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Eine letzte Liebesgeschichte – Brief 14: Epilog

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Liebe Freundin, das wird der letzte Brief sein, den ich dir schreibe. Etliche Jahre sind vergangen, seitdem ich dir den ersten Brief geschrieben habe. Jahre seitdem wir das letzte Mal persönlich miteinander sprachen und ich muss sagen, dass ich unsere Gespräche vermisse. Ich vermisse unsere Gespräche, dein Lachen und deine Anwesenheit.
Jahre bist du jetzt schon nicht mehr hier und bei mir stapeln sich die Briefe, die ich an dich schrieb. Die Briefe, die ich schrieb und dir an deinem Grab vorlas. Briefe, die von meiner Suche nach der Liebe und meinem Leben in einer Liebesbeziehung berichten, wobei mir durch die Briefe immer deutlicher bewusst wurde, dass eigentlich du die erste wirkliche Liebe meines Lebens warst, auch wenn es eine rein platonische Liebe war und ich dir nie meine Gefühle, da ich sie mir selbst nicht eingestand, beichtete. Du warst die Liebe meines Lebens und die Person, die ich nicht mehr in ihm missen wollte.
Doch wie es nun einmal so ist, erkennt man häufig erst, was einem wirklich wichtig ist, wenn es nicht mehr hat. Die Pandemie war es, die dich vor all den Jahren aus dem Leben riss. Die Pandemie, von der du eines der ersten Opfer warst, als sie über Deutschland hinweg schwappte. Es war die Pandemie, die viele verleugneten und für eine Erfindung der Mächtigen und Reichen hielten, die sie dazu benutzten, ihre Macht zu festigen. Es waren und sind diese ungläubigen Ignoranten, die offensichtliche Sachverhalte bestritten und gegen Dinge protestierten, die Leben retten sollten, da sie nur sich und ihre Leben sahen. Andere Menschen und deren Schicksale, die sie vielleicht leichtsinnig durch ihre Verhalten gefährdeten, interessierten sie nicht.

Seit deinem Tod verstrichen die Jahre wie im Flug und ich hatte das Glück, einen Menschen kennen- und liebenzulernen mit dem ich glücklich geworden bin. Einen Menschen, mit dem ich sogar das Abenteuer der Familiengründung in Angriff genommen habe. Doch dort, wo Glück herrscht, ist das Unglück meistens nicht weit. So leider auch bei mir.
Bei mir, der, wenn es nach den Ärzten geht, nur noch wenige Monate zu leben hat. Ich werde wahrscheinlich bald sterben, da sich ein Krebsgeschwür in meinem Körper ausgebreitet hat, das mich schwächer und schwächer werden lässt. Ein Krebsgeschwür, das viel zu spät entdeckt wurde, als dass man es noch hätte sinnvoll behandeln können. Anfänglich fühlte ich mich nur abgeschlagen und erschöpft, was ich aber auf die durchwachten Nächte schob, in denen mich meine beiden Kinder nicht schlafen ließen. Doch das war leider nicht der einzige Grund.

Aber gut, ich mag nicht klagen. Der Tod gehört zum Leben nun einmal dazu und aufgrund dessen sollte man das Beste aus der Zeit machen, die man zur Verfügung hat, und die schönen Momente hegen, pflegen und hochhalten, bevor das Schicksal an die Türen klopft und seinen Tribut fordert. Für mich sind es die schönen Momente, die ich erst mit dir, seit unserer Kindheit, erlebte und dann die Liebe zu meiner Partnerin, die mich nicht verzagen lassen und mich dazu zu bringen, auch noch glücklich die letzten Monate meines Lebens zu begehen, anstatt vor Gram das Leben zu vergessen. Die letzten Monate, die mir jetzt noch auf dieser Welt verbleiben, sollen darum noch einmal glückliche Monate werden, die ich mit meiner Familie verbringe, bevor es schließlich für mich vom Leben endgültig Abschied nehmen heißt.

Aber jetzt heißt es für erst einmal für mich, von dir Abschied zunehmen. Abschied, wobei wir uns vielleicht im Nichts, das aufs Leben folgt, wiedersehen werden. Im Nichts, aus dem wir bei unserer Geburt gerissen wurden, bevor wir über diese Welt zu wandeln begannen. Dem Nichts, in das wir früher oder später alle wieder gehen, wenn unsere Zeit auf dieser Welt zu Ende geht. Doch wer weiß überhaupt, was dieses Nichts ist?

Was dich betrifft, so möchte ich dir, bevor ich Abschied nehme, noch zwei Dinge gestehen. Das Erste ist, dass meine Partnerin und ich unsere Tochter nach dir benannt haben. Wir benannten sie nach dir, da meine Partnerin all die Jahre, die ich jetzt bereits mit ihr zusammen bin, stets wusste, was du mir einst bedeutetest. Sie wusste aus meinen Erzählungen alles von dir und was wir beide in unseren jungen Jahren erlebten. Aufgrund dessen schlug auch sie dann vor, unsere Tochter nach dir zu benennen. Sie meinte, dass es doch schön wäre, wenn unsere Tochter so wie du würdest und dein Name für diese, unsere Hoffnung stünde.
Das Zweite, was ich dir gestehen möchte, ist, dass ich ein Bild von uns beiden in unseren jungen Jahren, zusammen mit dem Bild meiner Partnerin mit unseren Kindern, immer als Kleinod, in meiner Taschenuhr bei mir trage. Als Kleinod, das mich daran erinnert, was für ein Mensch ich war und jetzt bin. Ein Kleinod, das von dem Leben kündet, dass ich das Privileg hatte, auf dieser Welt zu erleben und verleben.

Aber gut. Ich hoffe, dass du deinen Frieden im Nichts gefunden hast. Vielleicht sieht man sich ja dort, wo auch immer das sein mag. Bis dahin.

Published inEine letzte Liebesgeschichte

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