Häufig, wenn ich wandern gehe, frage ich mich, welchen Wert eigentlich das Leben und die Welt haben. Ich frage mich das, da ich immer und immer wieder die Hinterlassenschaften, in Form von Müll, der Menschen sehe. Sehe ich den Müll, den die Menschen achtlos überall liegen lassen, nicht richtig entsorgen oder gar unnötigerweise produzieren und dadurch die (Um-)Welt und andere Lebewesen vergiften, glaube ich, dass das Leben und die Welt uns Menschen wenig wert ist.
Liebe Freundin, das wird der letzte Brief sein, den ich dir schreibe. Etliche Jahre sind vergangen, seitdem ich dir den ersten Brief geschrieben habe. Jahre seitdem wir das letzte Mal persönlich miteinander sprachen und ich muss sagen, dass ich unsere Gespräche vermisse. Ich vermisse unsere Gespräche, dein Lachen und deine Anwesenheit.
Jahre bist du jetzt schon nicht mehr hier und bei mir stapeln sich die Briefe, die ich an dich schrieb. Die Briefe, die ich schrieb und dir an deinem Grab vorlas. Briefe, die von meiner Suche nach der Liebe und meinem Leben in einer Liebesbeziehung berichten, wobei mir durch die Briefe immer deutlicher bewusst wurde, dass eigentlich du die erste wirkliche Liebe meines Lebens warst, auch wenn es eine rein platonische Liebe war und ich dir nie meine Gefühle, da ich sie mir selbst nicht eingestand, beichtete. Du warst die Liebe meines Lebens und die Person, die ich nicht mehr in ihm missen wollte.
Liebe Freundin, heute kann ich dir von einer guten Neuigkeit berichten. Ich kann dir davon berichten, dass ich bald Vater werde. Ich werde bald Vater, da meine Partnerin mittlerweile im achten Monat schwanger ist. Doch, nicht nur das. Nein, sie trägt dabei auch noch Zwillinge unter ihrer Brust. Zwillinge, ein Mädchen und ein Junge. Ich freu mich so. Ich freue mich auf unsere Kinder und auf den neuen Lebensabschnitt, der mit ihnen beginnt.
Liebe Freundin, seitdem ich dir das letzte Mal schrieb, ist mal wieder viel Zeit vergangen und einiges passiert. Es ist viel Zeit vergangen und ich habe das Gefühl, dass ich mich dafür entschuldigen muss, dass ich dich nicht auf dem Laufenden hielt. Ich muss mich bei dir entschuldigen, da ich nachlässiger mit dem Schreiben von Briefen geworden bin, so dass seit meinem letzten Brief an dich beinahe zwei Jahre vergangen sind.
Liebe Freundin, meine Partnerin und ich haben eine passende Wohnung für uns gefunden und den Zuschlag erhalten, so dass wir unsere „Singlewohnungen“ auflösten und unsere erste wirklich gemeinsame Wohnung bezogen. In dieser Wohnung leben wir nun bereits seit sechs Monaten zusammen.
Mit unseren Singlewohnungen aufgelöst und unserer gemeinsamen Wohnung bezogen, stellte sich uns bald die Frage, wie wir die finanzielle Seite unseres gemeinsamen Zusammenlebens regeln sollten. Der Zeitpunkt mag vielleicht etwas spät erscheinen, doch da wir vorher noch unsere beiden Singlewohnungen unterhielt, haben wir während der Zeit des Probewohnens einfach abwechselnd unsere gemeinsamen Einkäufe bezahlt und uns keine Gedanken darüber gemacht, ob der eine mal mehr oder weniger zahlt. Frei nach dem Motto: „In der wirklichen Liebe spielt Geld keine Rolle.“ Doch mit einem gemeinsamen Hausstand wurde die finanzielle Last größer und wir hatten beide über die Jahre in unseren Freundes-, Bekannten- und Familienkreis festgestellt, dass ein finanzielles Ungleichgewicht in einer Liebesbeziehung zu Streit und fragwürdigen Abhängigkeitsverhältnissen führen kann. Das mag jetzt wenig romantisch klingen, denn wenn man verliebt ist, hofft man ja, dass die Liebe ewig wehrt. Doch häufig geht die Liebe zu Ende und manch einmal trägt der Umgang mit Geld, der zu Spannungen in einer Beziehung führt, entscheidend zum Ende bei. Also warum nicht prophylaktisch über das Thema sprechen, um diesen potentiellen Konfliktpunkt frühzeitig zu entschärfen?
Liebe Freundin, schon eine Weile habe ich dir nicht mehr geschrieben und als Entschuldigung bleibt mir eigentlich nur vorzubringen, dass die Zeit rasend schnell vergeht, wenn man glücklich ist. Mittlerweile bin ich seit achtzehn Monaten mit meiner Partnerin zusammen und wir befinden uns seit drei Monaten, nach ebenso vielen Monaten des Probewohnens, auf der Suche nach unserer ersten gemeinsamen Wohnung.
Liebe Freundin, manch einmal weiß man gar nicht wie einem passiert und man findet sich in einer Position, in der zwischenmenschlich alles passt und man eine Liebesbeziehung eingeht. Zumindest erging es mir so.
Vor neun Monaten lernte ich bei einer Veranstaltung eine Frau kennen, die neu in die Gegend gezogen war. Wir verstanden uns auf Anhieb gut und unternahmen ab diesem ersten Treffen regelmäßig etwas zusammen. So wurden wir über den Zeitraum von fünf bis sechs Monaten erst Bekannte, schließlich Freunde und schon bald sehr gute Freunde. Als wir dann, vor etwa drei Monaten, mal wieder etwas gemeinsam zum Abend kochten und aßen, sah sie mich beim Essen plötzlich eine Zeitlang aufmerksam an und meinte dann: „Manch einmal frage ich mich, ob wir wirklich nur ‚gute Freunde‘ sind und nicht eigentlich schon ein Paar. Zumindest fühlt sich unsere Bekanntschaft für mich manch einmal schon wie eine Liebesbeziehung an.“ Von ihrer Aussage etwas irritiert, sah ich sie einen Moment lang schweigend und verdutzt an, bevor ich in mich hinein hörte und meinte: „Können wir denn nicht beides sein? Können wir nicht einfach sehr gute Freunde und ein Liebespaar sein?“ Darauf lächelte sie, stand auf, kam zu mir und setzte sich auf meinen Schoß. Dort sitzend lächelte sie mich immer noch keck an und dann küssten wir uns zum ersten Mal. Wir küssten uns ganz zärtlich und ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich meine Partnerin in diesem Moment am liebsten für immer in den Armen gehalten und geküsst hätte. Am liebsten hätte ich sie für immer festgehalten, denn mit jedem Kuss, den wir austauschten, begann mein Herz schneller zu schlagen und ich mehr und mehr ihre körperliche Nähe, ihre Wärme an meinem Körper, zu genießen. Doch jeder Moment geht einmal vorbei und so lösten wir uns schließlich voneinander und beendeten unser jetzt kaltes Abendessen, als das erste gemeinsame Essen unserer Liebesbeziehung.
Liebe Freundin, in allen Lebensbereichen hält die digitale Vernetzung Einzug und als wäre das noch nicht genug, um damit zurechtzukommen, so sind wir auf einmal auch alle Weltbürger. Wir sind Weltbürger, die sich global vergleichen und ihre Leben im globalen Maßstab beurteilen.
All das, also die digitale Vernetzung und das Weltbürgertum, haben dazu beigetragen, dass unsere Leben und die sozialen Beziehungen komplexer geworden sind. Nicht das du mich falsch verstehst, der Fortschritt, besonders im digitalen Bereich, hat viel Schönes mit sich gebracht, doch dort, wo sich früher Freundschaften und Beziehungen lokal definierten und es einfach nur im Kleinen klappen musste, müssen heute alle weltlichen Dinge berücksichtigt werden, bevor man überhaupt von Freundschaft oder gar von Liebe sprechen kann. Um ein Beispiel dafür zu bringen, welches globale Thema schnell zu Streit führen kann, möchte ich hier kurz die Völkerrechtsverletzungen, die Israel mit seiner Siedlungspolitik im Westjordanland begeht, anführen. Dieses Gesprächsthema hat alle Ingredienzen dafür, schnell in Unterhaltungen zu Spannungen zu führen, obwohl uns die Siedlungspolitik Israels im Westjordanland nicht direkt betrifft. So werden einige der Gesprächspartner*innen meinen, dass man, und insbesondere wir Deutschen, Israel auf Grund unserer Vergangenheit nicht kritisieren dürfen, wohingegen wiederum andere meinen werden, dass Wahrheiten objektiv angesprochen gehören, solange man aufgrund dessen nicht alle Menschen einer Religion oder eines Landes über einen Kamm schert und diffamiert.
Liebe Freundin, im Moment geht es mir nicht besonders gut. Mir geht es nicht gut, da mir seit Tagen und Wochen immer deutlicher bewusst wird, dass wir Menschen gerne und ziemlich viel lügen. Wir lügen, sei es, dass wir uns selbst oder andere belügen. Lügen begleiten unsere Leben und ihre Motivation kann in Bereicherung, Besänftigung oder Selbstbetrug liegen. So belügen sich Menschen gerne, um sich selbst Absolution zu erteilen, beispielsweise wenn sie etwas tun, das negative Auswirkungen auf ihre Umwelt hat. Doch nicht nur das, viele Menschen belügen auch gerne andere Menschen, wenn es ihnen materielle oder immateriell Vorteile verspricht, also wenn sie sich durch ihre Lügen, Aufmerksamkeit, Zuneigung oder materielle Vorteile versprechen. Aber diese Arten des Lügens sind den Menschen noch nicht genug und so leben sie zum Teil auch noch verschiedenste Lügen. Viele von uns Menschen leben über Monate und Jahre hinweg Lügen, weil wir häufig uns selbst und ganz selten einmal andere, vor einer unbequemen Wahrheit schützen möchten. Das tun einige von uns Menschen, da sie glauben, dass die Lügen angenehmer als die bittere aber echte Wahrheit sind.
Liebe Freundin, manchmal frage ich mich, ob die Evolution uns Menschen zu Sukkuben und Inkuben werden lässt. Zu dämonischen Wesen, denen es primär darum geht, sich körperlich zu vereinigen. Sind wir Menschen zu Wesen geworden, denen es in der Liebe primär darum geht, einen Partner zu finden, mit dem man Sex haben kann und dann erst an zweiter Stelle die Frage nach dem zwischenmenschlichen Verständnis steht? Dabei heißt es doch, dass Liebe Zeit braucht. Zeit, um einander wirklich kennenzulernen und um festzustellen, ob die Gedanken und Gefühle von einem für den anderen Menschen echt und anhaltend oder nur durch die Hormone vorgegaukelt sind. Man brauch auch Zeit, um festzustellen, ob die Leben und Tagesabläufe der potentiellen Partner miteinander kompatibel sind. Schon die kleinsten Gesten und Verhaltensweisen können nicht gewollt sein, falsch verstanden werden und zu Spannungen führen. Eigentlich allem, was ein Mensch tagtäglich tut, kann das Potential für einen Konflikt innewohnen. So sollten doch die zwei potentiellen Partner erst einmal in Ruhe schauen, ob sie es schaffen über alle Dinge zu reden und einen gemeinsamen Standpunkt zu finden, ohne sich an die Gurgel zu gehen. Einen gemeinsamen Standpunkt, den beide haben oder zumindest tolerieren können, ohne dass es zu zerstörerischen Spannungen zwischen ihnen kommt.
Liebe Freundin, wir Menschen sind schon komische Wesen. Wir sind Wesen, die sich tagtäglich über Gott und die Welt austauschen, sei es schriftlich oder im Gespräch. Wir kommunizieren ständig miteinander und unsere kulturelle Entwicklung hat uns einen ziemlich großen Wortschatz an die Hand gegeben, mit dem wir eigentlich alles, en détail, beschreiben und ausdrücken können. Trotz der Möglichkeiten, die uns die Benutzung der Sprache bietet, bedienen wir uns ihrer in manchen Situationen nicht, sondern sind der Meinung, dass unsere nonverbale Konversation, also unserer Verhalten, schon für sich spräche und unmissverständlich sei.
Liebe Freundin, langsam geht die aktuelle Pandemie, mit den Einschränkungen, die sie uns brachte, ihrem Ende entgegen. Sie geht ihrem Ende entgegen, da Wissenschaftler Vakzine gefunden haben, mit den sie uns Menschen impfen und zum Teil immunisieren können. So grassiert der krank machende Virus zwar immer noch um die Welt, verbreiten Angst, Schrecken, Tod und Leid und mutiert fröhlich vor sich hin, doch wir, in der „entwickelten Welt“, haben die Hoffnung, dass es besser wird. Die Hoffnung, die für einige zu spät kommt und andere dazu bringt, gleich wieder in die Vollen zu gehen, um ihr „altes Leben“ zurückzufordern, gerade so, als hätte es die aktuelle Pandemie nie gegeben.
Was mich betrifft, so freute ich mich auf die Lockerungen, die mit dem Sinken der Infektionswerte kamen. Ich freute mich darauf, wieder hinauszugehen und Freunde und Bekannte zu treffen. Hinaus, um auf kleine Feiern und Feste zu gehen, um auf ihnen wieder neue Leute kennenzulernen, was ich in der Pandemie aus Rücksicht auf andere und Selbstschutz überwiegend unterlassen habe.
Liebe Freundin, uns Menschen wohnt ein kleines Teufelchen inne, das uns neidisch auf die Welt und andere Menschen blicken lässt. Das Teufelchen, mit den Namen Neid, lässt uns begehren, was andere, im Gegensatz zu uns, haben. Es lässt uns materielle und immaterielle Dinge begehren und wir müssen lernen, es in Zügeln zu halten, damit es nie seine volle Kraft entfaltet, die nur zerstören kann. Schaffen wir es, unseren Neid zu zügeln und in konstruktive Bahnen zu lenken, so kann er uns Kraft und Motivation geben, uns selbst zu verbessern. Er kann uns dann danach streben lassen, noch etwas im Leben erreichen zu wollen, ohne dabei etwas anderes zu zerstören oder als Nihilist zu leben.
Doch warum schreibe ich dir vom Neid? Ich schreibe dir vom Neid, da er sich manch einmal in Schale wirft und sich dann als Eifersucht in unsere Leben schleicht. Er macht sich schick, legt jegliche positive Eigenschaft ab und möchte einfach nur noch etwas besitzen, das bereits ein anderer sein Eigen nennt. Es ist dieses zerstörerische Gefühl der Eifersucht, das sich auch gerne in die Herzen von Liebenden, sei es einseitig Liebende oder Liebende in einer Partnerschaft, schleicht.
Von ebendieser Eifersucht möchte ich dir schreiben, da mich eine alte Freundin besuchen kam, deren Leben momentan durch die Eifersucht ihres Freundes sehr eingeschränkt und fremdbestimmt ist.
Liebe Freundin, was ist überhaupt Liebe? Was ist die Liebe, die wir Menschen häufig suchen und für die wir so manche Dummheit in Kauf nehmen? Mir wurde vor einigen Tagen bewusst, dass ich diese Frage nicht so beantworten konnte, als dass es für mich zufriedenstellend wäre. Ich wusste nicht, was für mich die Liebe ist und so verbrachte ich die letzten Tage damit, mir Gedanken darüberzumachen und von diesen Gedanken möchte ich dir in diesen Brief berichten.
Liebe Freundin, schon lange Zeit habe ich keinen privaten Brief mehr geschrieben, doch Zeiten ändern sich. Zeiten ändern sich und manch einmal wird altes wieder aktuell. So wie das Schreiben von Briefen, in der aktuellen Pandemie.
Die Pandemie, sie brach über mich und mein Leben herein und setzte der selbstauferlegten Hektik meiner Existenz ein Ende. Ein Ende, das mich ins Nichts fallen ließ. Kein Treffen mehr mit Freunden, kein Eilen mehr von Termin zu Termin, sondern überwiegend das mit sich selbst Alleinsein. Das Alleinsein und mit sich selbst klarkommen müssen. Die Pandemie brachte für mich eine aufgezwungene Entschleunigung, die mich, mich selbst fragen ließ, was ich eigentlich noch erreichen und in meinem Leben nicht länger missen möchte.
Liebe Freundin,
wir hatten uns seit fast einer Dekade nicht mehr gesehen, sondern nur noch über die sozialen Medien Kontakt gehalten, bevor du letzten Freitag übers Wochenende zu mir zu Besuch kamst. Du kamst und das Erste, das ich dachte, als ich dich nach all den Jahren wieder sah, war: „Die Zeit war nicht gut zu dir.“ Ich schämte mich für diesen Gedanken und so behielt ich ihn für mich. Ich behielt ihn für mich und begrüßte dich, wie man eben eine gute alte Freundin begrüßt, indem ich dich umarmte, wie wir es auch immer in unseren jungen Jahren getan haben. Doch etwas hatte sich verändert, denn als ich dich umarmte, verspürte ich nicht mehr die Wärme deines Körpers und ein angenehmes Gefühl der Vertrautheit, nein, stattdessen stieg mir sofort ein unangenehmer Geruch nach kaltem Zigarettenrauch in die Nase, der mich dazu brachte, nicht länger als unbedingt nötig, in deiner unmittelbaren Nähe zu sein. Es war ein unangenehmer Geruch. Es war ein unangenehmer erster Eindruck, den du mir da, nach all den Jahren unserer Freundschaft, vermitteltest. Doch auf den ersten Eindruck, vor allem wenn man alte Freunde trifft, soll man nicht so viel geben, sondern versuchen offenzubleiben, um einander wieder wirklich kennenzulernen. So versuchte ich offenzubleiben und das zu finden, dass unsere Freundschaft einst ausmachte, doch auch die Unterhaltungen, die wir am Wochenende führten und die Unternehmungen, die wir in Angriff nahmen, machten mir bewusst, dass leider der erste Eindruck, den ich nach all den Jahren wieder von dir hatte, der richtige war und von dem, was unsere Freundschaft einst ausmachte, nichts mehr viel übrig geblieben ist.
Ich bin müde, erschöpft von den Unterhaltungen unserer Zeit. Einst unterhielt ich mich gerne mit den Menschen. Ich lernte gerne neue Menschen kennen und diskutierte mit ihnen über Gott und die Welt. Doch irgendetwas änderte sich. Entweder ich mich oder sich meine Gesprächspartner. Es änderte sich die Unterhaltungskultur und es verschwand die generelle Freude an Diskussionen. Es verschwand das Interesse am Austausch von Meinungen und dem Bedürfnis seinen Horizont zu erweitern, um die Welt besser kennenzulernen und zu verstehen. Es verschwand das Bedürfnis sich selbst, durch Unterhaltungen, weiterzuentwickeln.
Erschütterungen des Erdbodens wecken mich. Verschlafen spüre ich ihnen nach. Sie kommen näher und näher. Sie ängstigen mich. Sie künden von Tod und Verderben. Wie viele meiner Freunde und Verwandten spürten die Erschütterungen, bevor sie starben?
Panik ergreift mein Herz und ich versuche zu flüchten. Ich versuche der Gefahr zu entkommen. Doch es ist zu spät. Ich schlängle mich gerade in Richtung Ausgang, in Richtung meiner vermeintlichen Sicherheit, als sich vor mir ein Abgrund auftut und ich ins Nichts stürze.
Der Kuchen steht zusammen mit mehreren Kannen voll Kaffee und Tee auf den Tischen bereit. Doch, nicht nur das. Für den späteren Abend habe ich auch noch ein paar Kisten mit Limonade und Mineralwasser, sowie Tabletts mit belegten Brötchen organisiert. Doch, damit ist es immer noch nicht genug, zu guter Letzt, wenn die Gäste gingen, erhielte jeder von ihnen eine persönliche Geschenktüte. Eine Geschenktüte, die eine selbst geschriebene Abschiedskarte und ein kleines persönliches Präsent enthielte. Eine Abschiedskarte mit ein paar persönlichen Gedanken und Wünschen für die Zukunft und ein Geschenk, dass mit dem zu tun hat, was mich mit der jeweiligen Person einst verband. So enthielt die Geschenktüte, die ich einer Grundschulfreundin zu schenken gedachte, einen Gedichtband, da ich zusammen mit ihr, in der vierten Klasse, die Begeisterung für das Lesen und die Poesie entdeckte. Die Geschenktüte für einen Bekannten, aus meinem Abschlussjahrgang, enthielt dagegen eine Konzertkarte, da ich mit ihm das erste Mal in meinem Leben auf einem Rockkonzert war und aufgrund dessen mit ihm meine Liebe zur Musik verband.
In diesem Beitrag finden Sie einige kurze, fiktive Kommunikationsschnipsel, die dazu einladen sollen, über ihren Inhalt nachzudenken. Als Rahmenbedingung für die Kommunikationsschnipsel galt, dass sie handschriftlich auf einen Notizzettel von ca. 9 x 9 cm passen müssen.
Meine Füße tragen mich ohne ein bestimmtes Ziel durch die Welt. Sie führen mich durch meine Heimatstadt, in der ich seit Jahrzehnten wohne und durch Felder und Wälder, in denen ich ebenso lange schon Ruhe und Entspannung finde, oder besser gesagt, einst fand. Sie führen mich an Orte, die ich seit Dekaden kenne, und die mir doch seltsam fremd geworden sind.
Ich laufe an den Orten vorbei, an denen ich einige Freunde zum ersten Mal traf und stelle fest, dass sie sich verändert haben. Die alten Kneipen und Cafés sind verschwunden, genauso wie die Orte, an denen meine Freunde und ich, in unserer Jugend abhingen. Selbst der Ort, an dem ich das erste Mal ein Mädchen küsste, existiert nicht mehr. Der Zahn der Zeit zog durch die Straßen der Stadt, die Felder und Wälder und veränderte sie nachhaltig. Der Zahn der Zeit, der mit dem Tod von alteingesessenen Ladenbesitzern, Schicksalsschlägen und Katastrophen einherging, durch die sich immer und immer wieder Dinge änderten. Es verschwand althergebrachtes und machte neuem Platz. Neuem, aber auch besserem?
Ich lese Zeitung und nationalistische Schlagzeilen springen mir ins Auge. Schlagzeilen, die davon künden, dass die Regierung versagte und nicht genügend getan habe, um Menschen zu schützen. Wobei Menschen, zu weit gefasst ist, denn die meisten Menschen sind den Schreibern der Schlagzeilen egal. Es geht ihnen nur um die deutschen Bürger, um das kostbare deutsche Blut. Es geht ihnen gegen den Strich, dass sich Deutschland einmal solidarisch mit seinen europäischen Nachbarn verhielt, wie es viele, viele Jahre lang immer und immer wieder forderten, und zusammen mit ebendiesen, seinen Nachbarn, Impfdosen gegen das Coronavirus kaufte. Zusammen mit unseren guten europäischen Nachbarn und jetzt schalt es auf allen medialen Kanälen, dass die Regierung versagt habe, da sie nicht den Alleingang zelebrierte und nach dem Motto vorging „Deutschland zuerst“. Es wird ein Impfnationalismus gefordert. Es wird gefordert, dass wir Deutsche als Erstes den Impfstoff, in ausreichender Menge, vor allen anderen bekommen. Ich höre die Menschen und kann nur mit dem Kopf schütteln. Ich kann nur mit dem Kopf schütteln, da wir, die wir in Deutschland leben, das Glück haben, mit zu den Ersten zu gehören, die Zugang zu einem Impfstoff haben, im Gegensatz zu vielen afrikanischen und asiatischen Ländern, die vielleicht noch Jahre warten müssen. Aber das möchte der „gute Deutsche“ nicht hören. Nein, der gute Deutsche sieht es als sein Recht an, als Erstes die Möglichkeit haben, sich Impfen zu lassen. Es gilt, erst er, dann der Rest der Welt.
Hey du! Ja, genau du. Halt mal etwas Inne und setzt dich zu mir. Ich möchte dir etwas erzählen.
Warum zögerst du? Ich beiße nicht und das, was ich dir erzählen möchte, kostet dich nichts, außer einen Moment deiner Zeit.
Schau nicht so gehetzt auf deine Uhr und mache nicht so eine entschuldigende Geste. Wenn du so, wie jetzt, immer durch dein Leben hetzt, verpasst du es nur. Du verpasst es, da du keine bis wenige neue Erfahrungen sammelst und nur eine Lebensgeschichte schreibst, die aus dem ‚durchs Leben rennen‘ besteht.
Na also, setzt dich. Möchtest du einen Tee?
Hier bitte. Und jetzt zu dem, was ich dir erzählen möchte.
Am 17.06.2020 lief ich von meiner Arbeitsstelle in Karlsruhe Maxau meine übliche Strecke nachhause. Da ein Gewitter angekündigt war, eilte ich mich, als ich plötzlich vor mir am Straßenrand unzählige Münzen auf einer Fläche von ca. fünfzig mal fünfzig Zentimeter liegen sah. Was tun? Bei mir dachte ich, dass das Auflesen der Münzen schon nicht zulange dauerte und so las ich sie alle auf. Als ich alle Münzen aufgelesenen hatte, war meine Hand gut gefüllt von ihnen. Das erledigt, setzte ich meinen Weg schnell fort, um nicht in den Gewitterguss zu kommen. Doch es gelang mir nicht, rechtzeitig mein trautes Heim zu erreichen. Als ich gerade das Hafensperrtor in Karlsruhe überquerte, begann es wie aus Kübeln zu gießen. Ich spannte schnell meinen Regenschirm auf, um nicht gänzlich durchweicht zu werden und setzte anschließend meinen Weg fort.
Etliche Dekaden lebe ich jetzt schon auf dieser Welt. Ich wurde als Kind des späten zwanzigsten Jahrhunderts geboren und lebte weit ins einundzwanzigste Jahrhundert hinein. Meine Kindheit war geprägt von den Erfahrungen und den technischen Möglichkeiten des zwanzigsten Jahrhunderts und meine Jugend und mein weiteres Leben von dem technischen Fortschritt und den Katastrophen des einundzwanzigsten Jahrhunderts.
Ich stehe an eine Wand gelehnt in einer Bar und habe meine Augen geschlossen. Alles um mich herum wird mir viel zu viel. Viel zu viele Menschen. Viel zu laute Musik. Viel zu schlechte Luft. Viel zu viele Eindrücke und Gedanken. Eigentlich möchte ich nicht hier sein. Nein, eigentlich wollte ich nicht einmal hierherkommen. Doch eine gute Freundin überredete mich, sie an diesem Abend zu begleiten und jetzt bin ich nun einmal hier, in dieser Bar.
Es ist ein Freitagnachmittag und ich sitze in einem Hörsaal und warte darauf, dass die letzte Vorlesung des Tages beginnt, bevor es endlich heißt, Wochenende. Ein Kommilitone, mit dem ich recht gut klarkomme, sitzt neben mir und wir quatschen etwas, bis endlich der Professor käme und die Vorlesung eröffnete.
Seit zehn Tagen liege ich mittlerweile in einem kleinen Zimmer mit zwei anderen Mensch. Zehn Tage, in denen die Ärzte nicht genau wissen, was ich habe. Am ersten Tag hatten sie mir Blut abgenommen, um es im Labor untersuchen zu lassen. Am sechsten Tagen stellten sie dann fest, dass meine Blutprobe irgendwie verloren ging. Meine Blutprobe verscholl auf dem Weg von der Entnahme zur Untersuchung. Also nahmen sie am sechsten Tag erneut eine Blutprobe, die sie zur Analyse schickten. Seit diesem Tag hörte ich nichts mehr von ihr und auch keinen endgültigen medizinischen Befund, durch die behandelnden Ärzte.
Ich sitze unter meinem Weihnachtsbaum, in meinem Garten. Ich wollte keinen Weihnachtsbaum von einer Plantage oder einen aus Plastik. Nein, er sollte noch am Leben sein und am Leben bleiben. So entschied ich mich einfach dazu, den Baum, der in meinem Garten steht, als Weihnachtsbaum zu schmücken. Ich schmückte ihn schlicht, mit selbstgefertigten Weihnachtsschmuck und Strohsternen. Dinge aus Plastik oder elektrisch betriebenes, sucht man an ihm vergebens. Das tat ich, da mir künstlicher Schmuck und Lichterketten zu aufdringlich sind und darüber hinaus sicherlich nicht für meine nachhaltige Lebenseinstellung stehen oder auch nur stehen könnten.
Ich sitze an einer Bierzeltgarnitur und langweile mich. Ich bin auf einem Fest, halte eine Cola in der Hand und warte darauf, dass die Uhr drei schlägt, da dann Aufbruchszeit ist. Ich sitze da, da ich mich bereit erklärte, Fahrer für einige Freunde und Bekannte bei der Feier zu sein. Ich bot mich an, sie zu fahren, da sie mir vor ein paar Tagen beim Renovieren geholfen hatten und ich sowieso keine alkoholischen Getränke trinke. Doch als ich versprach, Fahrer zu sein, hatte ich nicht gedacht, dass der Abend oder eher die Nacht so lang und langweilig würde. Schon um neun waren meine Bekannten und Freund so voll, dass sie sich fast nur noch lallend unterhalten konnten und von da an führte der weitere Weg, Stufe um Stufe die Niveauleiter tiefer und tiefer hinab.
Ich stehe vor einem Grab. Es ist nicht wirklich mehr ein frisches Grab, aber es ist auch noch nicht wirklich alt. Es ist das Grab eines ehemaligen guten Freundes. Von einem Freund, zu dem mit der Zeit der Kontakt etwas einschlief, so dass wir die letzten Dekaden eigentlich nur noch zweimal im Jahr Kontakt hatten. Zweimal, wenn wir uns gegenseitig zum Geburtstag gratulierten und bei dieser Gelegenheit gleich mit fragten, wie es denn dem anderen so gehe und was sich denn neues ereignet oder ergeben hätte. Aufgrund dieses seltenen Kontaktes kam es schließlich auch dazu, dass ich erst jetzt, etwa fünf Monate nach seinem Tod, an seinem Grabe stehe.
Viereinhalb Monate hatte ich nicht mitbekommen, dass er gestorben war. Erst als ich ihm zum Geburtstag gratulieren wollte, ihn nicht erreichte und dann die „Fühler“ ausstreckte, erfuhr ich, dass er, nach kurzer schwerer Krankheit, gestorben war. Erschüttert bis ins Mark, als ich davon erfuhr, brauchte ich eins, zwei Tage um mich wieder zu fangen. Eins, zwei Tagen, in denen mir immer wieder die Erinnerungen an unsere verstrichenen, gemeinsamen Jahre und unsere Abenteuer, vor mein geistiges Auge traten.
Schließlich, die erste Trauer überwunden, machte ich mich daran, herauszufinden, wo er denn begraben lag. Als ich das herausgefunden hatte, machte ich mich auf den Weg, ihm seine letzte Ehre, wenn auch etwas verspätet, zu erweisen.
Ich stehe vor einem Spiegel und sehe ein verzerrtes Bild. Ich sehe ein verzerrtes Bild von mir und erkenne mich beinah selbst nicht. Dabei handelt es sich bei dem Spiegel um einen planen und keinen konvexen, oder besser gesagt, Trickspiegel. Er müsste physikalisch betrachtet also genau das zeigen, was vor ihm steht. Er müsste also genau mich zeigen, wie ich in den Spiegel blicke. Doch warum sehe ich dann mich nicht selbst in ihm, sondern nur ein verzerrtes Bild von mir?
Mein Wecker klingelt. Ich wache auf und schalte den Wecker aus. Ich suche mit meiner Hand den Einschalter meiner Nachttischlampe, finde und drücke ihn. Nichts passiert. Ich fluche innerlich. Taste mich aus dem Bett und zur Tür. Drücke den Lichtschalter der Zimmerbeleuchtung. Nichts passiert. Also doch nicht nur das Leuchtmittel meiner Nachttischlampe defekt.
„Was treibt dich eigentlich noch an?“ Diese Frage durchdringt plötzlich mein halb schlafendes Gehirn. Die Frage überrascht mich. Sie überrascht mich, da sie von einem Jahrzehnte alten, sehr guten Freund kommt, der für zwei Tage bei mir zu Besuch ist. Er ist für zwei Tage bei mir zu Besuch, wie jedes Jahr, seitdem ich umzog und plötzlich hunderte Kilometer zwischen uns lagen und wir uns nicht mehr wöchentlich sahen, sondern nur noch jährlich. Doch warum überrascht mich seine Frage? Sie überrascht mich, da sie von einem guten Freund kommt, der mich seit meiner Grundschulzeit kennt und aufgrund dessen eigentlich alles von mir wissen müsste. Er weiß eigentlich alles, was mir im Laufe meines Lebens widerfahren ist und aufgrund dessen auch, was meine Ziele waren und sind. Er weiß alles von mir! Also, was bewegte ihn nur dazu, gerade diese Frage zu stellen.
Ich sitze an meinem Schreibtisch und schreibe einen Brief an eine alte Bekannte:
„Hallo,
ich habe schon lange nichts mehr von dir gehört und wollte mich aufgrund dessen bei dir erkundigen, wie es dir so geht? Wie ist es dir in den letzten Jahren, in denen uns, unsere Lebenswege in verschiedene Richtungen führten, ergangen?
Ich bin in der Fußgängerzone unterwegs, als eine junge Frau, Arme wedelnd, versucht meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie schaut mich an, wedelt mit den Armen und ich erkenne, dass sie eine Unicef-Jacke trägt. Also wahrscheinlich wieder jemand, der für die ‚Unterstützung eines guten Zweckes’ werben und mein Geld haben möchte.
Die junge Frau erreicht mich und bleibt vor mir stehen. Sie fragt: „Wohin des Weges.“ „Zum Einkaufen.“ „Ach, das hat ja bestimmt noch etwas Zeit, da können wir uns ja sicherlich etwas unterhalten.“ „Mmh.“ „Kommst du kurz mit rüber zu meinem Freiluftbüro?“ Während sie das sagt, zeigt sie auf die andere Straßenseite und fügt noch hinzu: „Natürlich erst, wenn die S-Bahn vorbeigefahren ist, es hat ja keinen Sinn uns totfahren zu lassen.“ Während wir warten, dass die S-Bahn vorbeifährt, fragt die junge Frau: „Wo wohnst du?“ „Hier, in dieser Stadt.“, erwidere ich, worauf die junge Frau meint: „Ach, das hätte ich bei deinem Dialekt nicht gedacht, wohl zugezogen?“ „Ja.“ „Also ich komme vom Bodensee. Schon einmal dort gewesen?“ „Nein, ich reise nicht viel.“ Dann ist die S-Bahn vorbeigefahren und ich folge der jungen Frau zu ihrem ‚Freiluftbüro‘.
Ich bin zu Fuß auf dem Weg in die Stadt, als ich zufällig einer alten Bekannten, wobei es eigentlich einmal eine gute Freundin war, über den Weg laufe. Ich grüße sie und sie erwidert meinen Gruß. Ich stehe da und überlege, was ich sagen oder fragen soll, schließlich bin ich ihr zum letzten Mal vor über einem Jahr begegnet. Doch mir fällt nichts ein, was ich sie fragen oder was ich zu ihr sagen könnte. Ich stehe ihr einfach nur gegenüber und sehe sie an. Aber scheinbar geht es nicht nur mir so, denn sie sagt auch kein Wort und so fühlt es sich an, als hätte sich eine Wand zwischen uns geschoben. Eine Wand, mit einem Fenster, durch das wir unser Körper sehen, aber nicht unsere Leben. Die Wand ist eine Mauer, die früher nicht da war, als wir uns noch regelmäßig begegneten. Doch jetzt ist sie da und die Anknüpfungspunkte, die früher zuhauf zwischen uns bestanden, sind alle weg, unterbrochen durch die Mauer, die auf einmal zwischen uns steht.
„Du hast mir mein ganzes Leben kaputt gemacht! Du hast mir alles genommen! Du hast mir mein Leben gestohlen!“ schreit mich meine Freundin, oder sollte ich besser sagen, meine seit kurzem Ex-Freundin an. Meine Ex-Freundin, mit der ich bis vor fünf Minuten, seit beinah zehn Jahren, zusammen gewesen bin. Auf einmal brach es aus ihr heraus. Auf einmal schrie sie mich an, dass ich ihr, ihr Leben ramponiert hätte.
Ich sitze mit meiner Freundin auf einer Wiese. Ich, mit meinen Rücken an einen Baum gelehnt, sie, zwischen meinen Beinen und an mich gelehnt. Meine Arme liegen um ihren Körper. So sitzen wir einfach da, still und stumm, während wir die Hektik des Alltages hinter uns lassen. Wir beobachten Enten in einem nahegelegenen Teich und Eichhörnchen, die sich gegenseitig an ein Baum hoch und runter jagen. Es ist ein ruhiger, friedvoller Moment.
Ich sitze auf einer Parkbank. Es ist eine besondere Parkbank für mich. Die Parkbank ist nämlich der ‚ewige Treffpunkt‘ für eine gute Freundin, die ich mittlerweile seit über zwei Jahrzehnten kenne, und mich. Ich sitze auf der Parkbank, da mich meine gute Freundin bat, sie hier zu treffen und ich ihr äußerst selten, außer wenn ich mal wirklich keine Zeit habe, eine Bitte abschlage.
Ich sitze mit einem Kollegen in der Betriebskantine und wir unterhalten uns über die verschiedensten Firmenkulturen, als mein Kollege plötzlich meint: „Die Menschen haben heute keine Empathie mehr.“ Das sagt er, während er sich Happen um Happen seines Mittagessens in den Mund schiebt. Auf seine Aussage hin antworte ich spitz: „Vor allem hier drinnen.“ Worauf mich kein Kollege überrascht anschaut und meint: „Also ich würde schon von mir behaupten, dass ich Empathie habe.“ „Aber die endet scheinbar am Tellerrand, wenn ich mir anschaue, was du dir da gerade zwischen die Kauleisten schiebst. Du hast sicherlich keine Empathie für die Lebewesen, die unter qualvollen Bedingungen gehalten und getötet werden, nur damit ihre Leichenteile tagtäglich auf deinen Teller landen und du sie verspeisen kannst.“ „Was hat denn Empathie mit Tieren zu tun? Empathie kann man nur für andere Menschen empfinden und Tiere sind nun einmal keine Menschen.“ „Empathie kann man für alle denkenden und fühlenden Lebewesen empfinden. Man sieht ja tagtäglich, wenn man nur hinschaut, wie Tiere Schmerzen verspüren, wenn man ihnen Leid zufügt und wie sie bestimmte Handlungsweisen erlernen, um Leid zu vermeiden. Allein aufgrund dieser Beobachtungen ist es uns doch möglich, Empathie gegenüber Tieren zu empfinden, denn wir können uns in sie hineinversetzen und uns vorstellen, das bestimmte Haltungs- und Umgangsformen schlecht für sie sind und ihnen Leid zufügen. Empathie bedeutet doch, dass man sich in andere Lebewesen hineinversetzen kann, oder?“ „Für Nahrung kann und sollte man keine Empathie empfinden, schließlich hat ja auch ein Löwe kein Mitleid und keine Empathie für die Gazelle, die er jagt und verspeist.“ „Ja, doch es gibt trotzdem einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Löwen und uns. So ist der Löwe zum einen ein Karnivore, während wir Omnivoren sind, wodurch uns schon allein aufgrund unserer Biologie möglich ist, fast unseren gesamten Nährstoffbedarf über nicht tierische Lebensmittel zu decken. Darüber hinaus hält der Löwe auch nicht die Gazelle ihr Leben lang unter erbärmlichen Bedingungen, in denen sie eigentlich nur krank und qualvoll leben kann.“ „Jetzt lass doch mal die Kirche im Dorf. Erst durch die Landwirtschaft und die Haltung von Vieh, haben wir Menschen es geschafft, uns so weit zu entwickeln, wie wir heute sind. Ohne Tierhaltung und das Verspeisen von Tieren, währen wir nicht die, die wir heute sind!“ Bei diesen Worten schaue ich mir meinen Arbeitskollegen an, der zweihundertfünfzig Pfund Masse auf einen Meter siebzig Größe bringt. Bei diesem Anblick komme ich nicht umher, noch eine Spitze anzubringen und zu sagen: „In Ordnung, ich werde schweigen und nichts mehr zu dem Thema sagen, wenn du es in deiner Kondition schaffst, zu Fuß und nur mit deinen Händen und Zähnen bewaffnet, genau wie der Löwe, eine Gazelle zu jagen und zu erlegen. Doch so wie deine aktuelle Form ist, schafftest du ja nicht einmal einen Hundertmeterlauf, ohne dabei einen Herzinfarkt zu bekommen und zu sterben.“ „Brauch ich auch nicht! Wir Menschen sind schließlich hochentwickelt und so können wir Werkzeuge benutzen, um Tiere zu erlegen und komfortabel zu leben.“, erwidert mein Arbeitskollege, woraufhin ich sage: „Dann ist uns aber mit unserer Entwicklung, der Verstand abhandengekommen, denn früher wussten die meisten Menschen noch, dass man sorgsam mit den Ressourcen der Natur umgehen muss, damit sie einen über einen längeren Zeitraum ernährt und man dadurch nicht Jahr um Jahr fürchten muss, dass man sich durch seinen Umgang mit den Ressourcen selbst umbringt. Durch die Technologisierung unserer Leben, sehen wir nicht mehr, wie die Tiere in unserer Gesellschaft gequält und ausgebeutet werden. Wir sehen nicht oder wollen nicht sehen, wie für Futtermittel Regenwälder gerodet werden und wir sehen auch nicht, wie das Nitrat der Gülle, die in der Massentierhaltung anfällt, langsam unsere Böden verseucht und darüber hinaus multiresistente Keime den Ställen entspringen und uns und unsere Leben bedrohen. Eigentlich bringt deine Aussage, dass man keine Empathie mit Tieren haben brauch, nur zum Ausdruck, dass du noch unter den Tieren stehst, denn intelligente Wesen müssten wissen, dass sie nur im Einklang mit der Natur, ihrer Umwelt und den Tieren leben können, um dadurch die Chance zu haben, gut und glücklich zu leben.“ „Jetzt mach mal halblang!“, braust mein Arbeitskollege auf, bevor er fortfährt: „Wir essen seit Jahrtausenden Fleisch. Es gehört zu uns und unserer Kultur, und das lasse ich mir nicht von dir madig machen!“ „Nur weil etwas seit Jahrtausenden gemacht wird, heißt das noch lange nicht, dass es gut ist, wie man am Beispiel der ‚Sklavenhaltung‘ und des ‚Sklavenhandels‘ sehen kann. Darüber hinaus war Fleisch früher noch etwas Besonderes und wurde häufig nur zu besonderen Anlässen gegessen. So waren vielen Menschen in den vergangenen Jahrtausenden ihre Tiere heilig und sie wurden gut und nachhaltig umsorgt, im Gegensatz zu den ‚Fleischfabriken‘ heutiger Tage, die Futtermittel aus Übersee importieren und so viele Tiere halten, dass Land und Mensch vergiftet werden. Doch wir schweifen ab. Eigentlich sprachen wir über Empathie und selbst wenn du keine Empathie für die Tiere hast, so müsstest du doch Empathie für die Menschen haben, die in den Fleischfabriken ausgebeutet werden. Für die Menschen, die für immer neue Futtermittelplantagen ihre Häuser und ihre Lebensgrundlage verlieren und die Menschen, die unter den Klimawandel leiden, zudem eine fleischlastige Ernährung nicht unwesentlich beiträgt. Damit schließt sich dann auch wieder der Kreis und selbst du müsstest dir jetzt eingestehen, dass deine Empathie, auch in Bezug auf die Menschen, an deinem Tellerrand endet.“
Doch anstatt das mein Arbeitskollege Einsicht zeigt, sagt er, während er aufsteht, nur: „Jetzt hast du mir meinen Appetit verdorben! Ich werde nie wieder mit dir essen gehen!“ und verlässt die Kantine.
Meinen Arbeitskollegen hinterherblickend denke ich: „Es ist schone eine Klasse für sich, wie wir Menschen uns immer und immer wieder selbst belügen. Wir belügen uns tagtäglich, um uns gut und besonders zu fühlen. Doch herrscht dabei leider nur immer wieder mehr ‚Schein als Sein‘.“
Ich sitze am Rand eines Brunnens und warte auf mein Date. In meinen Händen halte ich einen selbst gepflückten und gebundenen Blumenstrauß. Ich sitze da und warte, vor Vorfreude ganz zappelig, denn es ist eine ganz besondere Frau, die ich zu treffen beabsichtige. Ich treffe eine Frau, in die ich so verliebt bin, wie ich es seit meinem vierzehnten Lebensjahr in keine mehr war.
Ich halte mein Smartphone in der Hand. Grade habe ich eine gute Freundin zum dritten Mal, in ebenso vielen Wochen, versucht anzurufen, doch sie ging wieder nicht ans Telefon. Sie nahm den Anruf nicht entgegen, wie schon die letzten beiden Male, die ich versuchte sie anzurufen. Doch nicht nur, dass sie nicht ans Telefon ging, nein, sie rief auch nach den letzten beiden Anrufversuchen nicht zurück. Dabei ist der direkte Anruf nicht der erste Versuch der Kontaktaufnahme mit ihr, nein, ich schrieb ihr in den letzten drei Monaten je Monat eine Nachricht, um zu fragen, wie es ihr geht, worauf sie mir aber auch nicht antwortete, so dass ich schließlich aufs Telefon auswich. Aber wie bereits gesagt, es war das gleiche Spiel. Seit nunmehr fünf Monaten habe ich nichts mehr von meiner guten Freundin gehört. Na gut, ich gebe zu, dass sie und ich nie regelmäßige Schreiber und Telefonierer waren, doch bisher war es so, dass, wenn einer von uns etwas schrieb, der andere meist innerhalb einer Woche antwortete und wenn man versuchte den anderen anzurufen, man meistens innerhalb eines Tages zurückgerufen wurde. Doch in den letzten drei Monaten, in denen ich versuchte mit ihr in Kontakt zu kommen, kam nie eine Antwort zurück. Die einzige Antwort war ein leeres Feld in der Nachrichten-App und der nicht endende Signalton, wenn ich versuchte sie anzurufen. Ein leeres Feld, in dem ich jeden Tag hoffte, doch noch eine Antwort von ihr zu lesen. Ein Signalton, von den ich hoffte, dass er durch ihre Stimme unterbrochen wird.
Ich sitze in einem Lokal, einer mir fremden Frau gegenüber und weiß nicht, was ich tun oder sagen soll. Ich sitze da, da mich ein Kumpel dazu überredete mit ihm, an diesem Tag, in das Lokal zu gehen, um Spaßeshalber beim ‚Speed-Dating‘ mitzumachen. Beim Speed-Dating, dass der Lokalbetreiber als besonderes Event für diesen Tag geplant hat.
„Mist, mir ist die Sojasoße ausgegangen!“, flucht ein Freund, bei dem ich zum Essen eingeladen bin, in der Küche so laut, dass ich ihn im Esszimmer höre. Ich rufe ihm zu: „Soll ich schnell welche einkaufen gehen?“ Auf meine Frage hin kommt er aus der Küche ins Esszimmer und fragt: „Wo möchtest du denn jetzt auf die Schnelle noch Sojasoße herbekommen? Hier in der Nähe gibt es ja keine Geschäfte, die sie führen, du wärst mindestens eine Dreiviertelstunde unterwegs und dann ist entweder das Essen zerkocht oder kalt.“ „Wieso sollte ich eine Dreiviertelstunde unterwegs sein? Zwei Straßen weiter gibt es doch ein kleines Asia-Geschäft, in dem sie sicherlich Sojasoße haben.“ „Hier gibt es keinen Asialaden in der Nähe. Zumindest nicht, dass ich wüsste und ich lebe schon seit mehreren Jahren hier.“ „Doch, den gibt es. Ich gehe schnell Sojasoße kaufen und da wirst du ja sehen, dass ich recht habe.“ Das gesagt, stehe ich auf, verlasse das Haus, gehe zwei Straßen weiter, betrete den Asialaden, kaufe Sojasoße und begebe mich zurück zu der Wohnung des Freundes. Für das alles brauche ich nicht einmal fünfzehn Minuten, inklusive Schuhe an- und wieder ausziehen.
Ich liege auf dem nackten Fußboden neben einem Kater. Ich liege da, neben ihn und gebe ihn ein paar Streicheleinheiten. Während ich ihn streichele, schiebe ich ihm einen Napf mit Katzenfutter vors Maul. Warum ich das tue? Der Kater ist krank und tut sich aufgrund dessen momentan schwer mit dem Fressen. Er tut sich schwer, doch wenn er merkt, dass man es gut mit ihm meint, frisst er doch etwas. Etwas, das ihm Kraft spendet und hoffentlich die Krankheit überwinden lässt.
Ich stehe in einem Supermarkt. Die Regale für Nahrungsmittel und Hygieneprodukte sind fast leergekauft. Vereinzelt streiten sich noch einige Menschen um die Reste in den Regalen und was mache ich? Ich stehe fassungslos da und frage mich, wie es nur so weit kommen konnte.
„Bald habe ich das Zugfahren hinter mir! Bald habe ich mein eigenes Auto und kann hinfahren, wo ich will, wann ich will!“, sagt eine Bekannte zu mir, die neben mir im Zug sitzt. „Ach komm schon, so schlimm ist das Zugfahren auch wieder nicht. Man kann dabei in Ruhe lesen, trifft ab und an einige Bekannte und kann sich dann mit ihnen unterhalten. Selbst schlafen kann man, wenn man Zug fährt, und das wäre beim Autofahren wohl eher ungünstig.“ „Das mag alles stimmen, doch Zugfahren macht nichts her. Es ist unflexibel und hat kein Prestige.“ „Als hätte Autofahren Prestige. Autofahren ist eine Ausprägung unserer Individualgesellschaft, in der sich reiche Menschen auf Kosten anderer Menschen und der Umwelt bereichern. Sei es durch Flächenversiegelung für die Straßen, sei es durch Mikroplastik das durch Reifenabrieb entsteht oder sein es die Verbrennungsrückstände, die viele Fahrzeuge noch aus ihren Auspuffrohren hinaus, in die Umwelt, jagen.“ „Du siehst das alles so negativ! Autofahren ist nicht der Hauptklimasünder oder Umweltzerstörer, als der er weithin dargestellt wird! Nein, die Industrie ist viel schlimmer und die Autofahrer werden nur als Sündenböcke verwendet, da sie mittlerweile keine starke Lobby mehr haben. Ich habe einen Bericht gelesen, in dem es heißt, dass die ganzen Kreuzfahrtschiffe viel mehr klima- und umweltschädliche Stoffe ausstoßen, als alle Autos auf der Welt zusammen.“ „Mal ehrlich, wo hast du so einen Unsinn gelesen? Und selbst wenn die Kreuzfahrtschiffe so umwelt- und klimaschädlich wären, ist das noch lange kein Grund sich für den Autoverkehr stark zu machen, stattdessen muss man alle Umwelt- und Klimasünder in die Verantwortung nehmen und versuchen alle Bereiche des Lebens und der Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Darüber hinaus finde ich es echt zum Lachen, dass du der Meinung bist, dass die Autofahrer keine ‚starke Lobby‘ hätten. Keine starke Lobby, bei all den Straßen, die noch zusätzlich zu den bestehenden Straßen gebaut werden, wodurch immer mehr Flächen versiegelt werden. Und wie sieht es überhaupt mit den ganzen autofahrerfreundlichen Gesetzen und Vorschriften in Deutschland aus? Wir haben ja nicht mal, als eines von ganz wenigen Ländern weltweit, ein generelles Tempolimit, weil die Autolobby dagegen Sturm läuft, obwohl der Nutzen eines Tempolimits aufgrund der mit ihm einhergehenden sinkenden Zahlen an Unfalltoten und dem geringeren Energieverbrauch zigfach bewiesen ist. Oder willst du etwa behaupten, dass man sicher mit zweihundert Sachen über die Autobahn rasen kann, dabei noch voll sein Umfeld wahrnimmt und darüber hinaus nicht unnötig viel Energie verbraucht? Mal ehrlich, glaubst du eigentlich selbst das, was du da gerade von dir gibst?“ „Ach, du bist auch nur einer der stumpfsinnigen Umweltaktivisten mit Scheuklappen vor den Augen! Das einzige Problem, dass wir wirklich haben, ist, dass die Umweltbewegung fasst alle Kommunikation und Medien gekapert hat und jetzt ist jeder, der ein Auto fährt, plötzlich böse!“ „Sicherlich hat die Umweltbewegung nicht die ganze Kommunikation gekapert, nur die Wissenschaft hat mittlerweile eindeutige Beweise für die umwelt- und klimatechnischen Folgen des zügellosen Individualverkehrs, wie er in Deutschland zelebriert, gefördert und häufig gefordert wird, erbracht. Die Wissenschaft hat mittlerweile Beweise für den Unsinn des zügellosen Individualverkehrs vorliegen, die sich nicht mehr einfach mit einem Schulterzucken abtun lassen, weswegen ein Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit unausweichlich ist und nicht mehr lange auf sich warten lassen kann. Doch lassen wir mal die generelle Diskussion über Sinn und Unsinn des motorisierten Individualverkehrs beiseite. Am Ende bleibt mir wenigstens zu hoffen, dass du dir einen umweltfreundlichen Kleinwagen holst.“ „Ähm, eher nicht. Ein Auto muss, wie bereits gesagt, etwas hermachen. Was würde es denn über mich aussagen, wenn ich mit einem popeligen Smart durch die Gegend führe! Nein, mein Auto wird eine alte Mercedes-Limousine sein, damit ich immer genügend Platz für alle meine Sachen habe. Darüber hinaus macht das Autofahren auch erst wirklich Spaß, wenn man so einen Schlitten fährt.“ „Für was für Sachen brauchst du so viel Platz? Meistens fährst du doch nur mit deiner Handtasche zur Arbeit und zurück, oder? Und darüber hinaus, seit wann muss Autofahren Spaß machen? Das Auto sollte primär ein Nutzfahrzeug und möglichst umweltfreundlich sein! Am Ende wirst du dann auch noch zu einem der Menschen, die einfach aus Spaß mit dem Auto durch die Gegend cruisen und unnütz die Umwelt und das Klima schädigen!“ „Ähm, ja, also ich werde meistens wirklich nur zur Arbeit fahren und dafür brauche ich wirklich keine Mercedes-Limousine, aber man kann ja nie wissen, was noch wird. ‚Better safe than sorry‘, sage ich da nur. Und was das ‚durch die Gegend cruisen‘ betrifft, so ist daran ja nichts Schlimmes, wenn man sich mit Freunden trifft und dann etwas durch die Gegend fährt. Es ist doch nichts Schlimmes dabei, wenn man abends oder am Wochenende mal ein paar Freunde trifft und sich dann einen Platz zum Feiern sucht ‚That’s life‘.“ „Aber, …“ „Nichts aber. Ich muss jetzt aussteigen und du schaffst es sowieso nicht, mich von meiner Meinung und Entscheidung abzubringen, also spare dir deine Worte!“ Damit beendet meine Bekannte die Unterhaltung und steht auf. Zum Abschied dreht sie sich aber noch einmal zu mir um und meint: „Also dann, mach’s gut. Vielleicht sieht man sich ja mal irgendwann abseits des Zuges auf der Straße, bis dahin, bye.“ Das gesagt geht sie zur Zugtür und steigt bei der nächsten Haltestelle aus.
Ich bleibe allein zurück und frage mich, wie wir Menschen jemals nachhaltig und im Einklang mit der Natur leben wollen, wenn solch ein Umwelt und Klima zerstörender Materialismus, wie ihn meine Bekannte zur Schau trägt, tief in unserer Gesellschaft und in dem Wesen vieler Menschen verankert ist?
Wie sollen wir nur je eins mit dem Planeten werden und im Einklang mit unserer Umwelt leben?
Ich sitze auf einer Picknickdecke im Schlossgarten und warte. Ich warte auf eine gute Freundin und einige andere Bekannte, mit denen ich gemeinsam ein Picknick veranstalten möchte. Der vereinbarte Zeitpunkt für den Beginn des Picknicks kommt und geht, ohne das meine gute Freundin auftaucht. Stattdessen kommen die anderen Bekannten und setzen sich, einer nach dem anderen, mit zu mir auf die Wiese. Wir begrüßen uns und nach einer Weile kommt die Frage auf, ob noch jemand zu kommen beabsichtigte oder ob wir mit dem Picknick beginnen sollten. Ich antworte, dass noch meine gute Freundin fehlte und ich gleich versuchte sie anzurufen. Gesagt, getan. Ich wähle ihre Mobiltelefonnummer und in meinem Smartphone erklingt der Rufton. Er erklingt und erklingt, aber meine gute Freundin geht nicht ran. Nach einer Weile meldet sich stattdessen der Anrufbeantworter und ich lege auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. „Mmh, sie geht nicht dran.“, sage ich zu meinen übrigen Bekannten und frage mich, ob ihr vielleicht etwas passiert ist. Abschließend sage ich zu den Anwesenden: „Lasst uns noch fünf Minuten warten und wenn sie dann noch nicht da ist, fangen wir an.“ Meine Bekannten stimmen zu und so verstreicht die Zeit, während ich mich frage, was mit meiner guten Freundin wohl los ist.
Ich sitze in meinem Stammcafé, trinke eine Tasse Tee und esse ein Stück Kuchen. Während ich diesen Gaumenfreuden nachgehe, lese ich eine Zeitung. Ich sitze still und allein in dem halb gefüllten Café, als ich plötzlich die Tür gehen höre und daraufhin aufblicke. Ich blicke auf, da das Café auch regelmäßig von meinen Freuden und Bekannten frequentiert wird und vielleicht jemand kommt, mit dem ich etwas plauschen kann. Ich sehe ein mit mir befreundetes Pärchen, das erst seit eins, zwei Wochen miteinander ausgeht, eintreten und an einem Tisch für zwei, Platz nehmen. Während sie sich setzen, blicken sie sich noch einmal im Café um und als mich ihre Blicke streifen, hebe ich freundlich, zum Gruß, meine Hand. Meine beiden Bekannten stutzen einen Moment und erwidern dann den Gruß. Doch zu mir kommen oder etwas sagen, tun sie nicht. Scheinbar ist damit der Höflichkeit auch Genüge getan, denn sie setzen sich gänzlich und wir gehen wieder unseren individuellen Beschäftigungen nach.