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Eine letzte Liebesgeschichte – Brief 12: Hochzeit und Familienplanung

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Liebe Freundin, seitdem ich dir das letzte Mal schrieb, ist mal wieder viel Zeit vergangen und einiges passiert. Es ist viel Zeit vergangen und ich habe das Gefühl, dass ich mich dafür entschuldigen muss, dass ich dich nicht auf dem Laufenden hielt. Ich muss mich bei dir entschuldigen, da ich nachlässiger mit dem Schreiben von Briefen geworden bin, so dass seit meinem letzten Brief an dich beinahe zwei Jahre vergangen sind.

In dieser vergangenen Zeit ist einiges passiert und das wohl wichtigste, von dem ich dir in diesen Brief berichten möchte, ist, dass meine Partnerin und ich geheiratet habe. Wir haben geheiratet und ich wünschte mir, dass du hättest da sein können. Ich wünschte mir, dass ich mit dir nach all den Jahren mal wieder gemeinsam hätte feiern und persönlich quatschen können. Doch leider ist das ja nicht möglich. Aber gut, meine Partnerin und ich haben also geheiratet und was dich wahrscheinlich am meisten überraschen wird, ist, dass wir nicht primär aus Liebe geheiratet haben, denn das wir uns lieben, wussten wir auch ohne das wir miteinander verheiratet sind. Nein, wir haben primär geheiratet, um uns gegenseitig für den Fall der Fälle abzusichern. Das mag zwar wenig romantisch klingen, doch meine Partnerin und ich betrachteten die Hochzeit nie als etwas Wichtiges um gemeinsam glücklich zu sein und zu leben. Nein, uns reichte, dass wir wussten, dass wir füreinander da sind. Der Gedanke dennoch zu heiraten rührte eher daher, dass wir uns mehr und mehr Gedanken über unsere Leben und deren Endlichkeit machten und wir uns fragten, wie wir uns gegenseitig absichern könnten. Über diese Gedanken und das Recherchieren kamen wir schließlich zu der Überzeugung, dass die beste Option eine Heirat wäre. Eine Heirat, da die Gesetze in unserer Gesellschaft so gestrickt sind, dass sich einfach lieben und zusammenleben wenig zählt, sondern erst die Heirat. Die Heirat, die mittlerweile zwar allen monogamen Liebespaaren offen steht, die aber dennoch einem konservativen Familienverständnis entspringt. Einem Verständnis, in dem die Liebe erst wirklich gesellschaftlich akzeptiert wird, wenn sich die Liebenden auch amtlich die Treue schwören.
Über die Auseinandersetzung mit unseren Gesetzen stellte sich bei mir eine immer größere Verachtung für sie ein. Dabei hatte die Verachtung ihren Ursprung nicht darin, dass ich die Gesetzte an sich ablehnte. Nein, das war nicht der Fall, denn viele der Gesetze haben ihre Daseinsberechtigung, um das Zusammenleben von uns Menschen gerecht und nachhaltig zu regeln. Doch das, was mich störte, ist die Art, wie sie geschrieben sind. Je mehr Gesetze ich las, desto mehr stellte ich fest, dass sie überholte Gesellschafts- und Rollenbilder von Männern, Frauen und Familien implizieren und fördern. Es sind Gesetze, die seit mindestens zwei Dekaden nicht mehr zeitgemäß sind, doch deren Veränderung sich eine konservative Mehrheit in unseren Parlamenten widersetzt.

Aber gut, zurück zu meiner Partnerin und mir. So heiraten wir, um uns gemeinsam die Vorteile der gesellschaftlichen Anerkennung unserer Liebe zu sichern. Wir heirateten, aber nicht so, wie es im Märchen oder in den Medien dargestellt wird, mit schönem Brautkleid und großer Hochzeit, nein, wir heirateten still und heimlich zu zweit auf dem Standesamt. Was die anschließende Feier betraf, so begingen wir keine „offizielle“ Hochzeitsfeier, sondern luden einfach einige enge Familienangehörige und Freunde, nach unserem Standesamtstermin, zum Picknick im Park ein. Wir luden sie ein, aber ohne ihnen den eigentlichen Grund für die Einladung zu nennen. Wenn einer unserer Freunde oder Familienangehörigen nachfragte, warum wir denn zum Picknick einluden, antworteten wir schlicht, dass wir einfach ein geselliges Beisamensein veranstalten wollten, um unsere Liebe und das Leben zu feiern. Es wurde ein schönes, lustiges Picknick, dass uns viel Freude bereitete und mit dessen Ende auch unser Hochzeitstag zu Ende ging.

Liebe Freundin, an dieser Stelle sollte ich vielleicht noch ergänzen, dass der Grund für unsere Hochzeit nicht nur, das gegenseitige Absichern von meiner Partnerin und mir war. Nein, auch die Absicherung unserer potentiellen Kinder war ein Grund für die Hochzeit. Die Absicherung unseres Nachwuchses, den wir bei unserer Hochzeit bereits seit etwa elf Monaten zu zeugen versuchten. Von heute zurückgerechnet, versuchen meine Partnerin und ich bereits seit zwei Jahren Kinder zu bekommen, da wir beide zu der Überzeugung gelangten, dass eins bis zwei Kinder unsere Partnerschaft, Liebe und unsere Leben bereicherten. Doch bisher hat die Empfängnis nicht geklappt.
Als wir merkten, dass es mit der Empfängnis nicht so einfach bei uns funktioniert, nahmen wir parallel zu unseren Fortpflanzungsversuchen unsere Heirat in Angriff, um so wenigstens den passenden Rahmen für unsere potentielle Familie zu schaffen. Darüber hinaus beschlossen wir auch, uns nach unserer Hochzeit einmal gesundheitstechnisch durchchecken zu lassen, wenn die Empfängnis bis dahin noch nicht geklappt hätte, um herauszubekommen, was denn der Grund dafür ist, dass es mit unserem Kinderwunsch nicht klappt.

Wie ich bereits schrieb, so hat die Empfängnis bisher nicht geklappt und so gingen meine Partnerin und ich vier Monate nach unserer Hochzeit erst zum Frauenarzt meiner Partnerin, um sie gesundheitstechnisch durchchecken zu lassen und dann zum Andrologen, um überprüfen zu lassen, ob mit mir und meinen Spermien alles in Ordnung ist. Bei meiner Partnerin kam heraus, dass bei ihr so weit alles in Ordnung ist, aber dass sie, sollte sie Schwanger werden, aufgrund ihres Alters eine „Risikoschwangerschaft“ hätte. Was mich betrifft, so kam beim Andrologen heraus, dass ich eine verminderte Spermienqualität und dadurch eine geringe Zeugungsfähigkeit besäße. Viele andere Männer wären in meiner Situation bestimmt „vor den Kopf gestoßen“ gewesen, da sich in unserer Gesellschaft immer noch viele Männer über ihre „Manneskraft“ profilieren, doch das war bei mir nie der Fall. Stattdessen nahm ich die Aussage des Andrologen gelassen hin, da ich mir bereits etwas dieser Art gedacht hatte, denn es ist ja weitläufig bekannt, dass die Spermienqualität der männlichen Bevölkerung in den Industrieländern immer schlechter wird. Sei es durch Stress, Umweltgifte oder auch nur die falsche Kleidungswahl. Wir vergifteten und zerstören uns einfach nach und nach selbst und über kurz oder lang auch die Menschheit. Auch als ich den Andrologen nach möglichen Ursachen fragte, war seine Antwort eher reserviert. Er meinte, dass Jahr für Jahr mehr Männer zu ihm kämen deren Spermienqualität schlechter und schlechter würde und viele von ihnen doch die Ratschläge nicht befolgten, die eventuell wieder zu einer Verbesserung ihrer Spermienqualität führten. So erklärte er mir, dass man zuerst einmal mit dem Rauchen und Alkoholkonsum aufhören sollte. Doch, das wäre nur ein kleiner Anfang. Wollte man wirklich wieder eine bessere Spermienqualität haben, so sollte man einen Bogen um Fertiggerichte machen und stattdessen lieber mit frischen unverpackten Lebensmitteln kochen, um dadurch zum einen das eigene Überwicht zu bekämpfen und um zum anderen Kunststofflebensmittelverpackungen mit ihren Weichmachern zu meiden. Doch damit war der Androloge noch immer nicht mit seinen Ausführungen zu Ende, nein, nachdem er Kunststoffe genannt hatte, kam er erst richtig in Fahrt und meinte, dass der Fortschritt und das Bild, dass viele Menschen von sich selbst pflegten, auch dazu beitrügen, dass die Spermienqualität der Männer leide, denn nicht umsonst hätte die Evolution dafür gesorgt, dass beim Mann die Hoden außen säßen. Er meinte, dass die Hoden bei Männern an der frischen Luft lägen, da es die Spermien etwa zwei Grad Celsius kühler als die Körpertemperatur mögen. Doch was machen viele von uns Männern, obwohl wir das wissen? Wir rösteten unsere Hoden, in den wir sie in zu enge Hosen packen und sie häufig auch noch mit Smartphones, die sich in unseren Hosentaschen befänden, über mehrere Stunden täglich, verstrahlten. Doch abgesehen davon treiben wir das Kochen des männlichen Hodens auch noch damit auf die Spitze, dass wir immer häufiger Sitzheizung benutzten oder Laptops auf unsere Schöße stellten.
Als ich den Andrologen so hörte, hatte ich den Eindruck, dass es ihn frustrierte, dass es so offensichtliche Probleme und deren Lösungen gäbe, um die Spermienqualität von uns Männern wieder zu steigern. Es könnte doch so einfach sein, aber die meisten Menschen, und unter ihnen auch viele Männer, ändern aus Bequemlichkeit und Technologieabhängigkeit ihre Lebens- und Kleidungsstile nicht. Abschließend meinte der Androloge zu mir, dass ich noch einmal in drei Monaten zu einer erneuten Untersuchung meiner Spermienqualität kommen sollte, um natürliche Schwankungen als Ursache für die schlechte Qualität auszuschließen. Darüber hinaus meinte er auch, dass ich ja „versuchen“ könnte, einige der Ratschläge zur Besserung meines Grundzustandes zu befolgen. Das geklärt, machte ich einen weiteren Termin mit ihm aus und besprach mich im Anschluss zu der Untersuchung mit meiner Partnerin, bezüglich des Befundes und unseres weiteren Vorgehens.

Bei dem Gespräch mit meiner Partnerin, das auf meine Untersuchung und den Befund folgte, meinte sie, dass wir ja versuchen könnte, die Empfehlungen umzusetzen. Das gesagt, erteilte sie mir für die kommenden drei Monate ein absolutes Smartphoneverbot, sortierte alle Hosen von mir aus, von denen sie meinte, dass sie zu eng sein, und verfrachtete sie in den Keller. Doch damit noch nicht genug, zu guter Letzt meinte sie, dass wir zwar bereits gesund äßen, aber ich dennoch ein paar Kilo weniger auf den Rippen vertragen könnte, so das sie für uns ein ausgiebiges Sportprogramm erstellte, das sie mit mir absolvieren wollte.
Was mich betrifft, so widersprach ich ihr nicht, denn ich wusste selbst, dass viele Dinge, die ich tagtäglich tat, nicht gut für mich waren und ich fand es sehr spannend, dass mich meine Partnerin dabei unterstützen wollte, vor allem, da sie meine engen Hosen aussortierte, die ich sowieso nur ungern und zu besonderen Anlässen trug. Es waren nämlich genau die Hosen, von denen meine Partnerin normalerweise meinte, dass ich sie häufiger tragen sollte, da ich in meinen anderen Hosen einfach unschick aussähe. Sie meinte sonst nämlich immer, dass ich in meinen „bequemen Hosen“ aussähe, als wäre ich in Säcke gekleidet. Doch jetzt musste sie sich eingestehen, dass Aussehen doch nicht alles ist und Bequemlichkeit vor Ansehnlichkeit geht.

Die drei Monate bis zu meinen nächsten Termin beim Andrologen vergingen schnell und ich merkte, wie ich mich zumindest körperlich besser fühlte. Doch nicht nur das, aufgrund der Abwesenheit meines Smartphones verspürte ich auch weniger Stress, wobei die ersten zwei Wochen ohne ständige Erreichbarkeit der echte Horror waren. Die ersten zwei Wochen meiner Smartphoneabstinenz waren der echte Horror, da ich immer den Eindruck hatte, etwas zu verpassen. Doch, dem war in Wirklichkeit nicht so. Es gab, wenn ich ehrlich bin, einfach wenig wirklich wichtige Nachrichten, die gleich beantwortet werden mussten und selbst die meisten von ihnen, konnte man noch im Laufe eines Tages beantworten. So blieb also mein Smartphone zu Hause und ich beantworte alle Nachrichten, die im Laufe des Tages aufliefen, erst abends. Jeden Abend nahm ich mir genau eine viertel Stunde dafür Zeit, bevor ich das Smartphone erneut, bis zum nächsten Abend, zur Seite legte.
Als ich schließlich den Folgetermin beim Andrologen hatte, kam heraus, dass ich zwar immer noch eine verminderte Spermienqualität besäße, aber sie schon deutlich besser, als beim letzten Test, geworden ist. Aufgrund dieses Befundes empfahl mir der Androloge, meinen eingeschlagenen Weg fortzusetzen und die Fortpflanzung auch weiterhin auf die klassische Art und Weise zu versuchen. In Absprache mit meiner Partnerin taten wir das auch und das ist der Stand, den unsere Beziehung und unser Kinderwunsch heute haben.

Was mich betrifft, so hoffe ich, dass sich unser Kinderwunsch doch noch auf die klassische Art und Weise erfüllt, denn meine Partnerin und ich haben bereits beschlossen, dass wir auf keinen Fall reproduktionsmedizinische Eingriffe vornehmen lassen wollen. Sollte es auf den natürlichen Weg nicht klappen, werden wir eben keine Kinder haben, denn das ist dann nun einmal der Weg des natürlichen Lebens.

Published inEine letzte Liebesgeschichte

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