haben, nein, auch meine Partnerin scheint ihre Freude an der Art des Aufmerksamkeitsaustausches, zu haben. Zumindest glaube ich das, denn bereits nach dem ersten kleinen Geschenk, dass ich ihr bereitete, begann sie sich selbst kleine Überraschungen auszudenken, mit denen sie mir eine Freude bereiten könnte. So verging die Zeit und wir hatten viel Spaß miteinander und mit unseren kleinen Aufmerksamkeiten. Die Zeit verging und die Routine, die versuchte Einzug in unsere Leben zu halten, haben wir momentan entwaffnet. Ich glaube, dass sie auch keine Chance mehr hat, Einzug in unsere Leben zu halten, solange meine Partnerin und ich uns nur bewusst sind, dass wir denkende und fühlende Wesen und nicht irgendwelche Möbelstücke sind, die man in seinem Leben ansammelt.

Schlussendlich glaube ich auch, dass wir, solange wir uns, unserer Liebe gewahr sind, die Routine immer und immer wieder neu entwaffnen können, sei es mit einem Lächeln oder einem kleinen Geschenk.

Published inEine letzte Liebesgeschichte

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