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Der Sinn des Lebens

Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Ich hielt es nicht mehr aus. Tagtäglich der Lauf im Hamsterrad. Der Lauf, der nichts änderte und mich nirgendwo hinbrachte. Immer wieder die gleichen Fragen und immer wieder dieselben Antworten. Doch was war die Konsequenz? Was änderte sich mit der Zeit? Nichts! Alles blieb, wie es immer war.
Die Zeit verging und ich spürte, wie mir mein Alltag alle Lust nahm. Ich begann mich und mein Leben zu hinterfragen. Ich fragte mich, was wohl der Sinn des Lebens sei. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich drehte durch und kollabierte. „Ausgebrannt“ war das, was die Ärzte zu mir sagten. „Ausgebrannt“, körperlich und seelisch. Doch was tun? Ich wusste es nicht und die Menschen, in ihren Kitteln, die mir Helfen wollten, erreichten mich nicht. Ich fühlte mich unverstanden und leer. So leer.
Schließlich, am Tiefpunkt angekommen, beschloss ich aus meinem Alltag auszubrechen. Ich nahm mir vor, wieder die Natur, die ich einst unvergleichlich liebte, aber dann aufgrund von falschen Prioritäten aus meinem Leben verbannte, erneut zu erkunden und vielleicht auch erneut lieben zu lernen. Ich nahm mir vor, die Natur wieder so zu sehen, wie sie wirklich ist und ihr und ihren Schutz, wieder einen Platz in meinem Herzen zu geben. Einen Platz, von dem mir in all den Jahren, die ich als Zahnrad im Getriebe des Kapitalismus arbeitete, nicht bewusst geworden war, dass er erst verödete und dann tot und leer zurückblieb.
Ich, der keine familiären Verpflichtungen hatte und der über viele Jahre kaum Geld ausgab und es immer nur nachhaltig anlegte, hatte doch alle Freiheit, sich eine Auszeit von seinem durchgetakteten Alltag zu nehmen. Eine Auszeit, um mal wieder das zu tun, zu was ich wirkliche Lust verspürte. Eine Auszeit, um mich selbst und den Sinn meines Lebens zu finden.
Gedacht, getan. Und so kam es schließlich, dass ich mir sechs Monate unbezahlten Urlaub nahm. Sechs Monate Urlaub, in denen ich versuchen wollte, mich selbst zu finden. Dabei war mir schon, bevor ich meinen Urlaub überhaupt antrat, bewusst, dass es mir wahrscheinlich nicht gelänge, mich selbst und meinen Seelenfrieden in Europa zu finden. Der Grund dafür war, dass mich meine Erfahrung lehrte, dass man in vielen der „zivilisierten“ Länder Europas, hauptsächlich Menschen begegnete, die überheblich auf den Rest der Welt blickten und Hochmut und überbordenden Egoismus zur Schau trugen. Doch nicht nur, dass man in Europa einfache Menschen traf, die diese Charakterzüge zur Schau trugen, nein, man fand sie darüber hinaus gar nicht selten bei der politischen Führung, der verschiedensten Länder. Aber das war noch nicht alles, was mich an vielen Europäern störte. Mich störte auch, dass für viele Menschen in weiten Teilen Europas, Oberflächlichkeiten mehr zählten, als Können und Verstand. Kurz, ich hatte den Eindruck, dass in weiten Gebieten Europas nur Menschen Beachtung fanden, die ein nazistisches Auftreten zur Schau trugen. Mit diesem narzisstischen Auftreten ging bei vielen Europäern einher, dass sie viel, häufig zu viel, Wert darauf legten, die optischen Ansprüche einer breiten, häufig stumpfsinnigen Masse, zu befriedigen. Einer stumpfsinnigen Masse, die die in Medien propagierten Schönheitsideale sang und klaglos annahmen. Oder anders ausgedrückt, viele Menschen wollten anderen Menschen um jeden Preis gefallen, wobei die Menschen, denen sie gefallen wollten, eigentlich nicht den Aufwand, die Zeit und die investierten Mittel wert waren.
Nein, in diesem Europa würde ich meinen Seelenfrieden wahrlich nicht finden. Also wohin? Nach Afrika? Nein, das war mir zurzeit zu unsicher! Also nach Asien, dem Kontinent, den ich noch relativ umweltfreundlich bereisen konnte und von dem ich bisher kaum etwas kannte. Doch in welches Gebiet von Asien? Asien war ja schließlich nicht gerade ein kleiner Kontinent. Russland? Nein, zu europäisch und diktatorisch. China? Nein, auch zu diktatorisch und darüber hinaus zu sehr ein Überwachungsstaat, der mich an den Roman 1984 von George Orwell erinnerte. Indien? Nein, das Kastensystem, dass Menschen aufgrund ihrer Geburt zu Ausgestoßenen oder Edelleuten machte, war mir auch zuwider. Was also blieb? Ich entschied mich für Südostasien bzw. um es genauer zu sagen, für die Länder Indochinas, also Laos, Kambodscha und Vietnam.
Gedacht, geplant und getan. So kam es, dass ich die erste Zeit meiner Reise mit den verschiedensten öffentlichen Verkehrsmitteln von Europa nach Asien und dann von Westasien nach Südostasien reiste. Dort, nach einem Monat mit Zug und Bus angekommen, machte ich mich auf, die Länder Indochinas zu Fuß und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erkunden.

Drei Monate waren seit meinem Aufbruch vergangen, als ich in Vietnam, in einem abgelegenen Dorf, von einer Frau hörte, von der die Dorfbewohner sagten, dass sie jeden Leben einen Sinn gäbe. Neugierig geworden, durch das, was ich da hörte, suchte ich sie in einer kleinen Hütte, die etwas außerhalb des Dorfs lag, auf. Als ich mich auf dem Weg zu ihr machte, wusste ich noch nicht, ob ich mich überhaupt mit ihr verständigen könnte. Ich wusste es nicht, da sie sicherlich kein Deutsch spräche und nur recht wenige Menschen, in den ländlichen Gebieten Vietnams, Englisch sprachen. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt. So suchte ich sie auf und stellte mich ihr auf Englisch vor. Auf meine Ansprache hin antworte sie mir in recht passablen und verständlichen Englisch.
Nachdem die Vorstellung geendet hatte und den Höflichkeitsfloskeln Genüge getan war, stellte sich heraus, dass es sich bei der zeit- und wettergegerbten Frau, die da vor mir stand, um eine ehemalige Entwicklungshelferin aus Frankreich handelte. Sie kam einst aus Frankreich und hatte bei und für ihre Arbeit Englisch gelernt, so dass sie sich mit mir unterhalten konnte.
Zu Beginn unserer Unterhaltung führten wir nur etwas Smalltalk. Wir unterhielten uns über alles und nichts. Die Zeit verging und schließlich kamen wir zu dem Punkt, an dem ich ihr erzählte, warum ich mir eine Auszeit genommen hatte und mich auf diese Reise begab. Als sie hörte, dass das Ziel meiner Reise und Auszeit war, Abseits meines vertrauten Umfelds, mich selbst zu finden, lachte sie und meinte:

„You will never find yourself, if you just travel around the world. You will never find the meaning of life, if you just look with your eyes. If you really want to find the meaning of your life, you must leave your body. You must be a bird, which goes up and looks from the sky down on yourself. You must see with the birds eyes, what you are doing wrong. You must see, where and when you did someone or something wrong. You must see, when and in which ways you pretend to be someone or something, that you aren’t. You must leave all falsehood and hypocrisies behind you. You must say the materialism, this false friend of mankind, goodbye and look in your heart, what it is, that you really desire. But the most important thing is, you must understand that all life is worth living and no one, really no one, should dare to presume that an animal or a plant has less value than himself. The reason be, that no one can live without animals or plants and the cycle of life. In that way, if you want to find yourself and the meaning of life, find the beauty in all living things. Always remember which things are really important to you and then reduce your home and household to those things and then live in peace with nature. The reason be, that you only find real happiness and the reason for your life, if you are in peace with earth and yourself, because just in this stat of life and mind you can determine, which positive things you can do with your life. Only if you find yourself, you find real happiness and the meaning of life, which can only be, to make the world a better place for everyone and everything.
I myself have left my previous life behind. Since thirty-eight years I live in this country and left therefore my country and family behind. I left my country, to find the meaning of my life, too. In the end, I found the meaning of my life here, within the nature and near this village with his people. I found out, that I, with my knowledge, could help this village and the people within to live better and more meaningful lives. I taught some of those people to speak English and also to read it. I taught the young girls self-respect and gave them some basic sexual education, because their parents didn’t often speak about this subject with them.
I must say, all this doing and the development which this village took, gave my life meaning.“

Ich war tief beeindruckt von dem, was sie sagte. Ich ließ ihre Worte auf mich wirken und dachte an all das, was ich in dem Dorf gesehen hatte. Ich führte mir all die kleinen Unterschiede zu anderen Dörfern, die ich bisher in Vietnam gesehen hatte, vor Augen und fragte mich, ob das alles dem Tun, dieser alten Frau zu verdanken war. Dadurch, dass ich mit meinen Gedanken beschäftigt war, antworte ich der alten Frau nicht sogleich und wir saßen einfach nur schweigend zusammen.

Als schließlich eine Weile vergangen war, fragte die alte Frau, ob ich noch zum Essen bleiben wollte. Ich bejahte die Frage. Während sie das Essen kochte und ich sie dabei nach Möglichkeiten unterstützte, führten wir etwas Smalltalk über Gott und die Welt. Nach dem Essen schließlich verabschiedete ich mich, denn es war Zeit für mich, aufzubrechen und meine Reise fortzusetzen. Zum Abschied gab mir die alte Frau noch einen weiteren Rat, für meinen zukünftigen Lebensweg, mit. Der Rat war:

„Today we live in the digital age. It has started, to remain. All over the world the computers and the internet take more space in the life of the people. Even in this small village, in which I live, the most people have gotten a smartphone. But over all the digital devices and the internet the people forget to speak to each other. They forget, that life is about living in peace with themselves and the environment and furthermore to help each other to make their lives worth living. Over all their digital devices they forget, what gives their lives meaning and within time they will lose themselves, like you lost yourself. Therefore, never get lost in the digital world. Never forget your family and friends, over spending too much time with all your digital devices. Go out with your family and friends. Try to meet every day some new people and trust your heart under all circumstances. Trust your heart, which speaks to you all the time. In the End, your heart will tell you, which is the meaning of your life.“

Auf diese Worte hin gab ich ihr meine Hand zum Abschied, wünschte ihr noch alles Gute auf der Welt, und machte mich auf meinen Weg. Die nächsten drei Monate meiner Reise musste ich häufig an die Worte der alten Frau aus Vietnam zurückdenken und so beschloss ich, ihre Worte mir zu Herzen zu nehmen und mein weiteres Leben nach ihnen auszurichten.

Als ich schließlich nach sechs Monaten wieder zuhause ankam, hatte ich mir schon weitgehend Gedanken darüber gemacht, wie ich mein zukünftiges Leben gestalten wollte. Ich war zu der Überzeugung gelangt, dass meine Arbeit bedeutungslos, meine Wohnung zu groß und mein Leben in den digitalen Welten, zu viel Zeit beanspruchte. So kündigte ich meinen Job, suchte mir eine günstige Einzimmerwohnung auf dem Land, misste meinen Hausrat aus und verabschiedete mich von all den digitalen Welten, sein es soziale Medienplattformen oder Spielwelten. Ich zog einen Schlussstrich unter mein bisheriges Leben, denn Erfüllung hatte es mir weder gebracht, noch würde es sie mir jemals geben. Was jetzt noch blieb, war eine Tätigkeit und Umgang zu finden, der mir erlaubte, meinem Leben einen Sinn zu geben. Warum nicht etwas, bei dem ich die Flora und Fauna schützte und im direkten Kontakt mit den Menschen versuchte, die Welt zu einer besseren zu machen?

Published inErzählungen

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