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Eine letzte Liebesgeschichte – Brief 1: Prolog

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Liebe Freundin, schon lange Zeit habe ich keinen privaten Brief mehr geschrieben, doch Zeiten ändern sich. Zeiten ändern sich und manch einmal wird altes wieder aktuell. So wie das Schreiben von Briefen, in der aktuellen Pandemie.
Die Pandemie, sie brach über mich und mein Leben herein und setzte der selbstauferlegten Hektik meiner Existenz ein Ende. Ein Ende, das mich ins Nichts fallen ließ. Kein Treffen mehr mit Freunden, kein Eilen mehr von Termin zu Termin, sondern überwiegend das mit sich selbst Alleinsein. Das Alleinsein und mit sich selbst klarkommen müssen. Die Pandemie brachte für mich eine aufgezwungene Entschleunigung, die mich, mich selbst fragen ließ, was ich eigentlich noch erreichen und in meinem Leben nicht länger missen möchte.
Ich stellte fest, dass ich Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte eine Flucht durch die Zeit lebte. Ich flüchte vorm Alleinsein, davor, mich mit mir und meinem Leben auseinandersetzen. Warum sollte ich das auch tun? Ich konnte überall hinreisen, alle möglichen Leute treffen und von meinem Smartphone kurze, inhaltsarme Nachrichten um die Welt schicken und mich darüber hinaus mit andern Leuten zu einem kurzen Tête-à-Tête verabreden.
Doch plötzlich ging das nicht mehr. Plötzlich war die Welt klein und die Personen, die man treffen konnte und wollte, wenige. Plötzlich hatte ich viel Zeit mir Gedanken über alle möglichen Dinge zu machen, wenn ich nicht als reines „Couchpotato“ enden und einfach dahin vegetieren wollte. Doch mit den Gedanken, die mir kamen, kam auch die Einsamkeit. Ich merkte, dass mir etwas im Leben fehlt.
Der Gedanke, dass etwas fehlt, und das nagende Gefühl, was mit ihm einhergeht, stellte sich bei mir zum ersten Mal in der zweiten Woche des ersten Lockdowns ein. Er stellte sich ein, als ich von meiner Arbeit nachhause kam und die Wohnungstür hinter mir ins Schloss fiel. Früher war das der Moment, in dem ich mir einen Happen zu Essen machte, bevor ich erneut aufbrach, um noch etwas zu unternehmen und einfach Spaß zu haben. Doch was ist davon jetzt geblieben? Jetzt mache ich mir tagtäglich lustlos etwas zu Essen und während ich es allein in meiner Wohnung verzehre, spüre ich ein bedrückendes Gefühl von Einsamkeit. Ich spüre eine unfassbare Kälte und Leere, und die Frage nagt an mir, was mir in meinem Leben fehlt? Was gibt meinem Leben einen Sinn?
Mir kam auf einmal meine ganze Wohnung, der Ort, an dem ich mich doch eigentlich heimisch fühlen sollte, kalt, einsam und verlassen vor. Ich fragte mich nach dem Grund für diese verschobene Wahrnehmung und mir wurde bewusst, dass es die Abwesenheit einer geliebten Person war, die meine Wohnung und darüber hinaus mein Leben mit Wärme, Lieb und Leben füllte.
Geliebte Person? Eine Person mit der man sein Leben und seine Zeit teilt. Ich fragte mich, warum es mir bisher in meinem Leben nicht gelang, die Liebe zu finden und sie an mich zu binden. Liebe, was ist diese Liebe überhaupt, die ich, wie so viele andere Menschen auch, suche? In diesem Moment meiner Einsamkeit und meiner inneren Kälte fragte ich mich gar, ob ich bisher jemals geliebt habe. Habe ich jemals wirklich richtig geliebt? Ich konnte mir keine Antwort auf diese Frage geben.
Doch als sich meine Gedanken der Thematik der Liebe zuwandten, strömten unfassbare viele weitere Fragen und Überlegungen auf mich ein. Mir ging unfassbar viel durch meinen Kopf, das in geordnete Bahnen gelenkt und beantwortet werden wollte.

Tage und Wochen plagten mich diese Gedanken ohne das ich eine Antwort auf sie finden konnte. Ohne das ich überhaupt wusste, was ich mit ihnen anfangen sollte. Das ging so lange, bis in mir schließlich die Überzeugung reifte, die Gedanken zu teilen. Sie in geordnete Bahnen zu lenken, niederzuschreiben und mich über sie auszutauschen, doch mit wem?

Der einzige Mensch, der mir einfiel, warst du. Du, die mit mir schon seit Jahrzehnten durch die Zeit geht und eine gute Freundin bist. Seit unserem ersten Treffen, vor all den vielen Jahren, begleitetest du mich durch all meine guten und schlechten Zeiten. Du bist es, mit der ich mich über meine Gedanken austauschen möchte und so ist dieser erste Brief an dich gerichtet. Dieser erste Brief, von vielen, die ich dir noch von meinen Gedanken und meinem weiteren Weg in Sache Liebe schreiben möchte. Von meinem weiteren Weg, auf der Suche nach einer letzten Liebesgeschichte, die mein Leben erfüllt und es bereichert, bis ich irgendwann aufhöre auf dieser Welt zu existieren.

Published inEine letzte Liebesgeschichte

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