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Was von der Benutzung stilistischer Mittel kommt (eine Parabel)

Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Eine höllische Wut schlug mir entgegen. Verständnislose Blicke. Schreie, die mir wie Messer in den Leib fuhren. Wütende Ausrufe. Rot gefärbte, verkniffene Gesichter. Menschen denen der Geifer aus den Mundwinkel tropfte. Ich mit dem Rücken zur Wand. Angst umklammerte mein Herz. Angstschweiß trat mir auf die Stirn. Ich fragte mich: „Was ist nur geschehen? Was hat mich nur zum Ziel ihrer Wut werden lassen?“

Es begann doch alles ganz harmlos mit einem Gespräch unter Freuden, aus dem eine Idee geboren wurde. Die Idee einen ironisch satirischen Beitrag über unsere Gesellschaft und all die Dinge zu schreiben, die von den meisten Menschen als Kleinigkeiten und damit als unwichtig abgetan werden. Kleinigkeiten, die als eine einzelne Handlung wenig Auswirkung auf unserer Gesellschaft hätten und deswegen keiner weiteren Betrachtung wert wären. Doch obwohl das einzelne Auftreten unproblematisch wäre, so treten sie doch so häufig auf, wie es Sand am Meer gibt. Durch diese unvorstellbare Menge des Auftretens haben diese kleinen scheinbar unwichtigen Sachen, trotz allem einen nicht zu verachtenden negativen Einfluss auf unsere Gesellschaft.

Das Konzept für den Beitrag war schnell erarbeitet und ein erster Entwurf für den Beitrag schrieb sich wie von selbst, doch dann kam der schwere Teil. Stunde um Stunde wurde der Text von mir überarbeitet und umgeschrieben. Es wurden neue Inhalt hinzugefügt und wieder andere weggelassen. Mir als wichtig erscheinende Aspekte wurden herausgearbeitet, wobei ich mich das ein oder andere mal einer Übertreibung bediente, um den Leser auf das Problem aufmerksam zu machen. Durch die Übertreibung wollte ich erreichen, dass der Leser an der entsprechenden Stelle aufmerksam wird und an ihr innehält, statt einfach nur über sie hinwegzulesen. So nahm der Text nach und nach eine Form an, mit der ich mich anfreunden konnte. Wobei mir beim Schreiben des Textes wiedereinmal bewusst wurde, dass ich einen von mir geschriebenen Text eigentlich nie als wirklich perfekt empfand, was daran lag, dass mir bei jedem Durchlesen immer noch Punkte oder Sachverhalte einfielen, die man noch ergänzen oder etwas anders formulieren könnte. Doch irgendwann muss man halt mal den Schlussstrich ziehen und den Text entweder in der Schublade verschwinden lassen oder veröffentlichen.

Ich entschied mich für die zweite Variante und schon kurze Zeit später bekam ich Nachrichten geschickt. Einige der Nachrichten waren wirklich konstruktive Kritiken, die mich weiter brachten, mich über meinen Standpunkt nachdenken und auch den ein oder anderen Rechtschreibfehler korrigieren ließen. Doch die wenigsten Kritiken waren konstruktiv. Die meisten Kritiken waren von Personen die sich durch den Text direkt oder indirekt angegriffen fühlten oder meinten, das ich zu harsch sei. In dieser Gruppe gab es Personen, die meinten, dass sie mir als Vorlage für eine bestimmte beschriebene Person gedient hätten, obwohl ich an die betroffenen Personen gar nicht gedacht hatte, sondern an eine bestimmte Gruppe von Menschen, denen bestimmte Charaktereigenschaften gemein war. Doch diese Kritiker, die meinten, dass ich auf sie anspielte waren noch die harmlosen Kritiker, denn es gab dann noch die Menschen, die mir bestimmte Gedanken und negative Einstellungen unterstellten, und sagten, dass es nicht nur schwarz und weiß gebe, wie ich es darstelle. Sie brachten zum Ausdruck, dass ich die Menschen nicht so negativ darstellen solle, da ich dadurch Feindbilder erschüfe und es nichts Schlimmeres gebe, als ein Feinbild von einen bestimmten Typ Mensch zu erzeugen, das Menschen die diesem Feindbild entsprächen zu Außenseitern mache. Bei ihren Kritiken bezogen sie sich auf Textstellen, die ich bewusst übertrieben dargestellt hatte, wobei ich am meisten Kritik für die Stellen bekam, an denen ich mich der stilistischen Trickkiste bedient hatte. Der stilistischen Trickkiste, die mir die Metapher, die Ellipse, die Ironie, den Sarkasmus und den Zynismus zur Hand gab, um den Punkt, den ich an der betreffenden Stelle machen wollte, Nachdruck zu verleihen. Dabei waren die Kritiker, sowohl Menschen, die der Meinung waren, dass man alles friedlich und durch einen netten Dialog klären könnte. Diese Kritiker und ihre Einstellung respektierte ich auch, da ich sie verstand und früher auch mal wie sie gedacht hatte. Doch diese Zeit war für mich schon lang vorbei und sie hatte mich mit einen Zynismus zurückgelassen, der mich bisweilen dazu brachte Dinge etwas bissiger und vielleicht auch gemeiner, als wie notwendig wäre, zu formulieren. Doch dann gab es da noch die Gruppe von Kritikern, deren Verhalten ich genau mit meinem Text kritisierte. Sie warfen mir vor, mit Absicht Feindbilder zu erschaffen, denen sie entsprächen, um sie so in Misskredit zu bringen. Doch das war nicht meine Intention. Nein, meine Intention war ihnen die verschiedenen Schwächen ihn ihren Lebensweisen aufzuzeigen, über die sie mal reflektieren sollten. Aber diese Menschen dachten nicht über ihr Leben nach, sondern gingen gleich zum Gegenangriff über. Diese Menschen versuchten sich dann als Kritiker, was schon etwas Ironisches an sich hatte, da sie selbst nicht mit Kritik an ihrer Lebensweise umgehen konnten und darüber hinaus auch nicht mehr über die Fähigkeit der Selbstkritik verfügten.

Der Sturm der Entrüstung der durch diese „Kritiker“ nach der Veröffentlichung meines Textes hervorgerufen wurde, zog sich erst Tage und schließlich Wochen dahin. Anfänglich versuchte ich die unfundierte Kritik einfach auszusitzen, da ich alles was gesagt werden musste, für gesagt hielt. Doch da der Sturm, der stumpfsinnigen unfundierten Kritiken an meinem Text nicht abreißen wollte und ich den Unterstellungen der Kritiker müd ward, verfasste ich ein kurzes Statement, in dem ich die ignoranten Kritiker direkt adressierte. In dem Statement ging ich auf ihre Kritikpunkte ein und versuchte darzulegen, was für stilistische Mittel ich an den jeweiligen Textstellen verwandt und was ich mit ihnen zu bezwecken beabsichtigte. Mit dieser Maßnahme hoffte ich Ruhe zu schaffen. Doch ich hatte mich verschätzt, denn nach meiner Erklärung ging der Shitstorm erst richtig los. Denn aufgrund meines Statement beschwerten sich die adressierten Kritiker darüber, dass ich ihnen unterstelle, keine stilistischen Mittel zu verstehen. Sie warfen mir Überheblichkeit vor und brachten zum Ausdruck, dass sie mich für einen Menschen hielten, der davon überzeugt sei, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, wobei das ein oder andere mal auch das Wort „Hybris“ fiel. Diese Vorwürfe verletzte mich tief, denn ich hatte nie behauptet alles zu wissen und ich wollte eigentlich nie als ein überheblicher Mensch rüberkommen. Es gab nur ein Ding, was ich mit meinen Texten wirklich erreichen wollte, nämlich den Menschen die Probleme aufzuzeigen, die ich in ihrer Lebensweise sah und die ich für falsch hielt. Darin lag auch begründet, dass ich in meinen Texten selten Lösungen für die Probleme präsentierte, sondern nur das Problem überspitzt darstellte, in der Hoffnung, dass sich die Leser mit den aufgezeigten Problemen auseinandersetzten und anschließend selbst eine optimale Lösung für das Problem fänden. Eine Lösung, die das Problem beseitige und trotzdem mit ihrem Leben kompatibel wäre.

Doch auch diese Erklärung gefiel den destruktiven Kritikern nicht. Das lag wahrscheinlich daran, dass sie sich auf mich eingeschossen hatten und sich in der Gruppe Gleichgesinnter wohlfühlten. Eine Gruppe von Gleichgesinnten, die eine ganz eigene Dynamik entwickelte. Die Mitglieder dieser Gruppe begannen nun auch andere Beiträge, die ich zum Teil schon vor Jahren oder gar Jahrzehnten geschrieben hatte, auseinanderzunehmen. Sie rissen Fragmente der Texte aus ihren Kontext und versuchte mich mit Hilfe dieser Fragmente der Doppelmoral und Heuchelei zu überführen, um so meine Integrität und somit auch die Aussagen meiner Texte zu untergraben. Ich fand es einfach ermüdend, wie diese Kritiker versuchten mit Kanonen auf Spatzen zu schießen und so lud ich einige der Kritiker zu einer Diskussionsrunde ein.

Die Kritiker nahmen liebend gern die Einladung an, und so trafen wir uns. In der Diskussionsrunde beantwortete ich ihre Fragen nach besten Wissen und Gewissen, wobei viele ihrer Fragen Fallstricke waren, vor bösartigen Unterstellungen trieften und manch einmal auch wenig verdeckte Beleidigungen meines Intellektes enthielten. Doch, da ich die Situation entschärfen wollte, versuchte ich mich nicht aus der Ruhe bringen zulassen und bemühte mich, all ihre Fragen freundlich und nett zu beantworten. Doch mit zunehmender Zeit fiel mir das immer schwerer, da sie mir immer und immer wieder die gleichen Fragen stellten. Schließlich, als eine Frage zum zehnten Mal gestellt wurde, konnte ich nicht mehr an mich halten und sagte: „Ihr seid wie taube Aaskrähen, die eine Beute, wenn sie sie sich mal ausgeschaut haben, nicht mehr aus den Augen lassen und auf ihren Tod warten, um sich dann an ihren Kadaver zu laben. Doch die Beute ist nicht wie von den Aaskrähen angenommen krank, sondern noch vollkommen gesund. Aufgrund dessen warten die Aaskrähen Stunde um Stunde, Tag um Tag und werden hungriger und hungrig. Mit zunehmender verstrichener Zeit beginnt ihnen ihre Geduld zu schwinden und so beschließen sie schließlich doch nicht den natürlichen Tod der Beute abzuwarten, sondern ihn stattdessen selbst herbeizuführen. So attackieren sie die Beute mit ihren Schnäbeln wobei sie die Beschwichtigungsversuche der Beute aufgrund ihrer Taubheit nicht hören. Sie greifen immer und immer wieder an, doch da sie sich bei der Gesundheit der auserkorenen Beute verschätzten, fallen sie eine nach der anderen den Verteidigungsmaßnahmen der eigentlichen Beute zum Opfer. Schließlich ist der Boden mit Kadavern überseht, doch keiner der Kadaver ist der Leib, des eigentlich als Beute auserkorenen Opfers, sondern es sind die Leiber der Aaskrähen die Opfer ihrer Taubheit und Uneinsichtigkeit wurden.“ Nachdem das gesagt war, hielt ich einen Moment inne, und sah ganz deutlich das von mir erschaffene Bild vor meinem inneren Auge, und da wurde mir bewusst, dass ich mit meinem Vergleich den Aaskrähen unrecht tat. Als Folge der Erkenntnis ergänzte ich meinen Vergleich um die Anmerkung: „Doch wenn ich es mir noch mal recht überlege, so muss ich sagen, dass Aaskrähen wahrscheinlich intelligenter sind, als ihr je sein werdet. Die Aaskrähen hätten nämlich die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation erkannt und sich einfach eine neue Beute gesucht, statt Tage zu warten, nur um anschließend getötet zu werden.“

Auf diese Aussage folgte ein Aufschrei der Empörung. Sie warfen mir vor, dass ich ihn drohe, womit sie nicht ganz unrecht hatten. Sie ereiferten sich darüber, dass ich sie als Aasfresser bezeichnete. Doch ich hatte keine Lust mehr auf ihre Fragen und Vorwürfe einzugehen und so sagte ich schlussendlich: „Ich glaub ihnen ist die Kunst der Selbstreflexion verloren gegangen, und aufgrund ihrer Taubheit hören sie nicht, wenn andere ihnen sagen, dass sie sie verloren haben, und wo sie sie vielleicht wieder finden könnten. Doch ihre Taubheit ist nicht ihr einziges Handikap, denn zusätzlich zur Taubheit haben sie auch scheinbar schlechte Augen, denn sie müssen schlechte Augen haben, wenn sie nicht sehen, worauf sich die Anspielungen in meinen Texten beziehen und aufgrund ihrer schlechten Augen werden sie auch ihre Fähigkeit zu Selbstreflexion nie selbst wiederfinden können, da sie die Karte, auf der das Loch verzeichnet ist, in dem Sie ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion vergraben haben, nicht mehr lesen können.“

Darauf rasteten die anwesenden Kritiker komplett aus und begannen mich in die Ecke zu drängen. Ich wisch vor ihnen, die mich mordlüstern aus ihren Augen anfunkelten, weiter und weiter zurück und stand plötzlich mit dem Rücken zur Wand.

Da war ich nun in einer ausweglosen Situation. Einer Situation mit möglicherweise körperlichen Konsequenzen und das nur, weil ich einen Text schrieb, dessen Intention die Leser aufgrund der benutzten stilistische Mittel nicht verstanden und sich deswegen persönlich angegriffen fühlten. Doch ein Gefühl der Reue oder des Selbstmitleids für das Schreiben des Textes wollte sich bei mir nicht einstellen und so lachte ich den mordlüsternen Kritikern ins Gesicht. Sie kamen näher und näher und als ich ihren nach Aas riechenden Atem bereits auf meiner Haut spürte, dachte ich nur daran, dass durch Menschen wie sie, die Welt echt ein verlorener Ort ist. Dann stürzten sich die Kritiker auch schon, wie der bereits beschriebene Schwarm Aaskrähen, auf mich. Sie pickten nach mir und zogen mir das Fleisch mit ihren spitzen Schnäbeln vom Leib. Mein ganzer Körper schmerzte, doch ich lebte noch und so sah ich den Aaskrähen zu, wie sie, wenn sie einen Streifen Fleisch aus meinen Leib gerissen hatten, ihre Köpfe nach hinten warfen, damit das Fleisch ihnen in die Rachen rutsche, um es dann herunterzuwürgen. Als sie sich so an meines Körpers Fleisch labten, dachte ich mehr als einmal: „Hoffentlich erstickt ihr daran.“ und tatsächlich starben die Aaskrähen eine nach der anderen, doch für jede die starb, kam eine andere nach, die der Gestorben ihren Platz einnahm. So verspeisten sie mich Stück für Stück bei lebendigen Leib, bis schlussendlich nur noch ein Schatten meiner Selbst, nämlich mein Skelett, übrig blieb.

Published inErzählungen

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