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Verblassende Erinnerungen – Eine Einbriefkurzgeschichte

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Liebe Freundin,
die Zeit vergeht wie im Flug. Stunden, Tage, Monate und Jahre ziehen dahin und wir werden älter. Wir werden älter und beginnen zu vergessen. Schleier legen sich über unsere Erinnerungen und die Momente, die uns einst wichtig waren, verschwimmen hinter ihnen. Es sind Erinnerungen an persönliche Erlebnisse und Freunde, die einem das Leben im Guten wie im Schlechten prägten. Es sind Momente, die uns zu den Menschen machten, die wir heute sind. Doch die Zeit vergeht, Lebenswege ändern sich und manch einmal verliert man sich und seine Vergangenheit.
Der ein oder andere mag vielleicht behauptet, dass es das ein ums andere Mal ein Segen ist, vergessen zu können und sich nicht mehr an bestimmte Geschehnisse erinnern zu müssen. Doch im Laufe meines Lebens habe ich viel zu häufig festgestellt, dass dem nicht so ist. Bei Freunden, Bekannten und ich muss zugeben, auch mitunter bei mir selbst, bemerkte ich, dass man, wenn man die Vergangenheit vergisst, nicht selten auch die Lehren, die man aus dem einst Erlebten zog, verdrängt und aufgrund dessen die gleichen alten Fehler wiederholt.
Doch warum sollte sich in diesem Bezug auch der einzelne Mensch von unserer Gesellschaft als ganzes unterscheidenden? Warum sollte er sich erinnern, wenn doch häufig unsere Gesellschaft als ganzes die Vergangenheit vergisst und aufgrund dessen auch immer und immer wieder die alten Fehler wiederholt?

Doch wieder zurück zum persönlichen Vergessen. Jetzt, da ich bewusst innehalte und versuche mich des Vergangenen zu erinnern, wird mir bewusst, dass mir durch den Schleier des Vergessens etwas fehlt. Mir fehlt ein Teil meiner Vergangenheit. Ein Teil, der mich einst zu dem machte, der ich heute bin. Ich merke, wie mein Gehirn versucht, die Lücken, die das Vergessene hinterließ, zu füllen. Ich merke, wie mein Gehirn versucht, die Vergangenheit zu verklären. Doch ich möchte das nicht.
Ich möchte meine Erinnerungen nicht mit Falschheit füllen, da ich viel zu häufig bei anderen sah, wie sie sich, mit ihren falschen Erinnerungen, selbst belogen. Sie verklärten entweder ihre Vergangenheit zum Guten und lebten dann fortan geistig in ihr oder verdammten sie, wodurch sie anschließend, nur noch im hier und jetzt, als ein Schatten ihrer selbst, lebten. Dabei ist doch unsere Vergangenheit immer auch unsere ganz persönliche Lebensgeschichte. Unsere Vergangenheit, ist die Geschichte, die wir lebten und die uns zu den Menschen machte, der wir heute sind oder zumindest sein könnten. Ohne unsere Vergangenheit oder nur alleinig mit ihr sind wir nichts. Wir als Menschen, können erst wirklich zu glücklichen, selbstbestimmten Wesen werden, wenn wir unsere Vergangenheit, wie sie war, akzeptieren, das in ihr gelernte auf neue Situationen adaptieren und auf Grundlage dessen, probieren, im Hier und Jetzt, gute Leben zu führen.

Liebe Freundin, ich muss gestehen, auch ich sehne mich manch einmal zurück, zurück in die vergangene Zeit. Zurück in Momente, in denen ich unbeschwert lebte und die Zeit glücklich und unbeschwert verbrachte. Zurück, in eine Zeit, in der heute vergangene Freundschaften noch blühten. Eine Zeit, in der man sich fallen lassen konnte und das aufrichtige Lächeln eines, heute entfremdeten, Freundes, das einzige war, was man wirklich brauchte, um man selbst und glücklich zu sein. Doch diese Zeit ist vorbei. Wir haben in unseren Leben neue Freunde gefunden und sind unsere individuellen Wege gegangen. Wege, die aber durch jede Bekanntschaft, die wir einst hatten, auf die eine oder andere Art beeinflusst wurden. Es waren Bekanntschaften und die Erlebnisse mit ihnen, die bestimmten, wer wir heute sind.

Doch was möchte ich dir jetzt mit diesen Zeilen sagen? Ich weiß es nicht wirklich. Ich weiß nur, dass wir uns immer wahrheitsgemäß daran erinnern sollten, wer wir einst waren und welche Wege wir gingen. Wir sollten alle unsere gemachten Erfahrungen in unsere gegenwärtigen Entscheidungen einfließen lassen und vielleicht gelingt es uns dann, aufrechte Leben zu führen. Leben, auf die wir stolz sein und in denen wir uns aufrichtig anlächeln und vertraut fühlen können.

Damit genug von mir. Ich wünsche dir alles Gute und vielleicht hört man ja bald einmal wieder voneinander.

Published inErzählungen

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