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Unglücklich, da ich die Rolle erfüllte, die mir mein soziales Umfeld zudachte, und die Alternative vielleicht schlimmer wäre

Geschätzte Lesezeit: 11 Minuten

Vorwort

Die folgende Erzählung möchte ich für sich selbst sprechen lassen, wobei mir die Aussage dieser Erzählung sehr am Herzen liegt. Da mir die Aussage des Textes sehr wichtig ist und ich sie richtig rüberbringen wollte, nahm mich das Schreiben des Textes sehr mit. Es nahm mich mit, da ich in die Abgründe der menschlichen Gesellschaft blickte, und versuchte, eine Erzählung aus einer für mich ungewohnten Perspektive zu schreiben. Darüber hinaus ist mir bewusst, dass der Text nicht allen gefallen wird, da sich der ein oder andere in bestimmten Personen oder Verhaltensweisen wieder erkennen wird, was auch beabsichtigt ist. Da der Text selbst für meinen Geschmack etwas bissig und böse geworden ist, überlegte ich, ihn in meinem ganz persönlichen „Giftschrank“ verschwinden zu lassen. Doch nach all dem Herzblut, dass in diesem Text steckt, entschied ich mich dagegen.

Es lässt sich noch sagen, dass der Text für mich den Abschluss eines Lebensabschnittes darstellt. Gewiss ein Lebensabschnitt unter vielen, die schon vergingen und hoffentlich vielen, die noch kommen mögen, doch zu dem, was diesen Lebensabschnitt ausmachte, habe ich alles, was ich sagen konnte, gesagt und alles, was ich schreiben konnte, geschrieben. Nunmehr liegt alles, was diesen Abschnitt betreffend noch kommen mag, außerhalb meines Einflussbereiches und falls noch etwas kommt, wird es auf die ein oder andere Art und Weise einen neuen Lebensabschnitt für mich einleiten.

Ergänzender Kommentar vom 12.06.17: Anmerkung zu Interpretationen von Texten

Da ich immer häufiger feststelle, dass es sich immer mehr Menschen bei der Interpretation von Texten einfach machen, und vorschnelle Annahmen treffen, die schlicht und einfach falsch sind, hier ein paar Hinweise zur Interpretation von Texten. Bei der Hilfestellungen für die Interpretation orientiere ich mich an meinem Texten, da auch viele ihrer Leser von falsche Annahmen ausgehen, und dadurch z.T. zu absurden Interpretationen kommen.

Hier die Hinweise:

  1. Die Perspektive des Lyrischen-Ichs ist nicht unbedingt die Perspektive des Autors

    Das Lyrische-Ich in einem Text ist nicht zwingend der Autor, selbst wenn das Lyrische-Ich ein Ich-Erzähler ist. So kann der das Lyrische-Ich, obwohl der Autor z. B. ein Mann ist, auch eine Frau, ein Tier oder gar eine Pflanze sein. Welche Form das Lyrische-Ich hat, ist allein der Vorliebe des Autors geschuldet. So mag ich zum Beispiel dem Lyrischen-Ich die Form eines Ich-Erzählers zu geben, da ich die Meinung vertrete, dass meine Texte dadurch persönlicher sind, und sich der geneigte Leser dadurch eher mit der geäußerten bzw. dargestellten Kritik beschäftigt, als wenn ich aus einer Perspektive schriebe, die losgelöst von allem ist. Aus diesem Grund benutze ich i. d. R. auch keine Namen in meinen Texten, da ich es dadurch dem Leser einfacher machen würde, sich von geäußerter Kritik nicht angesprochen zu fühlen, da er z. B. nicht so heißt, wie die Person im Text. Darüber hinaus, kann und darf das Lyrische-Ich fast alles, auch wenn das was es äußert oder tut z. T. konträr der Meinung des Autors ist.

    Aus diesen Gründen erfährt man durch das Lyrische-Ich i. d. R. nur, mit welchem Thema sich der Autor beschäftigt, aber nicht, ob es ihn selbst betrifft, oder ob er es irgendwo, z. B. im Freundeskreis beobachtet hat.

  2. Manchmal schließt man ein (Lebens-) Kapitel ab

    Autoren, besonders welche von sozialkritischen Texten, wollen häufig in ihren Texten Missstände aufzeigen, die sich, ihrer Meinung nach, ändern sollten. Manchmal schafft der Autor, dass sich etwas ändert, manchmal schreibt er über Tage, Wochen, Monate und Jahre seine Meinung, führt Gespräch und recherchiert, nur um irgendwann festzustellen, dass er alles zu einem Thema gesagt hat. Zu diesem Zeitpunkt geht, dann für den Autor ein Lebensabschnitt zu Ende, vor allem dann, wenn er sich Monate oder Jahre intensiv mit einem Thema beschäftigte und ein Verweilen bei diesem Thema zum persönlichen Stillstand oder Unglück führte. So fängt für ihn ein neuer Lebensabschnitt an, bzw. muss für ihn anfangen, wenn er nicht verbittern möchte.

    Nach dem Abschluss eines Themas, ist der einzig wirklich gute Grund dafür, das betreffende Thema noch einmal aufzugreifen, wenn sich bezüglich des Themas etwas fundamental geändert hat, und es dadurch etwas Neues zu diesem Thema zu sagen oder schreiben gibt. Wird das Thema dann erneut vom Autor aufgegriffen, beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt, in dem er sich damit beschäftigt, welche Auswirkungen die aufgetretenen Änderungen auf seine bereits getroffen Aussagen hat. So beginnt er erneut den Sachverhalt zu analysieren und seine Rückschlüsse zu ziehen, obwohl er vielleicht Jahrelang nichts mehr zu dem betreffenden Thema sagte oder schrieb.

  3. Nur ein Bericht ist wahr.

    Im Allgemeinen lässt sich über einen Text nur sagen, dass einzig ein Bericht „wahr“ ist, da er objektiv sein sollte. Die restlichen Textformen sind dabei häufig nur subjektive Meinungswiedergaben, die schriftliche Abarbeitung eines Themas oder gänzlich frei erfunden. So kann und sollte man, vor allem bei lyrischen Texten, nicht davon ausgehen, dass sich das, was erzählt wird, wirklich zugetragen hat. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Autoren von bestimmten Texten z. T. eine Botschaft vermitteln möchten, die auf das wirkliche Leben, und wirkliche Verhaltensweisen anspielt. Sie schreiben vielleicht fiktionale Texte, mit denen sie aber eine reale Kritik äußern. Eine Kritik, die es vielleicht wert ist, gehört zu werden

So, damit genug zu den Hinweisen, ich hoffe, jeder, der dies liest, nimmt sich diese Anmerkung zu Herzen und trifft keine vorschnellen Annahmen mehr.

Unglücklich, da ich die Rolle erfüllte, die mir mein soziales Umfeld zu dachte, und die Alternative vielleicht schlimmer wäre

An dieser Stelle möchte ich aus meinem Leben berichten, wobei es eigentlich nicht viel zu berichten gibt. Das einzige von dem es sich zu berichten lohnt, ist der Moment, in dem sich mir die Chance bot, einen Schlussstrich zu ziehen und einen Neuanfang zu wagen. Einen Neuanfang, der vielleicht der Beginn eines besseren, aufregenderen und liebevolleren Leben für mich gewesen wäre. Doch ich nutzte die Chance nicht und blieb in meinem golden wirkenden, aber in Wirklichkeit hässlichen und vor allem kalten Käfig gefangen. Ich verschenkte mein Glück und viele meiner Jahre, was ich jetzt bereue. Damit es anderen nicht auch so geht und sie den gleichen Fehler begehen, den auch ich beging, möchte ich an dieser Stelle von meinem damaligen Leben und der Chance, die ich verstreichen ließ, berichten.

Ich kannte meinen damaligen Freund schon seit Jahren und anfänglich war ich auch in ihn verliebt, doch mit den Jahren entwickelten wir uns weiter und entfernten uns mehr und mehr voneinander. Ich fühlte mich in unserer Beziehung nicht mehr wohl, denn er nahm meine Träume und Wünsche nicht war, sondern stellte sie sogar teilweise als Illusionen und Hirngespinste dar. Doch nicht nur das. Nein! Darüber hinaus schränkte er mich in meiner persönlichen Entwicklung und in meinem Freundeskreis ein. Das tat er, indem er besitzergreifend auftrat und jede Gelegenheit nutzte, unserem Umfeld zu zeigen, wer zu wem gehörte. Dieses Verhalten machte es mir auch schwer, neue Freundschaften zu schließen und vor allem zu pflegen. Darüber hinaus war er notorisch eifersüchtig und fühlte sich schnell durch andere bedroht, wodurch er, wenn ihm meine Unterhaltungen mit anderen Männern zu intensiv wurden, dazwischen ging, und mit irgendwelchen Sprüchen, oder mit bestimmten Gesten und Handlungen das Gespräch zum Erliegen brachte. Darüber hinaus hatten wir auch verlernt, uns miteinander zu unterhalten. Statt Diskussionen zu führen und uns unseren Horizont gegenseitig zu erweitern, sprachen wir nur über Banalitäten. Unsere Beziehung war ein einfaches nebeneinander her leben, mit Erfüllung der gesellschaftlich gewünschten Rollen, wobei die Erfüllung der eigenen Träume und die Suche nach Glück nicht dazugehörte.

Einmal versuchte ich mich aus diesem, meinem Käfig zu befreien, nur um festzustellen, dass um den Käfig noch ein Netz gespannt war. Das Netz waren unsere gemeinsamen sozialen Kontakte, die wir über die Jahre aufgebaut hatten. Es waren unsere Freunde und Familien, die nicht mehr uns als Individuen sahen, sondern nur als Paar. So sagten sie zu mir, als ich mich aus dem Käfig befreien wollte, dass wir doch perfekt zusammen passten und dass mag für sie vielleicht so gewirkt haben, da ich innerlich bereits seit Monaten tot war. Mein Herz war ein Klumpen Eis und ich ließ seine Liebesbekundungen, die eigentlich nur wie Hohn in meinen Ohren klagen, und mir nicht mehr mein Herz und meine Seele wärmten, über mich ergehen. Seine liebevollen Gesten erwiderte ich, so wie es von mir erwartet wurden, wobei sich seine Lippe und seine Haut kalt und leblos anfühlten. Er schaffte es einfach nicht mehr, mir meine Seele zu erfreuen, doch die Fassade, die unser soziales Umfeld sah, hielt.

Während des Ausbruchsversuches traf ich mich auch mit verschiedenen Männern. Doch bei diesen Männern war auch nicht der richtige dabei, denn entweder wollten sie nur mit mir ins Bett, oder sie nahmen mich gar nicht wahr. Wobei, wenn ich genau darüber nachdenke, da gab es einen, mit dem ich mich gut unterhalten konnte. Er nahm mich als Individuum. Er nahm mich als Mensch mit träumen und Gefühlen war und war meistens zuvorkommen und nett, zu mir, doch meine Anspielungen, mit denen ich ihn versuchte deutlich zu machen, dass vielleicht mehr als eine einfache Freundschaft daraus werden könnte, nahm er nicht wahr, oder blockte sie ab. So endete schließlich mein Ausbruchsversuch, denn ich hatte zwar Glück im Herzen gespürt, doch es nicht gefunden. Ich verzagte, da es mir nicht vergönnt war, mein Glück zu finden und kehre in meinen goldenen Käfig zurück.

Nach meinem misslungenen Ausbruchsversuch, der u. a. auch an dem sozialen Netz von meinem Partner und mir scheiterte, „normalisierte“ sich ein Stück weit unsere Beziehung. Womit ich meine, dass ich die Rolle, die mir von meinem sozialen Umfeld zugedacht wurde, so gut wie möglich erfüllte. Ich erfüllte die Rolle, auch wenn jeden Tag ein weiterer Teil meines Ichs starb. Manchmal rebellierte noch etwas in mir auf und ich versuchte mein soziales Umfeld darauf aufmerksam zu machen, dass halt nicht alles in Ordnung war. So erwiderte ich auf die Aussage einer Freundin von meinen Partner und mir, als sie meinte: „Ich habe ja schon immer gesagt, dass ihr gut zusammen passt.“, „Na ja.“ Was sie aber nicht zu hören schien.

Die Zeit verstrich und ich war in meiner Rolle gefangen. Meine Träume und meine Hoffnung auf eine glückliche, erfüllende Beziehung zerfielen zu Asche. Ich wurde älter und mit jedem abgeschlossenen Lebensjahr reute es mich mehr, dass ich mich diesem Schicksal ergeben hatte, doch etwas zu ändern fehlte mir, nach meinem gescheiterten Ausbruchsversuch, der Mut.

Das änderte sich erst, als wir zu Besuch bei Freunden waren, und dort zufällig das Lied „Und jetzt?“ von der Musikgruppe „Dritte Wahl“ lief. Als ich das Lied hörte und den Text verstand, brach alles zusammen. Ich fing an zu weinen und konnte nicht mehr aufhören. Tagelang, lag ich mit Depressionen im Bett und weinte. Mein Partner, für den ich doch alles aufgegeben hatte, kam damit nicht zurecht, und suchte das Weite. Er kam nicht damit klar, dass ich am Boden zerstört war, und ich mich nicht mehr um ihn kümmern konnte, sondern jemanden brauchte, der sich einmal um mich kümmert und sorgt. So beschwerte er sich, dass ich aufgrund meines seelischen Zusammenbruches, den Haushalt liegen ließ, und mich nicht mehr um ihn kümmerte. Es interessierte ihn nur, welche Auswirkungen mein Zusammenbruch für sein Leben hatte, und nicht, wie es mir ging, und wie er mir helfen könnte. Ich merkte, dass nicht nur meine Liebe in der Partnerschaft gestorben war, sondern auch seine. Mir wurde bewusst, dass ich einfach nur ein Objekt für ihn war, das für ihn sorgte, und mit dem er ab und an seinen Spaß haben konnte.

Als er mir dann auch noch vorwarf, dass ich ihn nicht mehr liebte, erwiderte ich in meinem Schmerz und mit einem abgrundtiefen Hass, dass ich ihn schon seit Jahren nicht mehr liebte, er aber zu blind gewesen sei, das zu sehen, da er mich nie wirklich geliebt habe, geschweige denn jemals wirklich verstanden hätte. Hätte er mich wirklich geliebte, hätte er mir meine Freiheit gegeben, mich in meinen Träumen unterstützt, und mir alles gute auf meinem Weg gewünscht, auch wenn er sie nicht verstand, anstatt sich so aufzuführen, als besäße er mich.

Während dieser Zeit zerbrach unsere Beziehung vollständig und mit unserer Beziehung auch unserer Freundes- und Familienkreis. Es trat das ein, vor dem ich all die Jahre Angst hatte und in dem auch einer der Hauptgründe dafür lag, dass ich mit ihm zusammen blieb, obwohl in unserer Beziehung keine Liebe mehr wohnte. Und was hatte ich von den Jahren, die ich unglücklich in der Beziehung verbrachte? Einen Scherbenhaufen und die Erinnerungen an viele verschenkte Chancen, die mir eine Chance auf echtes Glück versprachen.

Da ich es am meisten bedauerte, dass ich bestimmten Personen den Zugang zu meinem Freundeskreis verwehrte, aus Angst, dass sie mich dazu brächten, mein inneres Gleichgewicht und mein soziales Umfeld zu zerstören, kann ich nur jedem, den es ähnlich geht, empfehlen, sich folgende drei Fragen zu stellen:

  1. Bin ich mit meinem Leben, so wie es im Moment ist, glücklich?
  2. Wäre ich glücklicher, wenn diese oder jene Person eine Rolle in meinem Leben spielte?
  3. In welcher Rolle wäre mir die betreffende Person am liebsten? Als guter Bekannter? Als Freund oder guter Freund? Vielleicht sogar als Partner?

Hat man diese drei Fragen für sich geklärt und unabhängig von seinem sozialen Umfeld für sich beantwortet, sollte man mit der betreffenden Person darüber reden und schauen, ob sie auch so denkt. Vielleicht sieht er sich oder kann sich in der gleichen Rolle sehen, in der man ihn gern hätte. Passt alles, sollte man nicht zögern die betreffende Person in sein soziales Umfeld zu integrieren, egal, was bestehende Mitglieder dazu sagen. Denn der Bekannten-, Freundes- und Familienkreis wird die getroffene Entscheidung akzeptieren, wenn sie es wert sind, von einem geschätzt und akzeptiert zu werden, denn dann akzeptierten sie deine Entscheidungen, da sie dir alles Glück der Welt wünschten.

Abschließend bleibt mir nur noch zu sagen, dass ich mit meiner Erzählung keinesfalls dazu aufrufen möchte, Beziehungen beim kleinsten Problem zu beenden. Nein, dass möchte ich nicht. Zu Beziehungen gehören Kompromisse und ab und an ein Streit dazu. Doch sollten Kompromisse nie einseitig eingegangen werden, denn das wäre dann kein Kompromiss mehr, sondern eine Selbstaufgabe. Und sich selbst aufgeben sollte man nie. Man sollte immer seine eigenen Träume und Ziele haben und sie verfolgen. Man sollte niemals nur für andere leben, sondern auch für sich selbst. Tut man das nicht, kommt bestimmt einmal der Augenblick, in dem man merkt, dass man ein unglückliches, unerfülltes Leben führte, und dann bedauert man die verschenkten Jahre.

Was mich betrifft, so schaffte ich es schließlich doch noch, wieder mein Glück zu finden, auch wenn es Zeiten der Einsamkeit gab, doch in diesen Momenten lernte ich mich selbst kennen, und mich selbst schätzen, und schließlich lernte ich auch den Mann kennen, der mich so schätzte, wie ich bin.

Published inErzählungen

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