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Die Beerdigung

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Die Sonne scheint, an diesen doch eigentlich traurigen Tag. Die Kirchenbänke sind alle besetzt, die Empore auch schon voll und es versuchen immer noch Menschen in die Kirche zu kommen. Doch nicht alle finden Platz. Die Menschen sammeln sich vor der Kirche und es werden Lautsprecher aufgestellt, damit all die Menschen, die kamen, um Abschied zunehmen und keinen Platz mehr in der Kirche fanden, der Todesandacht lauschen könnten.

Die Glocken läuten. Es wird ruhig. Der Pfarrer beginnt. Doch tröstende Worte findet er nicht. Er drückt nur sein Unverständnis aus. Er wiederholt, dass man einfach nicht verstehen kann, warum jemand so jung, in der Blühte seiner Jahre, stürbe. Warum Gott so etwas zuließe. Ein guter Freund von meinem ehemaligen Klassenkameraden sagt ein paar Worte, die wirklich treffend sind und meinen ehemaligen Klassenkameraden sehr gut beschreiben.

An den Freund meines ehemaligen Klassenkameraden anschließend, kommt eine Führungspersönlichkeit der Firma, für die er seit Beginn seines Arbeitslebens arbeitete. Diese Person versucht auch meinen ehemaligen Klassenkameraden zu beschreiben, doch man merkt, dass diese Person ihn nicht wirklich kannte. Scheinbar fällt das dieser Person, während sie spricht, selbst auf und so versucht sie sich in Halbwahrheiten zu retten. So schildert diese Person Ereignisse, die eigentlich nichts über den Charakter meines ehemaligen Klassenkameraden aussagen. Selbst die Arbeitskollegen meines ehemaligen Klassenkameraden stehen nur da und schütteln über die Worte, die diese Führungskraft von sich gibt, den Kopf. Diese Führungspersönlichkeit spricht vom Kapitalismus geprägte Worte. Worte, die sich nur mit dem „finanziellen“ Wert, den mein ehemaliger Klassenkamerad für seine Firma hatte, beschäftigen. Sie beschrieben nicht sein offenes Wesen, dass seine direkten Kollegen an ihm mochten. Nicht die ruhige und freundliche Art, mit der er selbst schwierige Situationen meisterte. Nein, bei dem, was diese Führungskraft sagt, bekommt man den Eindruck, dass sie meinen ehemaligen Klassenkameraden nicht als Menschen, sondern als ein Werkzeug, einem „Tool“ betrachtete. Ein Werkzeug, das jetzt ersetzt werden müsste. Die Firma müsste jetzt Zeit und Geld investieren, um einen Ersatz zu finden. Sie müsste Geld in Schulungen investieren und hätte zeitweise einen erhöhten Betreuungsaufwand, bis der Ersatz auf dem Wissensstand meines ehemaligen Klassenkameraden wäre. Dabei bestünde auch immer das Risiko, dass der, der ihm auf seinen Posten folgte, nie die Qualität und das Arbeitspensum leistete, die mein ehemaliger Klassenkamerad leistete. Man könnte auch sagen, dass von einem auf den anderen Tag, dass unternehmerische Risiko, an der Stelle, an der mein ehemaliger Klassenkamerad eingesetzt gewesen war, für die Firma gestiegen ist. Diese Zunahme des Risikos bereitete der Führungskraft sichtlich Unbehagen, wobei ich auch herauszuhören glaubte, dass sie sich etwas selbst leid tat. Sie tat sich aufgrund der Arbeit, die jetzt mit der Neubesetzung der Stelle und der Einarbeitung des Nachfolgers, auf sie zukäme, selbst leid.

Schließlich beendet die Führungskraft ihre Ansprache und der Pfarrer sagt noch zwei drei Sätze, bevor die Glocken anfangen zu läuten, und sich die Trauerprozession, bestehend aus hunderten Menschen, auf den Weg zum Friedhof begibt. Den Anfang der Trauerprozession hat die Freundin meines ehemaligen Klassenkameraden inne. Auf dem Weg zum Friedhof läuft sie an mir, der vor der Kirche steht, vorbei. Als ich sie in diesem Moment sehe, wird mir mein Herz schwer. Tränen rinnen ihr übers Gesicht. Die Urne, die die Asche, des im Krematorium verbrannten Leibes, meines ehemaligen Klassenkameraden enthält, drückt sie fest an ihre Brust. Sie scheint nichts von dem, was um sie herum passiert, mitzubekommen und macht den Eindruck, als falle es ihr immer noch schwer, zu glauben, dass die Überreste ihres Freundes, die sich jetzt in der Urne befanden, alles sein sollte, was von den vergangenen glücklichen Jahren und all den Zukunftsplänen, die sie geschmiedet hatten, übrig bleiben sollte. Die Eltern meines ehemaligen Klassenkameraden folgen seiner Freundin, und daran anschließend, all die anderen Menschen, die in der Kirche der Trauerfeier beiwohnten. Als alle aus der Kirche, sich der Trauerprozession sich angeschlossen hatten, beginnen sich auch die Menschen, die vor der Kirche der Trauerrede beigewohnt hatten, sich der Trauerprozession anzuschließen. Und so schließe auch ich mich der Trauerprozession an.

Als ich als Teil der Trauerprozession von der Kirche, die im Ortskern liegt, zum Friedhof, der außerhalb des Ortes liegt, laufe, denke ich, dass es sich bei der Trauerprozession um eine Trauerprozession handelt, wie man sie eigentlich nur sieht, wenn junge oder sehr bekannte Menschen sterben. Ich mache mir Gedanken, woran die große Anteilnahme, an dem Tod von jungen Menschen liegen könnte, und komme zu der Überzeugung, dass junge Menschen in der Regel noch viele Freunde und Bekannte, aus der Schulzeit und den ganzen Vereinen, denen sie angehörten, hatten, die ihnen die letzte Ehre erweisen wollten. Zu diesen Personen gesellten sich dann noch die aktuellen Arbeitskollegen und die Menschen, die immer zu Beerdigungen kommen, um sich gut zu fühlen. Ja, es gibt auch die Menschen, die auf Beerdigungen kommen, nur um sich gut zu fühlen und sich daran zu erfreuen, dass sie wieder einen überlebt haben (Damit meine ich vor allem die Alten in den Dörfern, die über alles und jeden tratschen und das selbst über die frisch Verstorbenen. Sie benutzen dann z.T. Sätze wie: „Ich habe ja schon immer gewusst, dass das kein gutes Ende nimmt.“ oder lassen sich darüber aus, das diese oder jene Person nicht auf der Beerdigung war).

Als die Trauerprozession auf dem Friedhof angekommen, stelle ich fest, dass auch auf ihm Lautsprecher aufgestellt sind. Die Trauerpression verteilt sich in einem Umkreis von 20 Metern um das Grab. Nachdem alle Trauergäste auf dem Friedhof angekommen sind, ergreift der Pfarrer das Mikrophon und er beginnt zu sprechen. Trotz der Lautsprecher verstehe ich seine Worte kaum, da ich ganz außen stehe, und die Menschenmenge vor mir, auch die durch die Boxen verstärkten, Worte des Pfarrers schluckt. Ich bekomme mit, auch wenn ich es nicht direkt sehe, wie die Urne in den Boden gelassen wird. Als die Urne vollständig ins Grab gelassen ist, gehen einige Trauergäste zu der Öffnung und schmeißen eine Hand voll Erde und eine weiße Rose ins Grab. Während einige der Anwesend die Rose und die Hand voll Erde ins Grab schmeißen, beginnt sich die langsam die Menschenmenge zu zerstreuen. Als schließlich fast nur noch der engste Familienkreis vor dem Grab steht, mache auch ich mich auf den Heimweg.

Published inErzählungen

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