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Eine letzte Liebesgeschichte – Brief 3: Eifersucht

Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Liebe Freundin, uns Menschen wohnt ein kleines Teufelchen inne, das uns neidisch auf die Welt und andere Menschen blicken lässt. Das Teufelchen, mit den Namen Neid, lässt uns begehren, was andere, im Gegensatz zu uns, haben. Es lässt uns materielle und immaterielle Dinge begehren und wir müssen lernen, es in Zügeln zu halten, damit es nie seine volle Kraft entfaltet, die nur zerstören kann. Schaffen wir es, unseren Neid zu zügeln und in konstruktive Bahnen zu lenken, so kann er uns Kraft und Motivation geben, uns selbst zu verbessern. Er kann uns dann danach streben lassen, noch etwas im Leben erreichen zu wollen, ohne dabei etwas anderes zu zerstören oder als Nihilist zu leben.
Doch warum schreibe ich dir vom Neid? Ich schreibe dir vom Neid, da er sich manch einmal in Schale wirft und sich dann als Eifersucht in unsere Leben schleicht. Er macht sich schick, legt jegliche positive Eigenschaft ab und möchte einfach nur noch etwas besitzen, das bereits ein anderer sein Eigen nennt. Es ist dieses zerstörerische Gefühl der Eifersucht, das sich auch gerne in die Herzen von Liebenden, sei es einseitig Liebende oder Liebende in einer Partnerschaft, schleicht.
Von ebendieser Eifersucht möchte ich dir schreiben, da mich eine alte Freundin besuchen kam, deren Leben momentan durch die Eifersucht ihres Freundes sehr eingeschränkt und fremdbestimmt ist.

Pandemiebedingt kam meine alte Freundin allein, ohne ihren Freund, zu mir zu Besuch. Ohne ihren Freund, den sie sonst immer im Schlepptau hat, um sich mal wieder in Ruhe mit mir auszutauschen, auch wenn sie wusste, dass es danach Streit mit ihm gäbe.
Das Treffen war das erste Mal seit sechs Monaten, dass ich sie in einer Atmosphäre traf, in der man sich in Ruhe unterhalten konnte. Wir konnten uns mal wieder in aller Ruhe austauschen, wie wir es vor der Pandemie eigentlich jede Woche taten. Vor der Pandemie, die so vieles veränderte, auch wie wir Menschen uns treffen. Pandemiebedingt trafen wir uns nicht mehr in größeren Gruppen und so war ihr Freund normalerweise, da er sie nicht irgendwohin allein gehen lassen wollte, immer um sie herum. Er war bei allem, was sie unternahm, dabei und da außer seiner Freundin und mir pandemiebedingt keine weiteren Personen anwesend sein durften, mit denen er sich hätte unterhalten können, fanden seine Freundin und ich nie die Gelegenheit uns über Dinge auszutauschen, die für ihn uninteressant waren. Wir konnten uns nie ungestört von Angesicht zu Angesicht unterhalten, wie wir es sonst immer getan hatten, da er immer in unsere Gespräche eingebunden sein wollte und das auch deutlich zeigte. Schließlich meinte meine alte Freundin, durch dieses Verhalten sichtlich genervt, zu ihm, dass er sie auch einmal allein gehen lassen könne, um nicht gelangweilt dabei zu sitzen. Doch diesen Vorschlag lehnte er rundheraus ab. Er wollte sie partout nicht allein gehen lassen, da er dann nicht wüsste, was sie täte. Da er nicht wüsste, ob sie ihm in den unbeobachteten Momenten, in denen sie mich träfe, treu bliebe. Seine Zweifel belasteten ihre Beziehung und meine alte Freundin nahm sich und ihre Bedürfnisse zurück, um keinen Streit mit ihrem Freund zu provozieren. Sie wollte keinen Konflikt mit ihm, da sie in ihrem Herzen noch ein Gefühl von Liebe für ihn verspürte.
Doch die Zeit verging und die Pandemie mit ihren Einschränkungen blieb. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus. Sie musste raus. Sie musste sich mal wieder frei und ungezwungen mit anderen Menschen treffen und austauschen. So kam es dann schließlich doch, dass sie mich allein besuchte.
Während des Gesprächs, das wir führten, als sie bei mir zu Besuch war, meinte sie dann, dass ihr zuhause die Decke auf den Kopf fiele, da sie sich ständig überwacht und eingeschränkt fühlte. Sie meinte, dass sie mal wieder rausmüsste, um sich ungezwungen mit anderen Menschen treffen und ohne Zwang unterhalten zu können. Sie müsste raus, um sich über ihre Gedanken mal wieder mit anderen Menschen, in aller Ruhe auszutauschen, auch wenn das ihrem Freund nicht gefiele.
Wir unterhielten uns gut an diesem Tag und meine alte Freundin meinte, dass all die Jahre eigentlich alles gut zwischen ihr und ihrem Freund gewesen ist, da sie einfach alles gemeinsam unternommen und darüber hinaus auch den gleichen Freundeskreis gehabt hätten. So seien sie zwar auch immer gemeinsam auf Feiern und Feste gegangen, aber hätten dann dort ihre Freunde getroffen, mit denen sie sich dann in Interessengruppen aufteilten. Sie bildeten auf den Veranstaltungen kleine Grüppchen, die sich über die verschiedensten Dinge, die sie gerade interessierten, unterhielten. So waren sie zwar gemeinsam da, aber nicht ständig beisammen. Doch die Pandemie änderte das. Die Pandemie schränkte sie ein und plötzlich gab es nur noch eine kleine Gruppe, in der alle immer in die Unterhaltung eingebunden sein wollten.
Die ständige Anwesenheit ihres Freundes ließ meine alte Freundin, mit voranschreiten der Pandemie, sich immer mehr wie dessen Besitz fühlen. Sie fühlte sich fast wie eine Sklavin, die nur noch das machen und unternehmen durfte, was er ihr zugestand. Sie fühlte sich wie ein Objekt, das ihm ständig zur Verfügung stehen musste und ihm Rechenschaft schuldete.
Ich merkte, dass meine alte Freundin am Ende ihrer Kräfte war. Am Ende der Illusion, dass sie noch eine glückliche Beziehung führte. Als sie so von der Eifersucht ihres Freundes erzählte, fragte ich sie, ob sie einmal mit ihrem Freund darüber gesprochen hätte. Sie meinte, dass sie es versucht gehabt habe, er sich aber nicht auf ein Gespräch eingelassen hätte und ihre Gefühle und Eindrücke damit abgewickelt habe, dass es sich für eine Frau nicht gehörte, in einer Partnerschaft, allein andere Männer zu treffen. Er meinte, dass die Menschen dann schlecht darüber sprächen und dächten, dass sie ihm entweder untreu oder ihre Beziehung am Ende wäre.
Meine alte Freundin berichtete mir unter Tränen, dass sie ihn daraufhin fragte, was er denn dächte und ob es ihm nicht egal sein könne, was andere Menschen über sie und ihre Beziehung dächten, da sie ja wüssten, dass sie sich liebten. Seine Antwort war, dass er eben Angst hätte, sie zu verlieren und sich jedes Mal, wenn er nicht dabei war, vorstellte, wie sie sich mit anderen Kerlen vergnügte. Er meinte auch, dass er schon die spöttischen Blicke fremder Menschen im Nacken spürte, die mehr als er wüssten und hinter seinem Rücken über ihn sprächen und Witze machten. Auf diese Ausführungen hin fragte ihn dann meine alte Freundin, ob er ihr denn nicht vertraue und glaube, dass sie ihm treu sei, auch wenn sie mal einen alten Freund träfe. Seine Antwort war, dass er nicht daran glauben könne, wenn sie ihre Zeit lieber mit anderen Kerlen, anstatt mit ihm verbrächte. Wie sollte er ihr vertrauen, wenn sie ihm doch durch ihre Abwesenheit zeigte, dass er ihr nicht so wichtig, wie die anderen Männer ist, mit denen sie sich ja offensichtlich lieber träfe und ihre Zeit verbrächte.

Meine alte Freundin erzählte und erzählte und ich erhielt Einblick in die Abgründe der menschlichen Psyche, die ich lieber nicht gewonnen hätte.
An diesem Abend versuchte ich für meine alte Freundin da zu sein. Ich versuchte ihr Trost und Zuversicht zu spenden. Doch etwas war in ihr bereits unwiderruflich kaputtgegangen. Etwas in ihr war kaputtgegangen, dass weder die Zeit noch das Ende der Pandemie wieder heilen könnte.

Nachdem meine alte Freundin schließlich wieder nachhause gegangen war, dachte ich zurück. Ich dachte an mein Leben und überlegte, ob ich schon einmal eifersüchtig gewesen bin. Eifersüchtig, sei es auf ein materielles oder immaterielles Gut. Mir kam ein einziger Moment ins Gedächtnis, in dem ich eine beißende Eifersucht in meinem Herzen spürte.

Ich war Anfang zwanzig und hatte mich mit einer Freundin getroffen, um etwas zu unternehmen. Ich hatte mich mit ihr getroffen, um mit ihr gemeinsam unsere Jugend zu genießen und um die Häuser zu ziehen. Wir trafen uns und gingen los. Wir gingen von Kneipe zu Kneipe und hatten eine Menge Spaß. Doch der Spaß endete plötzlich für mich, als wir einen Bekannten von ihr trafen, für den sie sofort Feuer und Flamme war. Wir trafen ihn und es war so, als wäre ich für sie nicht mehr da, da sie sich sofort alleinig ihm zuwandte und sich in ein Gespräch mit ihm vertiefte. Sie stand bei ihm und beide lachten und lächelten viel. Was mich betraf, so stand ich einfach nur daneben, fühlte mich wie Luft und war eifersüchtig auf den Kerl, der sie zum Lachen und Lächeln brachte. Ich war eifersüchtig auf den Kerl, der meine gute Freundin mich vergessen ließ.
Doch dieses Gefühl hielt nur eine Minute. Es war ein Stich in mein Herz, der plötzlich da war und als ich ihn bemerkte, und mir bewusst machte, was ich da eigentlich dachte und fühlte, sofort wieder verwand. Als ich merkte, dass ich eifersüchtig auf den anderen Kerl war, schalt ich mich selbst einen Narren, da ich mich einfach für meine gute Freundin hätte freuen sollen. Ich hätte mich für sie freuen sollen, dass sie einen Kumpel getroffen hat, mit dem sie sich offensichtlich gut verstand. Ich hätte mich darüber freuen sollen, dass ihr Kumpel es schaffte sie zum Lachen und Lächeln zu bringen und dass ihr das Glück holt war, ihn zufällig zu treffen, denn vielleicht hatten sie sich ja schon eine Weile nicht mehr gesehen, wodurch dieses zufällige Aufeinandertreffen noch einmal etwas ganz Besonderes für sie war.

Damals gelangte ich zu der Überzeugung, dass ich niemals wieder eifersüchtig auf jemanden sein wollte. Ich wollte nie wieder dieses beißende Gefühl spüren, da es ein Anzeichen dafür wäre, dass etwas in meinem Leben schiefläuft. Es wäre ein Anzeichen dafür, dass ich meinen Weg verloren hätte und etwas haben wollte, das ich nicht wirklich verdiente.
Aber das ist nur meine Sicht der Dinge. Als das Thema einmal, vor ein paar Jahren, mit einigen guten Freunden aufkam, vertraten auffällig viele von ihnen die Meinung, dass ein Mangel an Eifersucht nur ein Zeichen dafür wäre, dass man die jeweilige Person oder das Objekt nicht wirklich schätzt, denn sonst würde man es haben und behalten wollen. Sonst würde man Eifersucht spüren und dafür kämpfen, es zu behalten. Als ich daraufhin meinen Freuden erwiderte, dass man vielleicht materielle Dinge, aber nie einen andern Mensch, als etwas sehen kann, dass man zwanghaft versuchen sollte zu „besitzen“, schüttelten sie nur ihre Köpfe. Sie zeigten ihr Unverständnis für meinen Standpunkt und als ich ihnen auch noch darlegte, dass dieses zwanghafte „haben wollen“ etwas von Sklaverei habe und ich die Meinung verträte, dass sich beide Partner auf Augenhöhe begegnen sollten, lachten sie mich nur aus. Als ich mich dann gar noch erdreistete anzudeuten, dass eine wirkliche Liebesbeziehung nur dann entstehen kann, wenn beide potentielle Partner ohne Kampf, aus dem Gefühl von tiefer Zuneigung und Liebe heraus, beschließen eine Beziehung einzugehen, hatte ich all meine Sympathiepunkte bei ihnen verloren.
Einer meiner alten Freunde meinte gar, dass der Mensch begehrt werden möchte und Eifersucht nur ein Zeichen dieses Begehrens und deswegen in Maßen wünschenswert sei. Ich konnte seine Worte und die meiner anderen Freunde zwar hören. Ich konnte sogar verstehen, was sie mir mit ihnen sagen wollten, doch war das nicht mein Verständnis davon, was Eifersucht ist und was sie für die Menschen sein sollte. Vor allem aber sah ich die Eifersucht durch ihre Erklärungen immer noch nicht als gerechtfertigt an. Stattdessen war ich sogar darüber entsetzt, dass die Eifersucht durch meine Freunde Rechtfertigung erfuhr.

Jahre sind seit diesem Gespräch mit meinen Freunden vergangen. Jahre, in denen ich bei meinen Freunden Beziehungen kommen und gehen sah. Ich sah Beziehungen enden und die Eifersucht dazu beitragen, wie bei meiner alten Freundin.
Durch diese Beobachtungen, dem Gespräch mit meiner alten Freundin und meiner Einstellung zur Eifersucht wurde mir bewusst, dass ich wirklich immer das Gefühl von Eifersucht als ein Warnsignal dafür nehmen sollte, dass etwas falsch in meinem Leben läuft. Ich sollte für immer die Eifersucht aus meinem Leben verbannt lassen, selbst wenn ich einmal eine Frau, eine potentielle Partnerin, kennenlernte, die die Meinung vertritt, dass „etwas“ Eifersucht doch ganz schön sei, da sie Interesse und Begehren zeigte. Sollte eine Frau, die ich kennenlerne, wirklich diese Auffassung vertreten, so ist sie wahrscheinlich nicht die Frau, die das Potential hat, mit mir eine langanhaltende, glückliche Beziehung zu führen.

Published inEine letzte Liebesgeschichte

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