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Vom Verb „huren“ und dem Versuch ehrlich zu sein und seine Meinung zu sagen

Geschätzte Lesezeit: 16 Minuten

Vorwort:
Die folgende Geschichte ist frei erfunden. Parallelen zu lebenden oder bereits gestorbenen Menschen sind rein zufällig und wahrscheinlich der Beschreibung des Sozial- und Sexualverhaltens verschiedener Mitglieder unserer Gesellschaft geschuldet. Sollte sich trotzdem einzelne Personen oder Personengruppen durch diese Kurzgeschichten angegriffen fühlen, tut es mir herzlich leid, aber sie können sich jegliche Kritik an ihr sparen, da ich ohnehin nicht auf sie eingehen werde und darüber hinaus die Kurzgeschichte einfach nur unterhalten und zum Nachdenken anregen soll.

Damit genug des Vorwortes und viel Spaß bei der Lektüre der Kurzgeschichte.

Die Geschichte:
Ein Februarabend. Ich sitze in einer Kneipe und mein Bier ist halb leer oder doch halb voll? Ich schaue mir meine Gesprächspartnerin an und mache mir bewusst, was sie in der letzten halben Stunde alles von sich gab. Über das Nachdenken wird mir bewusst, dass das Glas halbleer ist und es an diesem Abend, das erste Mal seit zwei Jahrzehnten, nicht bei einem Bier bleiben wird. Ein Bier allein reichte einfach nicht, mir die süße Ignoranz zu schenken, um widerspruchslos ihre Kommentare und Bemerkungen zu ertragen.
So kippe ich das restliche Bier in einem Zug meine Kehle herunter und mache den Wirt deutlich, dass ich gerne noch eins hätte, was er mir auch prompt bringt. Das zweite Bier in meiner Hand gehe ich im Gedanken noch einmal ihre Kommentare und Bemerkungen durch, die sie über mich in einem fort ergoss und immer noch ergießt, seit wir uns vor einer Stunde hier zusammen in die Kneipe setzten. Alle Kommentare betreffen eigentlich nur ihren Ex-Freund. Ihren Ex-Freund, mit dem die Beziehung vor knapp einem Monat zerbrach. Sie gibt mit jedem Wort, das sie sagt, alleinig ihm die Schuld an allem, was in ihrem Leben schiefgelaufen ist, wobei ich aber genau weiß, dass sie sich eigentlich nur selbst belügt und ihr Ex-Freund ihr, im Laufe ihrer gemeinsamen Beziehung, eigentlich viel ermöglichte. Er ermöglichte ihr viel, doch mit Voranschreiten ihrer Beziehung und dem Feststellen, dass sie immer und immer weniger zu ihrem Hausstand und der Beziehung beitrug, sondern sich einfach immer mehr treiben ließ, auch endlich forderte, dass sie auch einmal etwas zum Unterhalt und dem gemeinsamen Leben beitragen sollte. Ihm wurde es mit der Zeit einfach zu viel, dass er als einziger Arbeiten ging und dann auch noch, wenn er nach der Arbeit nach Hause kam, viel im Haushalt erledigte, während sie ihren Alltag hauptsächlich mit Vergnügungen füllte oder vor dem Fernseher verbrachte. Um es kurz zu machen, er hatte es satt nur ihr Diener zu sein, der ihr alles ermöglichen sollte, wobei sie sich wie eine Prinzessin gab, der alle anderen ihre Wünsche erfüllen sollten.
Das zweite Bierglas ist bereits auch wieder halbleer. Ich merke langsam die Wirkung des Alkohols, doch noch zu schwach, um ihr Gerede weiter zu ertragen und so sage ich schließlich zu ihr: „Hör endlich auf, deinen Ex-Freund an allem, was dir im Leben nicht gelang, die Schuld zu geben. Ich weiß genau, dass er dir viel ermöglichte und dich auch immer wieder dazu aufforderte, deine verschiedenen beruflichen und Lebensziele in Angriff zu nehmen und ganz persönlich etwas für sie zu tun. Du tatest aber über Jahre hinweg nichts dergleichen und jetzt gibst du ihm die Schuld, dass du sie nicht erreichtest und dass er dich zurückgehalten hätte. Ehrlich, ich finde deine Schuldzuweisungen völlig ungerecht.“
Auf meine Worte hin blickt sie mich einen Moment lang eingeschnappt an, so als hätte ich ihre Ehre verletzt oder sie tätlich angegriffen, doch auch jetzt kann sie nicht von ihren Schuldzuweisungen lassen. Sie kann nicht aufhören und gibt weiter und weiter die Schuld ihren Ex-Freund und meint, dass sie beruflich schon viel besser dastünde, seit sie sich von ihm getrennt hätte. Was ich unkommentiert lasse. Ich lasse es so stehen, denke aber bei mir: „Ja, du bist schon beruflich weiter, weil die Trennung trotz allem für dich plötzlich kam und du kräftig auf die Nase fielst, da du plötzlich keinen mehr hattest, der dich finanziell umsorgte und im Haushalt unterstützte.“
Schließlich macht sie doch eine Pause von ihren Ausführungen, um einen Schluck von ihrer Cola zu trinken und ich kann mir nicht verkneifen, zu fragen, warum sie denn dann überhaupt eine langjährige Beziehung mit ihrem Ex-Freund geführt hat, wenn sie doch meint, dass er sie nur zurückgehalten habe. Auf meine Frage hin sagt sie, dass sie das auch nicht genau wisse. Ferner bringt sie zum Ausdruck, dass es auf jeden Fall nicht der Sex gewesen sei, da der eigentlich schon immer schlecht gewesen wäre. Ich bin schockiert von ihrer Aussage, davon, dass sie mir, als Fremden, solche Dinge mitteilt. Ich bin schockiert und stürze aufgrund dessen den Rest meines zweiten Bieres meine Kehle hinab, nur um gleich noch eins zu bestellen.
Ich merke, dass mir der Umgang mit der Bekannten nicht guttut. Ich merke es daran, dass ich bisher noch nie so viel Bier getrunken habe. Während meine Bekannte mich musternd ansieht, denke ich bei mir, dass es eigentlich offensichtlich ist, warum sie so lange mit ihrem Ex-Freund zusammengeblieben ist. Der Grund dafür ist, dass er ihr über weite Strecken ein gehorsamer Sklave gewesen ist, der sie, auch finanziell, aushielt. Doch sagen tue ich das nicht, stattdessen frage ich, ob wir nicht über etwas anderes sprechen wollen. Worauf sie lächelt und meint, dass sie wieder zu daten angefangen habe und mir ihre verschiedensten Apps aufzählte und mit welchen Männern sie darüber schon Kontakt aufgenommen hätte. Doch es bleibt nicht bei der Aufzählung der Vorzüge der einzelnen Apps und der Eigenschaften der Männer, die sich sucht, nein, plötzlich meinte sie auch, dass sie sich auch bereits Lecktücher besorgt hätte. Als sie mit ihren Ausführungen endet, meine ich: „Meinst du nicht, dass das etwas schnell ist und du lieber erst einmal deine jetzige Beziehung richtig beenden und ihr euren Hausstand trennen solltet?“ Worauf sie mich überrascht ansieht und meint, dass man das heute nicht mehr tut. Ferner hält sie mir vor, dass ich solche Bedenken bei einem Mann sicherlich nicht geäußert hätte. Ich widerspreche ihr und meine, dass ich sowohl bei Männern, als auch bei Frauen, überzeugt bin, dass sie Beziehungen und Lebensabschnitte erst einmal richtig beenden sollen, bevor sie sich wieder in neue Beziehungen oder sexuelle Abenteuer stürzen.
Auf meine Aussage hin schaut sie mich missmutig an und fragt böse: „Hast du jetzt gerade gesagt, dass ich herumhure?“, was ich verneine. Doch meine Antwort möchte sie nicht hören oder auch nur akzeptieren und so meint sie weiter, dass sie sich sicher ist, dass ich das zu einem Mann nie gesagt hätte. Was ich wiederum abstreite, da ich das, genau so, auch schon häufiger zu Männern gesagt habe. Ich sage ihr noch einmal, dass ich es generell fragwürdig finde, wenn sich Menschen von einem sexuellen Abenteuer ins nächste stürzen, da sie dann, meiner Meinung nach, Gefahr laufen, ihre Sexualpartner nicht mehr als denkende, fühlende und emotionale Wesen zu sehen, sondern nur noch als Objekte, zur Befriedigung ihrer eigenen Lüste und Triebe, wodurch auch die Fähigkeit litte sich überhaupt noch wirklich emotional an jemanden zu binden.
Als meine Bekannte das hört, springt sie auf und schreit mich an: „Ich hure nicht rum!“ Wobei ich das immer noch nicht gesagt oder auch nur gedacht hätte. Sie war es ha schließlich die ganze Zeit, die selbst das Wort benutzte. Ich versuche noch einmal, ihr klarzumachen, dass sie die einzige ist, die vom „Huren“ spricht. Doch sie übertönt mit ihrem Geschrei nur meine Worte. Sie schreit mich an, bis ihr bewusst wird, dass sie fast alle Gäste der Kneipe genervt oder interessiert anschauen. In diesem Moment dreht sie sich um und stürmt aus der Kneipe.
Ich sitze alleine da und denke: dass jetzt endlich der anstrengende Teil des Abends, und wahrscheinlich meine Bekanntschaft zu der Frau, vorbei ist. So trinke ich noch in Ruhe mein drittes Bier leer, bezahle beim Wirt die Zeche und gehe leicht unsicheren Schrittes nach Hause.

Nach diesem Ereignis vergehen knapp sechs Monate, bis ich in einem Restaurant mit einigen Freunden zusammen sitze und wir uns über unsere alten Bekannten und was sie so tun, unterhalten. Als dabei die Sprache auf die Bekannte aus der Kneipe kommt, meine ich, dass ich von besagter Bekannten schon länger nichts mehr gehört habe, da sie scheinbar böse auf mich ist. Auf die Frage nach dem Grund überlege ich einen Moment und entscheide mich für eine Formulierung, im Konjunktiv, um zu verdeutlichen, dass sie böse auf mich ist, für etwas, das ich so nie gesagt habe. Im Glauben, dass dieser Gedanke gut ist, sage ich schließlich: „Sie ist böse auf mich, da ich gesagt hätte, dass sie rumhurte.“ Mit dieser Erklärung geben sich meine Freunde zufrieden und da uns zur besagten Bekannten nichts mehr einfällt, wechseln wir bald das Thema und der restliche Abend verläuft ereignislos.

Die Zeit vergeht und etwa eine Woche nach dem Abend mit meinen Freunden, schreibt meine Bekannte aus der Kneipe: „Hallo, mir ist zu Ohren gekommen, dass du über mich gesagt hast, ich würde ‚rumhuren‘. Stimmt das? Ich finde so eine Aussage unmöglich von dir. Sie ist zudem sexistisch und beleidigend.“
Als ich so ihre Nachricht lese, überlege ich einen Moment, ob ich ihr überhaupt antworten soll, denn was sollte die Nachricht überhaupt? Sie stellte zwar eine Frage, hatte aber sich selbst bereits die Antwort auf sie gegeben, indem sie mir gleich noch unterstellte, dass ich sie beleidigend und sexistisch verwendet hätte. Doch meine Neigung keiner Diskussion aus dem Weg zu gehen siegt und so antworte ich ihr: „Hallo, schön von dir zu hören und danke der (nicht gestellten) Nachfrage, ob es mir gut geht. Mir geht es ausgezeichnet. Was deine (gestellte) Frage betrifft, so habe ich nie zu anderen Menschen gesagt, dass du ‚rumhurtest‘. Ich hatte mit einigen von unseren Bekannten mal das Thema, was du so treibst, und da kam das Thema auf, dass du dir jetzt, da du Single bist, ‚Lecktücher‘ kauftest, von denen viele nicht wussten, wofür man diese denn bräuchte und sie nach Erklärung dachten, dass man sie ja eher bei wechselnden Geschlechtspartnern benötigte, was ich weder bejahte noch verneinte. Ferner meinte ich, dass du das letzte Mal, als ich dich sah, böse auf mich warst, weil ich gemeint hätte, dass du rumhurtest (Achtung Konjunktiv).
Ferner wäre solch eine Aussage für mich auch nicht sexistisch, da für mich sowohl Männer als auch Frauen ‚rumhuren‘ können. Übrigens wäre solch eine Aussage, selbst wenn ich sie getätigt hätte, meine persönliche Einschätzung deiner Lebensweise, aus meiner subjektiven Sicht. Überdies habe ich zu anderen Menschen keine Dinge gesagt, die ich dir nicht auch schon mehrfach gesagt hätte.
Also, je nachdem von wem du das gehört hast, so hat diese Person Unterhaltungen sehr verkürzt dargestellt oder es ist wie bei der stillen Post, dass am Ende, bewusst oder unbewusst, etwas ganz anderes herauskommt, als ursprünglich gesagt wurde.“
Mit meiner Antwort zufrieden lege ich mein Smartphone aus der Hand, um mich anderen Dingen zuzuwenden, doch ich komme nicht dazu, denn schon antwortete meine ehemalige Bekannte: „Scheinbar kennst du die Bedeutung von ‚huren‘ nicht, das offensichtlich von Hure kommt und somit alleinig für Frauen Verwendung findet. Du solltest das Wort vielleicht einmal googeln.
Na, irgendwie ist das Wort rumhuren ja wohl in meinem Zusammenhang von dir gefallen. Da muss man sich schon darüber bewusst sein, dass du damit meinst, dass ich rumhure. Deswegen sehe ich das schon als Beleidigung an. Zudem waren deine Worte bei unserem letzten Treffen nicht gerade freundlich, so dass ich so etwas eher privat gehalten hätte, als mit anderen über mich zu sprechen.“
Nach dem Lesen dieser Nachricht frage ich mich, warum sie nur so darauf besteht, dass ‚huren‘ nur für Frauen verwendet wird. Ich bin mir sicher, dass dem nicht so ist und schaue im Duden online nach. Ich lese die Definition und kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen und schreibe: „Gut, dann wissen wir ja, woran wir sind. Ein Glück bin ich nicht in der Vergangenheit verankert und benutzte Ausdrücke nicht nur für Männer oder Frauen, denn das wäre ja wohl wirklich sexistisch. Ferner, um bei deiner Wortwahl zu bleiben, ‚herumhuren‘ können sowohl Männer als auch Frauen, schließlich steht auch im Duden beim Verb ‚huren‘, dass man häufig mit wechselnden Partnern Geschlechtsverkehr hat und als Beispiele werden angegeben ‚die Soldaten soffen und hurten‘ und ‚sie trank, spielte und hurte‘ was an und für sich schon veranschaulicht, dass sich das Verb ‚huren‘ nicht nur auf Frauen bezieht.
Ferner empfand ich unser letztes Treffen nicht besonders negativ. Wir haben uns einfach über unsere Weltsichten ausgetauscht und festgestellt, dass wir unterschiedliche haben. Mittlerweile müsstest du auch wissen. dass ich das sage, was ich denke und dabei versuche stets ehrlich zu sein. So ist es auch, wenn ich im Konjunktiv sage, dass du böse auf mich seist, weil ich meinte, dass du rumhurtest. So ist dies keine Aussage darüber, ob du herumhurst, sondern nur die Beschreibung deines Gemütszustands und des Grundes, den du aus deiner Sicht dafür hast, auf mich böse zu sein.“
Doch auch diese Antwort gibt meine Bekannte nicht zufrieden und sie antwortet: „‚Hurte‘ ist eindeutig überwiegend Frauen zugeordnet und generell verachtend. Sollte niemals in Gebrauch sein, wenn man über Freunde und Bekannte sprichst.“
Langsam nervt mich ihr auf dem Wort herumreiten und der Vorwurf, dass ich es benutzte. Ich schrieb: „Gut, aber wie hätte ich sonst den Grund dafür nennen sollen, aus dem du böse auf mich warst? ‚Sie war böse auf mich, weil ich es fragwürdig fand, dass sie sich gleich wieder neue Sexualpartner*innen suchte.‘ Auch diese Formulierung hätte sich in den Köpfen der zuhörenden dahingehend verkürzt: ‚Sie war böse, da er meinte, dass sie rumhurte.‘ Oder siehst du das andres?“
Auf diese Nachricht antwortet mir meine immer egaler werdende Bekannte: „Diese Formulierung finde ich sehr viel wertschätzender mir gegenüber. Und ich möchte nicht, dass du mit anderen über mein Sexualleben redest. Generell ist Sex privat und wenn ich mit dir darüber geredet habe, dann hätte ich erwartet, dass du das keinem anderen erzählst.“
Mich beginnt es wieder nach Alkohol zu verlangen, wobei mir bewusst wird, dass es ein oder drei Biere nicht täten. Ich bräuchte etwas Stärkeres. Doch sollte ich überhaupt wegen dieser Bekannten zum Alkoholiker werden, eher nicht, und so schrieb ich: „Glaub mir, du weißt gar nicht, was die anderen alles darüber erzählen, mit dem du dich warum triffst. Ferner belügst du dich selbst. Denn so eine Formulierung, wie die obige, benutzte ich auch bei unserem Treffen in der Kneipe und dann meintest du, dass ich gemeint hätte, dass du ‚rumhurst‘. Woraus schlussendlich auch die Aussage resultierte, dass du böse auf mich gewesen seist, da ich gemeint hätte (Konjunktiv), dass du rumhurtest. Ferner hat keiner von Sex an und für sich gesprochen, sondern von Menschen, die man sucht, um Spaß zu haben und von eventuellen Hilfsmitteln und nicht von irgendwelchen Vorlieben.“
Auch auf diese Ausführungen folgte prompt die Antwort meiner ehemaligen Bekannten. Sie schrieb: „Was erzählen denn die anderen?
Wenn ich sage, du sollst nicht über mein Sexualleben reden, dann meine ich damit auch, wen und wie viele ich dafür treffe. Das ist alles privat und sollte nicht weiter erzählt werden.“
Als ich ihre Antwort lese, schüttle ich den Kopf. Wie illusorisch ist es denn, zu denken, dass Freunde und Bekannte, wenn sie denn erfahren, dass man wieder ausgeht, nicht darüber reden? Das Klatschen und Tratschen tun alle im Freundeskreis in gewissen Maße. Das ist so weit auch normal. Aber gut, ich merke, dass mir die Bekanntschaft zu der Frau, die einst eine Bekannte war, mehr und mehr egal wir und schreibe: „Ich haue garantiert keine anderen in die Pfanne. Ich sage nur, dass zumindest in deinem Freundeskreis nicht unbedingt geheim bleibt, wenn du jemanden (neues) triffst, was auch bei anderen Menschen seltenst geheim bleibt, wenn sie neue oder andere Menschen treffen. Warum sollte das gerade bei dir anders sein?
Aber gut, ich werde nichts mehr zu anderen sagen.“, und damit war die Kommunikation mit der Bekannten, für mich, erledigt und tatsächlich blieb mein Smartphone die nächsten sechs Stunden stumm. Doch, nach der wohltuenden Pause kündet der Klingelton meines Smartphones den Eingang einer Chatnachricht an. Es ist eine Chatnachricht meiner ehemaligen Bekannten. In der Nachricht steht: „Wenn die Kommunikation wertschätzend verläuft und manchmal Privates auch privat bleibt, habe ich da auch nicht so ein Problem damit. Wenn du jetzt aber von ‚rumhuren‘ sprichst, ist das einfach nur beleidigend mit gegenüber.“ Womit wir wieder beim Anfang unserer Unterhaltung angekommen sind. Ich habe aber keine Lust mehr, mit ihr zu schreiben und so bleibt diese Nachricht unbeantwortet.

Zwei Wochen vergehen. Ich treffe mich mit einigen Bekannten zum Essen. Als wir so zusammensitzen, meint eine der Bekannten, dass sie von meiner ehemaligen Bekannten zwei Tage zuvor gefragt wurde, ob ich ihnen auch erzählt hätte, dass sie rumhurte. Was sie verneint hätte. Sie meinte, dass ich mal mit ihr sprechen sollte, um die Unklarheiten aus der Welt zu räumen. Doch was brächte das, wenn sie sowieso meinen Erklärungen nicht zuhörte und zu guter Letzt, das Wort, dass sie so hasste, selbst mit sich in Zusammenhang brachte, indem sie andere fragte, ob jemand das über sie erzählte. Ferner hätte es auch einen bitteren Beigeschmack, da ihr Verhalten, trotz unserer Aussprache, den Eindruck erweckte, dass sie eine Opferrolle besetzen wollte, indem sie den Anschein erweckt, dass ich überall herumerzählte, dass sie ‚rumhurte‘ und ich deswegen ein wirklich böser Mensch sei. Sie als Opfer, dass man beschützen müsste, da die Welt zu grausam war. Vielleicht fände sich ja ein starker Mann, der sie beschützte.

Aber gut, auf eine Aussprache möchte ich mich nicht einlassen und so bleibt die ehemalige Bekannte genau das, eine ehemalige Bekannte, die mir fortan egal ist.

Einige Tage vergehen und ich denke noch einmal über all das Geschehene nach. Ich denke nach und mir kommt der Gedanke, dass sich das Erlebte gut als Grundlage für ein Märchen eignete. Um genau zu sein, folgendes Märchen:
„Es war einmal eine Prinzessin, die allein mit ihrem Leibeigenen in einer Burg lebte. Der Leibeigene erfüllte ihr über Jahre hinweg alle Wünsche und kümmerte sich um den finanziellen und materiellen Unterhalt ihrer Burg. Zum Dank und um ihn bei der Stange zu halten, teilte die Prinzessin ab und an das Bett mit ihm. So vergingen die Jahre und die Prinzessin lebte ein an und für sich sorgloses Leben. Doch anstatt sich mit der Situation zu arrangieren und zufriedenzugeben, wollte sie mehr. Sie wollte ein Schloss, da ihr die Burg nicht mehr genug war. Sie wollte die Welt bereisen und ihr Leben mehr und mehr genießen und so trieb sie ihren Leibeigenen an, mehr für sie zu tun. Doch der Leibeigene war an seiner Belastungsgrenze und mochte nicht mehr. Er mochte nicht mehr, da die Liebe zu seiner Herrin schon lang erkaltet war, und die gemeinsamen Nächte nur noch der technische Akt und nicht mehr die romantische Vereinigung waren, die sie ihn einst versprach. Aufgrund dessen begehrte er zum ersten Mal in seinem Leben auf und meinte, dass die Prinzessin doch bitte auch einmal etwas zum Unterhalt ihres Lebens beitrage, anstatt immer nur zu fordern und sich lieblos und kalt ihm, wenn überhaupt noch, hinzugeben.
Doch die Prinzessin wollte es nicht hören und schalt ihren Leibeigenen, dass er sich nicht so haben solle und er nun einmal ein Diener und sie die Prinzessin sei. Dass sie die Prinzessin sei und er ihr schon allein deswegen alle Wünsche erfüllen müsste. Diese Antwort war zu viel für die geschundene Seele und den geschundenen Leib des Leibeigenen und so sagte er sich von ihr los. Er sagte sich los, da ein Leben allein, ohne sie und mit allen Ungewissheiten, immer noch besser wäre, als sein Leben alleinig für sie zu leben und nur kalte, körperlich Zuneigung als Lohn zu erhalten.
Als so der Leibeigene das Leben der Prinzessin verließ, stellte sie mit Erschrecken fest, dass sie sich jetzt, um ihren eigenen Lebensunterhalt kümmern müsste. Sie stellte fest, dass ihr Leibeigener ihr wirklich viel an Arbeit abgenommen hatte und so wollte sie ihn zurück. Doch ihr ehemaliger Leibeigene mochte nicht mehr, denn zwar musste er in vielerlei Hinsicht neu anfangen, doch war er jetzt sein eigener Herr und tat das, was ihm Spaß machte.
Aufgrund der Weigerung ihres ehemaligen Leibeigenen irritiert und zornig, da sich das erste Mal in ihrem Leben, sich jemand ihr wirklich widersetzte, forderte sie seine Auslöschung aus der Geschichte, doch dafür reichte ihre Macht nicht. Ihre Macht reichte nicht, doch auch dafür fand sich eine Lösung. Die Lösung war, sich einen neuen Leibeigenen zu suchen. Wobei, wenn sie schon dabei war, warum sollte sie es bei einem Leibeigenen belassen. Sie könnte sich mehrere zulegen. Mehrere, die sie umsorgten und all ihre Wünsche erfüllten. Ja, das wollte sie tun. Doch, bis sie so weit war, und willige Diener gefunden hätte, müsste sie ihren finanziellen Engpass überbrücken.
Doch wofür hat man Eltern, dachte sie in dieser Situation und so ging sie zu ihnen und klagte ihnen ihr Leid. Und was taten ihre Eltern? Sie meinten, dass sie sich um das Auskommen ihrer Tochter weiterhin kümmerten, bis sie einen oder mehr neue Leibeigenen gefunden hätte, die ihr bedingungslos alle Wünsche erfüllten. Sie bestärkten ihre Tochter darin, weiter nach ihren ganz persönlichen und eigennützigen Zielen zu streben und andere für sie zahlen zu lassen. Sie sollte alles haben, solange sie nur allein, dadurch ihr Glück fände.

Durch die Absicherung der Königin und des Königs, lebte die Prinzessin weiter ein sorgenloses und ausschweifendes Leben, in dessen Zentrum nur sie allein stand. Sie lebte ein Leben, in dem sie fortan mehr und mehr Leibeigene suchte, die ihr alle Wünsche, allein um des Versprechens, auch einmal eine Nacht mit ihr zu verbringen, erfüllten.
Sie fand Leibeigene, doch mit keinem die wirkliche Liebe, die die Zeit überdauerte und ihr, ihr Herz erwärmte. Sie fand Leibeigene, die sie verließen, wenn sie keine Lust mehr auf kalte Zuneigung hatten oder die sie austauschte, wenn sie ihren Nutzen erfüllt hatten oder ihr nicht mehr zu Diensten sein konnten.

Doch auch die Prinzessin wurde älter, ihr Körper verfiel und mit ihm der Reiz, der die Leibeigenen an sie band. Sie wurde älter und einsam und schließlich verfiel ihr Schloss so wie ihre Träume, da sie sie, alleine nicht mehr unterhalten konnte.

Und wenn die Prinzessin nicht gestorben ist, so sucht sie noch heute weitere Leibeigene, die ihr bedingungslos ein sorgloses Leben ermöglichen, findet sie aber nicht und bleibt fortan im Herzen allein.“

Published inErzählungen

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